Wie kann man tiefe Verzweiflung beschreiben (Buch)?
Hey :) Ich hab mal eine Frage und zwar schreib ich gerne Geschichten, aber jetzt hab ich grad eine Blockade... Ganz einfach weil nun eine Szene kommt, wo die Protagonistin in Verzweiflung gerät und ich selbst noch nie wirklich verzweifelt war. Bisschen schwer ohne Erfahrungen so eine Szene zu schreiben... Wie fühlt sich das an? Und könnt ihr mir vielleicht sagen, was ich an meinem Entwurf verbessern, beziehungsweise ergänzen kann? Danke!
Zur Vorgeschichte: Cassie soll ihr Volk durch einen Fallentunnel in die Freiheit führen und bekommt dabei Hilfe von Champ, den sie aber eben erst kennengelernt hat und von dem sie nicht weiß, ob man ihm vertrauen kann. Jetzt ist dieses Volk und sie also grad in diesem Tunnel, aber die Verfolger sind nicht weit hinter ihnen.
Seine Worte versetzte Cassie in Wut. Sie fühlte sich angegriffen, obwohl sie eigentlich wusste, dass er Recht hatte. In ihrem Stolz verletzt drängelte sich am ihm vorbei und stapfte schnellen Schrittes voran. „Kommen Sie zurück! Ich gehe vor!“, befahl Champ ärgerlich und zog sie am Ärmel. „Fassen Sie mich nicht an!“ zischte Cassie ihm zu und lief schneller, „ich bin immer noch die Bürgermeisterin der Kinoas!“ Doch plötzlich spürte sie, wie ihr Fuß gegen etwas stieß. Wie in Zeitlupe fiel sie hin und spürte dabei einen Widerstand, der auf einmal nachgab, dazu das Geräusch einer reißenden Schnur. „Mist!“, hörte sie Champ noch wispern, dann gab auf einmal der Boden direkt vor ihr nach und ein Abgrund tat sich auf. Zitternd hockte Cassie an dem Rand und starrte die Tiefe hinunter. Der Weg war unüberwindbar und unpassierbar. Und genauso wie sie die Stolperschnur zerrissen hatte, zerriss ihr Herz. Wir werden diesen Weg nicht weiterkommen. Wir werden sterben. Und es ist meine Schuld. Mal wieder. Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und stürzte den Abgrund hinunter. Champ kam auf sie zugerannt. Seine Augen wurden riesig, als er den Abgrund sah. „Oh meine Güte…“, wisperte er und stützte sich mit den Händen an der Wand ab. „Es tut mir leid. Es tut mir so leid!“, flüsterte Cassie und blickte mit Tränen in den Augen zu Champ hoch. Er seufzte auf. „Sagen Sie das nicht mir, sondern ihnen.“ Er deutete auf die Kinoas, die mit erschrockenen und ängstlichen, teilweise auch mit wütenden Gesichtsausdrücken auf Cassie und den Abgrund starrten. Wie soll ich das sagen? Wie soll ich ihnen erklären, dass ich Schuld an ihrem Tod bin? Angst und Verzweiflung und ein tiefes Gefühl des Schams schienen ihr Herz zu zerdrücken. Sie fühlte sich so schlecht wie niemals zuvor in ihrem Leben. Sie musste an ihre guten Freunde denken, die nun wegen ihr sterben würden. Christy, Lilli, Tante Sybille, Marielina, Fabian, Dexter, Onkel Paul und all die anderen unschuldigen Menschen. Alle würden sterben. Nur wegen ihr. Eine Hitze stieg in ihr hoch, dass sie fürchtete, innerlich zu verbrennen...
3 Antworten
Doch plötzlich spürte sie, wie ihr Fuß gegen etwas stieß… - ...stürzte den Abgrund hinunter. Champ kam auf sie zugerannt….
Da gibt es eine inkonsistenz, deine Choreographie ist nicht stimmig. Cassie will die Führungsrolle nicht aufgeben, setzt sich also an die Spitze. Champ fühlt sich "berechtigter" die Leute zu führen. Laufen Cassie und Champ da nicht in eine Richtung, Cassie voran?
Wie in Zeitlupe fiel sie hin und spürte dabei einen Widerstand, der auf
einmal nachgab, dazu das Geräusch einer reißenden Schnur. „Mist!“,
hörte sie Champ noch wispern
Sehr schön, allerdings sollte der Spannungskiller >„Mist!“, hörte sie Champ noch wispern< raus. Man kann nur eine Schnur reißen hören oder sich an gesprochene Worte erinnern. Was ist spannender?
Dann stürzt vor Cassie der Weg weg. Champ müsste also schon dicht hinter Cassie sein, läuft dann also nicht auf Cassie zu, sondern schließt von hinten auf, und bremst eigentlich schon ab, kommt dann auch an der Stelle an.
Zu Gefühlen: Willst du die innersten Gefühle einer Person besser schildern, musst du perspektivisch ganz nah an sie heran, in ihrem Kopf sein.
Verzweiflung ist eine Mischung aus Angst, Hoffnungslosigkeit, Selbstzweifel und Selbstvorwürfen. Um die zu fühlen müssen erst einmal die Fakten nach und nach erfasst und deren Bedeutung für die nahe und unmittelbar nächste Zukunft erkannt werden, das schlägt nicht einfach wie ein Blitz im Kopf ein.
Der Weg war einfach weg! Wie die Lücke überwinden? Sie hatte das ausgelöst... und gerade zuvor hatte sie noch gemeint, nur sie, und sie allein könne alle anführen.. und jetzt klaffte vor ihnen eine unüberwindliche Lücke… Hatte Champ doch Recht? Und was soll jetzt passieren? Warum hatte sie die Stolperschnur nicht gesehen? Die Ränder schienen nicht einmal stabil zu sein. Da kommen wir nie rüber! Alles weil ich so unvorsichtig war…
Man denkt bei Angst nicht in langen Sätzen, sondern in kurzen Fetzen. So etwas kannst du sich steigernd aneinander reihen und in den Moment übergehen, wo sie sich umsieht nach Champ und den anderen.
Jetzt kommt das Schuldgefühl den anderen gegenüber: Ich habe diese unschuldigen Menschen alle (aus Stolz, Dummheit, Machtgier) verraten (ins Verderben geführt)... Die Träne passt dort nicht hin, wirkt Heulsuse.
Jetzt liegt die "Machtfrage" wieder an: Cassie hat beim nun notwendigen "Kampf um die Führung" die noch schlechteren Karten als kurz zuvor.
In solchen Ausnahmesituationen wird immer der als Anführer anerkannt, der "am häufigsten Recht hat", "häufiger die bessere Lösung hat", fair und ehrlich ist. Wie bei Jägern und Sammlern wollen sie einen erfolgreichen Führer festlegen, keinen Titelträger nominierten.
Ergänzend zu den Tipps von den anderen: Das, was du geschrieben hast, kommt der Verzweiflung schon sehr nahe, allerdings hört sich das für mich eher nach Panik/ Übertreibung an. Verzweiflung ist, wenn Cassie jede ihr zur Verfügung stehende Kraft genutzt hat, sie absolut keine Idee mehr hat, sie möchte ihr Volk beschützen, aber es auf keinen Fall von diesem Champ "anführen" lassen. Das machst du dem Leser am besten nochmal klar, damit sie wissen, in was für einem Durcheinander sie selbst (tief in sich) sich gerade befindet. Wenn du schreibst: "Sie werden alle sterben!" ist das eher Panikmacherei und es könnte dazu führen, dass das Volk dann sagt: "Dann tu was dagegen!" Verstehst du, worauf ich hinaus will? Für einen fühlt sich Verzweiflung an, wie eine Anspannung, die einen so sehr in verschiedene Richtungen denken lässt, bis man gar nicht mehr weiß, wie man handeln soll. Und das ist der Punkt. Man WILL etwas tun, aber der Verstand stellt alles als ein hoffnungsloses Szenario dar. Man fühlt sich wie ein Häufchen Elend und obwohl man selbst es nicht will, fängt man aus Wut (meistens Wut auf sich selbst) an zu weinen.
Verzweiflung, ein kleines Beispiel:
Fervency glitt zu Boden. Dann überkam sie eine Welle von Emotionen und schlug mit aller Kraft verzweifelt auf den Schnee ein. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie begann, leise zu schluchzen. Ihr Leib krümmte sich wegen der nicht enden wollenden Weinkrämpfe. Fervency sank in den Schnee und blieb weinend liegen.
Das ist ein kurzer Ausschnitt aus dem Buch, das ich momentan schreibe.
Ach ja, kleiner Tipp: Statt "Seine Augen wurden riesig" könntest du schreiben "Er riss seine Augen vor Entsetzen auf".
Dankeschön :)