Wie nehmt ihr unsere Gesellschaft wahr in Bezug auf psychische Einschränkungen?

So und so 42%
Sehr verständnisvoll, und nicht anmassend 33%
Sehr anmassend, einfach mal was reden( nicht ernst nehmen) 25%

12 Stimmen

6 Antworten

Sehr anmassend, einfach mal was reden( nicht ernst nehmen)

Sehr unterschiedlich. Aber meistens bekommt man zu hören "stell dich nicht so an", "tu halt was", "such dir doch einfach Hilfe", "geh etwas in die Sonne" oder "jetzt müsste es doch mal wieder gut sein".

Besonders problematisch finde ich, wie schwer es ist professionelle Unterstützung zu bekommen, wie wenig dafür getan wird, dass die Personen ggf wieder arbeitsfähig werden und wie viele Probleme den Betroffenen in den Weg geworfen werden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Habe einen bunten Blumenstrauß an psychischen Erkrankungen.

DerjungeTyp29 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 20:17

Besonders problematisch finde ich, wie schwer es ist professionelle Unterstützung zu bekommen, wie wenig dafür getan wird, dass die Personen ggf wieder arbeitsfähig werden und wie viele Probleme den Betroffenen in den Weg geworfen werden.

Kannst du das bitte genauer erklären?

0
Loka95  01.09.2024, 22:59
@DerjungeTyp29

Auf eine Therapie oder einen Klinikplatz wartet man ca ein Jahr. Sogar bei sehr gravierenden Problemen. Selbst wenn jmd sich bei einer Akutklinik meldet und sagt "ich habe gerade versucht mich umzubringen" kann es vorkommen, dass man erst in drei Monaten aufgenommen wird. Es gibt einfach nicht genügend Plätze.

Wenn jmd Arbeitsunfähig ist, wird zur Therapie geraten (die ewig dauert und eben schwer zu bekommen ist) oder man kriegt vll ne Reha, die idR wenig bringt. Natürlich gibt es auch Arbeitstherapie, Ergotherapie zb, aber dafür muss man bezahlen und wer so weit unten ist, hat selten das Geld dafür.

Die Anträge, die man ausfüllen muss, um Geld zu bekommen, sind unglaublich komplex und für Arbeitsunfähige fast unmöglich zu bewältigen. Die Leute am Telefon haben keinerlei Ahnung von psychischen Erkrankungen und reagieren recht fies. Und wenn man es dann durchgestanden hat, stellt man fest, dass man weniger als Bürgergeld-Empfänger bekommt und weitere komplizierte Anträge einreichen muss, obwohl man nicht mal weiß wer zuständig ist.

Ich kenne einige die dadurch überhaupt erst suizidal wurden.

Es gibt generell wenig was man aktiv tun kann, um wieder gesund zu werden.

PS: Bitte Zitate kennzeichnen, ist sonst verwirrend :)

1

Beides passt nicht so richtig. So richtig checken Menschen nicht, was eine psychische Störung ist (auch Fachleute checken es nicht alle - ich meine Psychiater gehen ja immer noch zum Teil ausschließlich von gestörten Transmittersystemen aus, was nur ein Teilaspekt und enorm reduktionistisch ist. Psychische Störungen kann man auch aus einer psychologischen Perspektive betrachten).

Ganz kurzgesagt: Psychische Störungen sind ungünstige, hartnäckige Muster im Erleben und Verhalten

Das Problem ist oft, dass versucht wird, das Konzept der "Krankheit" aus der Medizin auf psychische Störungen zu übertragen. Psychische Störungen sind aber nicht dasselbe wie z.B. eine Infektion. Bei somatischen Erkrankungen muss man in der Regel abwarten, bis sie vorbei ist oder erhält eine Behandlung, bei der man passiv den Arzt machen lässt. Das alles funktioniert bei psychischen Störungen so nicht. Man ist ihr nicht passiv ausgeliefert und so löst man sie auch nicht. Es geht ja buchstäblich um das eigene Erleben und Verhalten und die Behandlung erfordert, dass man sich intensiv damit auseinandersetzt.

Psychische Störungen haben viel mit eigenen Denkmustern und Bedürfnissen / Motiven zu tun. Da ist man also viel direkter als Mensch betroffen als z.B. bei einer Infektion.

Folgende Denkfehler lassen sich feststellen:

  • Ignoranz/ Unverständnis: das ist schon durchaus verbreitet, dass Menschen das wegdiskutieren, nicht ernst nehmen. Falsch ist auch z.B. zu denken, dass man sich "nur zusammenreißen muss" oder sich durch einen einfachen Willensakt aus dem Muster befreien kann. Das erfordert intensive Analyse und viel experimentieren. Deswegen sind Vorwürfe oftmals nicht angebracht. Und es ist auch klar, dass Laien dafür Dir nicht die Lösung auf dem Silbertablett geben können. Weil man selbst experimentieren muss, selbst sich was erarbeiten muss. Das versuchen sie oft trotzdem und natürlich geben sie dann nicht hilfreiche Tipps. Ich glaube, das ist das, was Du als "anmaßend" bezeichnest.
  • "Es ist eine Krankheit, die ich nun mal habe": falsch ist aber genauso, zu meinen, dass man passiv ausgeliefert ist und dass doch bitte die gesamte Umwelt sich nach einem richten soll. Das geht nicht immer, und vor allem ist man, wenn es buchtstäblich um das eigene Erleben und Verhalten geht, nie passiv ausgeliefert.

DerjungeTyp29 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 20:13

Genauso falsch finde ich es, ständig gegen denn Strom zu schwimmen, nur weil das von einem verlangt wird. Selbstverständlich ist veränderung wünschenswert, und auch bis zum Punkt X möglich, aber nur gegen Strom koste es was es wolle? nee

0
blechkuebel  01.09.2024, 20:23
@DerjungeTyp29

Hmm, ich frage mich gerade, was Du mit "gegen den Strom schwimmen" meinst. In etwa das, was ich mit "sich mit seinem Erleben und Verhalten auseinandersetzen" meine?

0
DerjungeTyp29 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 20:28
@blechkuebel

Ich finde da ADHS z.B ein gutes Beispiel. Selbstverständlich soll man soweit es geht, lernen mit monotonen dingen oder dingen die einem keinen Spass machen umzugehen. Aber sich jetzt nur noch damit zu quällen( „weil das muss man ja können“) und bloss in dieses Gesellschaftsmuster zu passen, das halte ich für falsch. Irgendwo ist man auch einfach wie man ist, und grade im genannten Beispiel braucht es ungeimlich viel Energie, diese Arbeiten auszuführen, wo ich sage, das muss im Verhältnis stehen. Die Gesellschaft darf auch offener werden, und toleranter..

0
Sehr verständnisvoll, und nicht anmassend

Nicht unbedingt die Gesellschaft, aber meinen Arbeitgeber.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

DerjungeTyp29 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 20:18

Darf ich fragen was du hast? und wieviel du arbeitest?

0
Starkman405  01.09.2024, 20:21
@DerjungeTyp29

Haben nichts, aber es gibt wirklich tolle Angebote für den Fall der Fälle. Trotzdem gab es leider schon ältere Kollegen im Freitod.

1
So und so

Kommt auf das Individuum an, grundsätzlich ist es aber kein so großes Tabuthema mehr, wie noch vor einigen Jahren oder gar Jahrzehnten.

Sehr verständnisvoll, und nicht anmassend

Gelegentlich kommt ein Intelligenzkotierer nach etwas freundlicher Schreibweise. Aber andere haben meist viel Verständnis.