Wie hängen Hochbegabung und autistische Züge zusammen bzw. tun sie es überhaupt und falls ja, dann immer?

6 Antworten

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Eine bekannte Korrelation ist, dass Autisten überdurchschnittlich häufig Akademiker als Eltern haben. Die genetische Anlage für mathematisch-technische Hochintelligenz wird über Generationen vererbt, bis sie irgendwann in Autismus umschlägt. Eine Theorie aus der aktuellen Forschung, über die ich leider gerade keinen kostenlosen Artikel finde, besagt knapp ausgedrückt:

Es gibt einen Abschnitt im Genom, der bei den meisten Tiere relativ kurz und bei Primaten deutlich verlängert ist. Menschen haben besonders viele Kopien dieser Gene. Sie steuern die Hirnaktivität und bestimmte Varianten bringen nachweislich einen kognitiven Vorteil. Ein längerer DNA-Code mit mehr Kopien geistesrelevanter Gene bringt allerdings auch mehr potentielle Angriffsfläche für zufällige Punktmutationen. Wenn besonders kluge Akademiker ihre extralangen Intelligenz-Gene vererben, ist die Wahrscheinlichkeit für Mutationen also hoch.

Um den sehr guten Artikel aus "Technology Review" nicht kaufen zu müssen, schau dir diese Diskussion darüber an:

http://aspies.de/selbsthilfeforum/index.php?page=Thread&postID=52483

Im dritten Beitrag von oben wird der Artikel zusammengefasst. Der Zusammenhang, dass durch die Evolution der Intelligenz zwangsläufig Autismus entstehen musste, wird ziemlich deutlich.

Wenn jemand hochbegabt ist, dann müsste seine Chance auf autistische Merkmale also statistisch erhöht sein.


Regulus123 
Beitragsersteller
 17.09.2015, 12:55

Danke, das hört sich interessant an.

Ich habe mal gelesen, dass Kinder älterer Väter eher zum Autismus neigen. Auch wenn ich eindeutig kein Autismus habe, dafür nur Züge dessen, ist es so, dass ich als Nachzügler mit 10 Jahren Abstand zu meinen Geschwistern und einem Vater, der bei meiner Geburt 44 war, die autistischsten Züge aufweise und die damit einhergehenden Probleme habe im Vgl. zum Rest der Familie.

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halbsowichtig  17.09.2015, 14:46
@Regulus123

Ja, Korrelationsstudien haben gezeigt, dass Kinder auch umso häufiger ADHS etc. bekommen, je älter ihr Vater bei der Geburt war. Das kann aber weiterführende Ursachen haben.

Einerseits haben Kinder alter Väter allgemein mehr zufällige Mutationen, darunter auch welche die zu diversen sogenannten "Störungen" führen. Das liegt einfach daran, dass die "Kopiervorlagen" der Gene sich über die Jahre abnutzen. So betrachtet, sind die "Störungen" der Kinder eine Folge des Väteralters.

Andererseits bekommen sozial unangepasste Leute später Kinder. Während "Normale" etwa mit 15 den ersten Freund haben und mit Mitte 20 heiraten, finden seltsame Exemplare erst viel später einen Partner. Wenn, sagen wir mal, der Asperger-Autist mit Ende 30 endlich eine Frau findet und sich mit 40 ans Thema Kinder heranwagt, zählt er zu den älteren Vätern. Dass er seinen Autismus vererbt, hat aber mit dem Alter nichts zu tun. So betrachtet, ist das Alter der Väter eine Folge der "Störungen".

Wenn beides zutrifft, erleben wir gerade eine Evolution hin zu mehr neurologischer Vielfalt.

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Regulus123 
Beitragsersteller
 17.09.2015, 15:58
@halbsowichtig

Du meinst die Störung ist eine Folge des Alters oder?

Das hört sich aber nicht so schmeichelhaft an, wenn sich das so liest, dass diese Väter abgenutzte Kopiervorlagen haben... ;) 

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halbsowichtig  17.09.2015, 16:06
@Regulus123

Was ist daran schlecht? Die Abnutzung der Gene bringt die Evolution voran. Es entstehen neue Varianten die auch positiv sein können.

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Ich bin Autist und ich bin hochbegabt (Mensamitglied). 

Meine Antwort: Autismus und Hochbegabung hängen nicht zusammen, können aber (wie bei mir) gemeinsam auftreten. 

Da ich viele Hochbegabte kenne und auch viele Autisten persönlich kenne (über 100 Autisten) kann ich mir mittlerweile ein ganz gutes Bild dieser Kombination machen. Meiner Erfahrung nach kommen unter Autisten nicht mehr Hochbegabte vor (also 2%) als in der Allgemeinbevölkerung. Eine Kausalität von Autismus und  Hochbegabung ist für mich nicht erkennbar.

Mehr zum Thema hier: www.as-tt.de


Regulus123 
Beitragsersteller
 17.09.2015, 11:56

Danke! Und wie sieht es mit autistischen Zügen aus? Damit meine ich eine hohe Wahrnehmungsfähigkeit und Wahrnehmungsgeschwindigkeit, gute Konzentrationsfähigkeit, Reizüberflutung einerseits, in bestimmten Situationen aber auch gut möglich gezielt Reize auszublenden. Sich manchmal dumm fühlen, dann auf der anderen Seite wieder gute Zusammenhänge hinbekommen können. In Gesprächen dem Gegenüber nicht in die Augen sehen können, weil zu viel Information zu verarbeiten ist. Im Mensa-Vortest im Internet schneide ich gut ab. In anderen Online-Tests schneide ich nicht so gut ab. Mir bereiten die autistischen Züge im privaten Bereich Probleme etc.

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WPOAS  17.09.2015, 11:59
@Regulus123

siehe deine entsprechende Frage, dort habe ich die Antwort geschrieben

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Es gibt eine bestimmte Form, bzw. eher Komponente des Autismus, das Asperger-Syndrom, was eine "Inselbegabung" ist. Diese Menschen können ganz bestimmte Dinge ganz besonders gut.

Aber längst nicht jeder Autist hat das. Vielleicht ist es auch anders herum, wer das Asperger-Syndrom hat, ist auch Autist. Das weiß ich nicht.



halbsowichtig  17.09.2015, 12:08

Aspies habe meistens ein spezielles Interesse, das sie so konzentriert verfolgen, dass sie exzellent auf dem Gebiet werden. Mit einer Inselbegabung (siehe Savant-Syndrom) hat das nichts zu tun.

Wer Asperger hat ist übrigens per Definition ein Autist. Im neuen ICD wurden Asperger und Autismus sogar zusammengelegt zur "Autismus-Spektrum-Störung".

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Ich habe keine evidente und wissenschaftliche Erkenntnisse zur Korrelation von autistischen Zügen und „Hochbegabung“/intellektuellen Höchstleistungen. Ich bin aber selbst sehr klug und habe autistisch Züge, was im allgemeinen maximal als Verhaltensauffälligkeit angesehen wird (hochfunktionaler Autismus/Asperger). Mein Sohn ist getestet und ebenfalls überdurchschnittlich intelligent (bereits im Alter von 7 Jahren) und weist etwas schwächere autistische Züge als ich auf. Eine Biografie von Dame Stephanie Shirley, die sehr klug war und einen autistischen Sohn hatte, hat mich auf die Idee gebracht, dass es einen Zusammenhang zwischen den überdurchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten und Autismus geben kann. Der Artikel über Michel Wigler und die Studie zu den Dopplungen im Genom klingt für mich plausibel als Erklärung der Korrelation von autistischen Zügen und überdurchschnittlicher kognitiver Fähigkeiten.

Nein, grundsätzlich hat Autismus und Hochbegabung nichts miteinander zu tun, es spricht aber gar nichts dagegen, beides zu haben. 

Inselbegabungen ("Savant Syndrom") sind auch unter Autisten extrem selten, auch wenn es durch die Medien anders scheint.