Wie komponiere ich eine zweistimmige Fuge?

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Es ist einfach nicht zu begreifen, wie Musikpädagog/-innen ernsthaft in Erwägung ziehen können, zu verlangen, dass die Schüler eine Fuge komponieren. In Latein wird man doch auch nicht aufgefordert, einfach so mal mindestens 16 Zeilen von einer Ode im Horaz-Stil im alkäischen Hendekasyllabus zu dichten, und in Erdkunde muss man auch nicht mit nichts als Lineal, Zirkel und Fernglas ausgestattet die ganze Stadt kartographieren, während gleichzeitig die mathematischen Berechnungsgrundlagen mit dem Hinweis "zu kompliziert und zu schwer" im Unterricht nicht durchgenommen werden... Es gibt doch kaum etwas unpädagogischeres als eine ganze Klasse mit einer Hausaufgabe zu überfordern und sehenden Auges ins Scheitern zu schicken, weil die gestellte Aufgabe Grundlagen erfordert, die zu lernen ein jahrelanges Fachstudium erfordert!

Dabei könnte man einer Klasse den Kontrapunkt doch viel besser anhand von Kanons erklären! Man könnte Muster-Harmoniefolgen austeilen und als Hausaufgabe einen oder zwei eigene Kanons schreiben lassen. So eine Aufgabe ließe zumindest eine ganze Reihe netter Ergebnisse erhoffen und den Schüler/-innen Erfolgserlebnisse bescheren.

Ich empfehle Dir, Dich mit Deinen Mitschüler/-innen in der Klasse abzusprechen: Niemand gibt eine Fuge ab, Ihr sagt alle gemeinsam, dass Ihr zwar probiert, es aber nicht geschafft habt. "Daher" --ganz wichtig!-- bittet Ihr Eure/-n Musiklehrer/-in, Euch innerhalb von 45 Minuten (!) die Vorgehensweise ("Wie konzipiert und komponiert man eine Fuge aus einem fremden Thema?") ohne Zuhilfenahme einer Unterrichtsvorlage(!) vorzuführen. Ein Fugenthema sucht Ihr Schüler/-innen vorsichtshalber am besten vorher aus einem nicht allgemein bekannten Werk aus (von der Internetseite IMSLP, etwa aus einer Fuge oder einem Ricercar von Johann Caspar Ferdinand Fischer). Euer/Eure Musiklehrer/-in soll Euch dann aus dem Stehgreif(!) demonstrieren, wie man so etwas macht. Ihr habt eine weit über 95%ige Chance, dass sie/er das nicht (erst recht nicht flüssig) hinbekommt und vor Euch zumindest sehr stark ins Schwitzen kommt. (Und Ihr solltet alle wie die Adler darauf achten, ob bei der Demonstration auch wirklich keine Oktav- oder Quintparallelen gemacht werden.)

Für eine Fuge braucht ein (jahrelang in Tonsatz und Kontrapunkt ausgebildeter Mensch) ein Thema, das nach Generalbass-Regeln mehrstimmig harmonisiert ist. Dieses Thema muss moduseigen in die fünfte Stufe verlegt und ebenfalls im Generalbass harmonisiert werden. Dabei muss man besonders darauf achten, dass eine harmonisch schlüssige "Brücke" zwischen dem Ende des Themas und dem Themeneinsatz auf der fünften Stufe geschaffen wird und (bei Fugen zu mindestens drei Stimmen) ebenfalls vom Comes ebenfalls wieder zurück in die I. Stufe und den dritten Themeneinsatz geführt wird. Auf Grundlage dieser harmonischen Matrix lässt sich eine Fuge ohne große weitere Hürden schaffen.