Deine Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, finde ich.
Ich glaube, im Prozess des Älterwerdens gibt es einen (Zeit)punkt, an dem die Teilhabe an der Gesellschaft kippt. Zuvor gehörte man mit aller Selbstverständlichkeit zu der Generation, die den maßgeblichen Teil des öffentlichen Lebens und der Entscheidungsträger ausmachte, und plötzlich sind weder die eigene Meinung noch die eigene Person überhaupt noch gefragt.
Es sind Kleinigkeiten, an denen sich das bemerkbar macht, z.B. wird man im Restaurant von den Bediensteten nicht mehr als erstes angesprochen oder wenn in eine Gruppe eine Frage gestellt wird, gehört man nicht mehr zu den Personen, die dabei angeschaut werden - so was halt.
Wenn man nicht gezielt darauf achtet, weiß man dann aber nicht, warum man sich nicht mehr "zugehörig" fühlt, man fühlt sich einfach nur so. Das kann ganz schön schmerzhaft sein, denn man lebt ja weiter aktiv in dieser, also der akuellen, Gesellschaft und sitzt nicht plötzlich auf dem Baum und bekommt nichts mehr mit.
Ich denke, dann herum zu poltern, sich auf sein Alter und seine (vermeintlichen) Leistungen für diese Gesellschaft zu berufen, ist einfach nur der lautstarke Versuch, diesem nicht mehr gehört und gesehen zu werden, entgegen zu wirken.
Ich glaube (bin zwar noch nicht in Rente aber auch nicht mehr so ganz taufrisch), dass ich mit jedem Menschen weitestgehend respektvoll umgehe, und trotzdem, als mir kürzlich eine wesentlich jüngere Kollegin erzählte, dass sie "damals" etwas ganz anders gemacht hätte und auf meine Frage, wann denn "damals" gewesen sei, antwortete, "vor drei Jahren", musste ich schon auch grinsen. Aber klar, mit 24 Lebensjahren sind drei Jahre 1/8 der Lebenszeit, mit 57 nur noch 1/19...