Ohne Liebe aufgewachsen: Ist es verwerflich, die Eltern aufzugeben?

Hey Leute, eigentlich habe ich hier einen Wall of Text geschrieben (wird wohl dennoch länger), aber dafür interessiert sich wahrscheinlich keiner, deshalb würde ich gerne kurz gefasst die Meinung von älteren Mitmenschen hören, insbesondere auch ähnlich Betroffenen.

Kurzfassung: Ist es falsch, sich von den Eltern zu distanzieren, wenn sie emotional kalt und übergriff sind?

Falls wer mehr Kontext möchte (sonst einfach nicht lesen):

Ich komme aus schwierigen elterlichen Verhältnissen. Liebe definieren meine Eltern dadurch, dass sie arbeiten gegangen sind und uns finanziell versorgt haben. Ich habe viel emotionale und sonstige Gewalt in meiner Kindheit erlebt. Das ist lange her, aber der emotionale Missbrauch zieht sich bis heute durch. Hier und da ein ekliger Spruch, ambivalentes Verhalten und so weiter. Meine Eltern sind beide gestört, sie lieben weder sich noch andere. Man kann mit ihnen nicht reden, Smalltalk ist nicht möglich. Wenn sie reden, dann über ihre Arbeit und man darf zuhören, wie schlimm doch alles ist. Sie interessieren sich weder für ihre Kinder noch ihre Leben. Sie sind IMMER schlecht gelaunt, IMMER.

Ich habe sehr oft versucht, das Gespräch zu suchen. Auch Smalltalk, nett sein, sich für sie interessieren. Im Idealfall führt man ein oberflächliches Gespräch über Fussball. Da habe ich mir sogar Wissen aus dem Internet angesammelt, in der Hoffnung, dass wir ein gemeinsames Hobby entwickeln. Nichts da.

Ich bin inzwischen in meinen 20ern, habe eine Partnerin und keine Lust mehr. Von Zeit zu Zeit kommen so eklige Aussagen in meine Richtung, dass ich nicht mehr will. Ich kann das einfach nicht mehr. Ich spiele schon länger mit dem Gedanken, den Kontakt zu meinen Eltern abzubrechen. Ich sehe an der Familie meiner Partnerin, die mich nebenbei gesagt sehr mag, wie schön es sein kann, wenn man wie ein Sohn behandelt wird. Oder wie ihre Eltern sie oder sich behandeln, mit Liebe, Respekt. Von meinem Vater habe ich das Wort "Sohn" nicht so oft gehört wie von dem Vater meiner Partnerin.

Kurz gesagt, meine Familie tut mir nicht gut. Ich habe gewisse Verhaltensauffälligkeiten durch sie entwickelt, in meiner Jugend war ich ein extrem impulsiver Mensch und heute habe ich Schwierigkeiten damit, meine Gefühle zu verstehen. Erst mit dem Älterwerden hinterfrage ich meine eigene Gefühlswelt und was ich sehe, ist eine Vergangenheit, die auf purer Einsamkeit und Enttäuschung basiert. Mein Umfeld sagt mir, dass mein Gesicht keinerlei Emotionen zeigt.

Mein Vater sagte vor einigen Wochen, er habe erst das Vatersein gespürt als mein kleiner Bruder auf die Welt gekommen ist. Was für ein Vater sagt sowas? Vor meinen Schwiegereltern, vor anderen. Vollkommen grundlos, ohne Streit oder ein negatives Gespräch. Meine Schwiegereltern waren geschockt. Dazu sei gesagt, dass ich kein schwieriges Kind war. Musterschüler, ruhig, anständig. Dennoch scheinbar nicht genug. Wozu tue ich mir das noch an?

Ist es falsch, seine Eltern aufzugeben? Ich kann sie einfach nicht ändern, das habe ich verstanden. Sie wollen unglücklich sein. Aber vielleicht kann ich für mich ein neues Kapitel beginnen.

Liebe, Eltern, Psychologie, Familienprobleme, Psyche, Trauma