Wird meine Tochter trotz ihrer Beeinträchtigungen eine gute Zukunft haben?

5 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich möchte dir vom Leben meines Bruders und seiner Klassenkameradin berichten. Vielleicht gibt dir das etwas Mut für die Zukunft. Deine Tochter kann ein gutes Leben führen, wenn du die richtigen Entscheidungen triffst.

Ich wuchs in Sozialhilfe auf. Wie auch mein Bruder. Unterste Bildungsschicht. Mein Bruder ist behindert auf die Welt gekommen. Er hat die Bluterkrankheit (Hämophilie). Jeder Stoß, jeder Schnitt, jeder aufgekratzte Mückenstich könnten zum Verbluten führen. Alle 2-3 Tage fuhren meine Eltern in die Uniklinik, weil er Gerinnungsfaktoren gespritzt bekam. Er kam auf eine Grundschule für behinderte Menschen. In seiner Klasse waren sowohl körperlich behinderte als auch geistig behinderte Kids. Mein Bruder hatte eine Klassenkameradin, die hat das Down Syndrom. Nach der Schule kam mein Bruder auf ein Internat für Körperbehinderte Menschen. Er lernte dort den Beruf "Mechanischer Buchbinder und Restaurateur".

Ich selber wurde Erzieherin. Trotz der untersten Bildungsschicht und Armut hat meine Mutter alles Mögliche unternommen damit aus uns was wird. Die Zeiten damals waren noch härter.

Das Mädchen mit dem Down Syndrom hat heute ihren eigenen Blumenladen, den sie alleine Führt. Einmal in der Woche kommt eine Aufsicht vorbei, welche auf die Finanzen schaut und schaut ob in Wohnung und Laden alles in Ordnung ist. Mein Bruder und auch das Mädchen mit Down Syndrom sind nicht reich oder so. Sie kommen aber gut durch das Leben, jeder hat seinen eigenen Job. Mein Bruder ist verlobt, will aber keine Kinder in die Welt setzen, genau so wie ich auch, weil die Bluterkrankheit ist vererbbar.

Für dich bedeutet das, das du beizeiten sehen musst, wie die Interessen deines Kindes sind, ob es realistisch ist etwas in Berufsform zu finden oder ob du was nimmst was weniger Anspruchsvoll ist. Mein Bruder musste einen Beruf lernen, der weniger gefährlich ist. Beim Restaurieren von Büchern passiert nicht viel. Man verletzt sich nicht so leicht und die Tätigkeit ist halt im Sitzen. Es ist nicht der Beruf den er machen wollte. Aber er hat einen Beruf und kann damit Geld verdienen. Meine Mutter hat sich schon früh nach geeigneten Schulen und Ausbildungsstellen umgeschaut. Hatte schon frühzeitig Gespräche mit dem Amt. Auch du solltest 2-3 Jahre vor dem Abschluss deiner Tochter aktiv werden und nicht erst ein halbes Jahr vor Abschluss nach einem Beruf Ausschau halten. Vernetze dich mit anderen Eltern die auch das Problem haben.

Es gibt so viele Möglichkeiten für dein Kind, aber du musst früh anfangen mit den Planungen. Warte nicht erst bis das Kind 16 oder 17 ist.


Astra10 
Beitragsersteller
 30.06.2024, 21:57

Super, vielen Dank für deine mutmachende Antwort.

Besonders die Geschichte deines Bruders hat mich sehr berührt!

Alles Gute weiterhin euch beiden.

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Sie braucht viel Hilfe und man muss sehr nachsichtig mit ihr sein und natürlich sie auch sehr bestärken in allem.

Sie wird bei der Arbeit später natürlich Probleme haben, aber sie kann lernen jetzt schon selbstbewusster zu werden und Selbstvertrauen aufzubauen. Sie muss sich nicht verstecken und kann alles erreichen was sie will. Sie muss nur sehen, dass sie ein gutes Zeugnis hat und braucht viel Nachhilfe eben.

Keine Angst. Gib Ihr Rückhalt und hilf Ihr, Selbstvertrauen zu entwickeln. Das wird schon.

Für das Klassenarbeits-Leistungs-Lernen in der Schule ist einfach nicht jeder gemacht.

Sie wird sich entwickeln und all Deine Erwartungen in den Schatten stellen. Also lass sie vor allem mit Erwartungen in Ruhe und gib ihr die Zeit und den Raum, den sie braucht.

Wie geht sie denn jetzt mit diesen Beeinträchtigungen/ Diagnosen um? Warum sollte es später anders sein?

Betroffene spüren oftmals eher eine Art erleichterung, wenn sie endlich einen Namen für etwas haben, bei dem sie wissen, dass es ihr ganzes Leben schon nicht stimmte oder normal war. Jetzt weiß sie endlich, dass sie nicht ungeschickt, doof und so weiter ist, sondern wirklich behindert. Mit einer Diagnose öffnet sich eben auch der WEg der Therapie, Maßnahmen und Hilfen. Alles, was sie vorher nicht hatte. Sie kann also nun lernen, ihre Beeinträchtigungen zu verbessern, mit ihnen umzugehen und so weiter. Weiterhin gibt es Nachteilsausgleiche. Für sie gibt es im Leben jetzt erst sowas wie eine Fairness.

In den meisten Fällen ist es eher so, dass die Eltern/ das nahe Umfeld unter der Diagnose leidet. Passe auf, dass du hier nicht deine Angst und Sorge auf dein Kind projizierst.

Dann liegt es nun an dir, ihr alles an Förderungen zu Gute kommen zu lassen, die ihr zustehen. Sie kann sicherlich einen Grad der Behinderung beantragen. Es gibt Therapien, es gibt Nachteilsausgleiche, es gibt Integrationshilfen, es gibt Förderschulen (mit gleichwertigem Bildungsabschluss). Vermutlich hat sie auch auf dem ersten Arbeitsmarkt gute Chancen. Ansonsten gibt es ja den zweiten mit Behindertenwerkstätte. Danach klingt es allerdings bei ihr erstmal nicht. Wir leben in einem Sozialstaat. Sorge vor, für alles, für das du vorsorgen kannst und was sich so abzeichnet, was sie in Zukunft brauchen könnte. Ansonsten wird sie dank des Hilfesystems mit sicherheit nicht auf der Straße landen.


Astra10 
Beitragsersteller
 30.06.2024, 21:39

Danke für deine sehr ausführliche und hilfreiche Antwort!

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Wenn sie ihre Mängel erkennt und daran arbeitet, stehen ihr fast alle Türen offen.

Sie muss halt erkennen, es kostet halt vieles ihr mehr.

Hunger auf Leistung muss erhalten werden.

Beruflich kann sie vieles werden. Sie muss halt die Hürden nehmen.

So mancher Mensch mit Behinderung konnte die Welt beeindrucken durch seine Leistung.