Frage an alle Deutschexpert*Innen - Thema: Lyrik?
Welcher Epoche lässt sich das Naturgedicht "Das Firmament" von Barthold Heinrich Brockes (1721) zuordnen: dem Barock oder der Aufklärung? Und warum?
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"Man siehet seine Herrlichkeit an der mächtigen grossen Höhe, an dem hellen Firmament, an dem schönen Himmel. Als jüngst mein Auge sich in die Sapphirne Tiefe, Die weder Grund, noch Strand, noch Ziel, noch End' umschrenckt, Ins unerforschte Meer des holen Luft-Raums, senckt', Und mein verschlung'ner Blick bald hie- bald dahin liefe, Doch immer tiefer sanck; entsatze sich mein Geist, Es schwindelte mein Aug', es stockte meine Seele Ob der unendlichen, unmäßig-tiefen Höle, Die, wohl mit Recht, ein Bild der Ewigkeiten heisse, So nur aus Gott allein, ohn' End' und Anfang, stammen. Es schlug des Abgrunds Raum, wie eine dicke Fluth Des Boden-losen Meers auf sinckend Eisen thut, In einem Augenblick, auf meinen Geist zusammen. Die ungeheure Gruft voll unsichtbaren Lichts, Voll lichter Dunckelheit,, ohn' Anfang, ohne Schrancken, Verschlang so gar die Welt, begrub selbst die Gedancken; Mein gantzes Wesen ward ein Staub, ein Punct, ein Nichts, Und ich verlor mich selbst. Dieß schlug mich plötzlich nieder; Verzweiflung drohete der gantz verwirrten Brust: Allein, o heilsams Nichts! glückseliger Verlust! Allgegenwärt'ger Gott, in Dir fand ich mich wieder."
1 Antwort
Das Naturgedicht "Das Firmament" von Barthold Heinrich Brockes lässt sich der Epoche der Frühaufklärung zuordnen, die an der Schwelle zwischen Barock und Aufklärung stand¹³. Brockes war ein typischer Vertreter dieser Epoche, die sich durch eine fromme und rationalistische Naturbetrachtung auszeichnete¹. Sein Hauptwerk war die naturlyrische Gedichtsammlung "Irdisches Vergnügen in Gott", in der er die Natur in ihrer Schönheit und Nützlichkeit als Mittler zwischen Mensch und Gott reflektierte².
Das Gedicht "Das Firmament" gehört zu dieser Sammlung und zeigt einige Merkmale der Frühaufklärung, wie zum Beispiel:
- Die Verwendung von wissenschaftlichen Begriffen wie "Sapphirne Tiefe", "unerforschte Meer des holen Luft-Raums" oder "lichter Dunckelheit", die auf das Interesse an der Erforschung der Natur hinweisen.
- Die Betonung der Unendlichkeit und Ewigkeit Gottes, die sich in der Natur widerspiegeln, wie zum Beispiel in den Versen "Die weder Grund, noch Strand, noch Ziel, noch End' umschrenckt", "Die, wohl mit Recht, ein Bild der Ewigkeiten heisse" oder "ohn' Anfang, ohne Schrancken".
- Die Ergriffenheit und Erbauung des lyrischen Ichs angesichts der Naturwunder, die sich in Ausdrücken wie "entsatze sich mein Geist", "es schwindelte mein Aug'", "es schlug des Abgrunds Raum ... auf meinen Geist zusammen" oder "glückseliger Verlust" äußern.
- Die Anrufung Gottes als allgegenwärtiger Schöpfer und Erhalter der Natur, wie zum Beispiel in den Versen "Allgegenwärt'ger Gott, in Dir fand ich mich wieder" oder "So nur aus Gott allein, ohn' End' und Anfang, stammen.