Wie funktioniert eine Substitution?

2 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Moin,

ja, hier geht es um die radikalische Substitution.

Unter einer Substitution versteht man das Ersetzen eines Atoms oder einer Atomgruppe durch ein anderes Atom oder eine Atomgruppe in einer Molekülverbindung.

Hört sich kompliziert an, ist es aber eigentlich nicht. Du tauschst in einem Molekül nur einen Bindungspartner gegen einen anderen aus.

Bei der radikalischen Substitution passiert das (im Idealfall) folgendermaßen:

1. Schritt: Die Radikalbildung
Cl–Cl ---[UV-Licht]---> Cl• + •Cl

Halogene wie Chlor oder Brom haben zwischen zwei ihrer Atomen eine Einfachbindung, die sich leicht mit energiereichem UV-Licht spalten lässt. Dabei erhält vom ehemaligen bindenden Elektronenpaar jeder Bindungspartner genau ein Elektron. Das bedeutet, dass die Bindungselektronen gerecht zwischen beiden Bindungspartnern aufgeteilt werden. Eine solche Bindungsspaltung bezeichnet man als „homolytisch”, weil beide gleich viel bekommen (im Gegensatz zu einer heterolytischen Bindungsspaltung, wo ein Bindungspartner beide Bindungselektronen behält, während der andere leer ausgeht).

Beide ehemaligen Bindungspartner haben nach der homolytischen Bindungsspaltung jeweils ein ungepaartes Elektron (das ist der Punkt am Cl-Symbol). Dieser Zustand (mit dem ungepaarten Elektron) ist energetisch sehr ungünstig. Deshalb neigen solche Teilchen dazu, alles in ihrer Nähe anzugreifen, um diesen radikalischen Zustand wieder loszuwerden. Weil sie also rigoros alles in ihrer Nähe angreifen, bezeichnet man sie treffenderweise als „Radikale”.

2. Schritt: Der Kettenstart (Initiation)
CH4 + •Cl ---> H–Cl + •CH3

Das Chlorradikal greift nun eine C–H-Bindung eines Alkans an. Damit wird eine Kettenreaktion ausgelöst (Kettenstart). Dabei „schnappt” sich das Chlorradikal den gebundenen Wasserstoff mitsamt dem Elektron aus der C–H-Bindung. Dadurch verliert das Chlorradikal natürlich seinen radikalischen Zustand, weil es nun mit dem Wasserstoff verbunden ist (es entsteht Hydrogenchlorid; Salzsäure).

Aber dafür bleibt jetzt ein Alkylradikal zurück, bei dem das Kohlenstoffatom, an das der Wasserstoff zuvor gebunden war, nun seinerseits einen radikalischen Zustand hat (ein ungepaartes Elektron).

3. Schritt: Die Kettenfortpflanzung (Elongation; Prolongation)
Cl–Cl + •CH3 ---> Cl–CH3 + •Cl
CH4 + •Cl ---> H–Cl + •CH3 usw.

Das Alkylradikal greift nun ein noch nicht gespaltenes Chlormolekül an, „schnappt” sich eines der beiden Chloratome mitsamt dessen Elektron und wird zu einem Chlor-Alkan (im gezeigten Fall zu Chlormethan). Zurück bleibt wieder ein Chlorradikal, das nun wiederum ein Alkan (Methanmolekül) angreift usw. Auf diese Weise entstehen immer mehr halogenierte Alkane.

4. Schritt: Der Kettenabbruch (Termination)
Fall a) Die Radikalkombination

Cl• + •CH3 ---> Cl–CH3
H3C• + •CH3 ---> H3C–CH3
[Cl• + •Cl ---> Cl–Cl]

Natürlich ist es möglich, dass zwei Radikale aufeinander treffen und sich miteinander verbinden. Das bezeichnet man als Radikalkombination.

So kann ein halogeniertes Alkan entstehen, wenn ein Chlor- und ein Alkylradikal aufeinander treffen und sich verbinden.
Oder es entsteht eine längere Alkankette, wenn zwei Alkylradikale kombinieren.
Es ist auch denkbar, dass sich zwei Halogen-Starterradikale wieder vereinen, aber das könnte dazu führen, dass sie sich bei Bestrahlung mit UV-Licht gleich wieder trennen...

Die Radikalkombination bedeutet auf jeden Fall ein Ende der Kettenreaktion (einen Kettenabbruch), weil hier zwei Radikale durch die Kombination ihren radikalischen Zustand verlieren, so dass kein Radikal übrig bleibt, was weiter reagieren könnte.

Unter dem Strich erhältst du also halogenierte Alkane, das heißt, dass in diesen (mindestens) ein Wasserstoffatom gegen ein Chloratom ausgetauscht wurde, was man - wie gesagt - als Substitution bezeichnet. Und weil diese Substitutionsreaktion über Radikale verlief, nennt man das insgesamt eine „radikalische Substitution”...

Soweit die von dir eingestellten Aufzeichnungen.

Ich will dir aber nicht verheimlichen, dass es noch eine weitere Möglichkeit gibt, wie eine radikalische Kettenreaktion beendet werden kann, nämlich durch

Fall b) Die Disproportionierung
CH3–CH2• + •Cl ---> •CH2–CH2• + H–Cl
•CH2–CH2• ---> H2C=CH2

Wenn nämlich ein Radikal (zum Beispiel ein Chlorradikal) zufälligerweise eine längere Alkylradikalkette nicht am Radikalkohlenstoff angreift, sondern direkt daneben eine weitere C–H-Bindung, dann entsteht ein Diradikal. Das ist ein Radikal, bei dem zwei benachbarte Kohlenstoffatome einen radikalischen Zustand aufweisen. Zwei Radikale nebeneinander? - Tja, die kombinieren natürlich sofort miteinander und bilden eine C=C-Doppelbindung aus.

Es entsteht also auf diese Weise ein ungesättigter Kohlenwasserstoff. Auch das beendet eine radikalische Kettenreaktion, weil am Ende kein radikalischer Zustand mehr übrig ist.

Die zweite Möglichkeit erwähne ich nur, weil sie ein Problem bei radikalischen Kettenreaktionen deutlich macht: Es kommen immer verschiedene Produkte heraus!

Oben ist ein idealer Verlauf gezeigt. Aber weil Radikale so aggressiv alles angreifen, was in ihre Nähe kommt, ist es natürlich möglich, dass ein bereits halogeniertes Alkan ein weiteres Mal attackiert wird:

Cl–CH3 + •Cl ---> Cl–CH2• + H–Cl
Cl–CH2• + Cl–Cl ---> Cl–CH2–Cl + Cl•...

Auf diese Weise können zweifach, dreifach oder sogar vierfach halogenierte Alkane entstehen (bei längeren Ketten auch noch stärker halogenierte Moleküle).

Außerdem können verschieden lange Kohlenwasserstoffketten entstehen, die ihrerseits auch noch mehr oder weniger stark halogeniert sein können.

Die Disproportionierungsabbrüche liefern ungesättigte Kohlenwasserstoffe (auch wieder verschieden stark halogeniert). Und sogar verzweigte Moleküle können sich bilden...

Es liegt auf der Hand, dass es die Entstehung einer unübersehbaren Produktpalette am Ende erforderlich macht, die einzelnen Komponenten aus dem Reaktionsgemisch mühsam zu isolieren...

Darum versucht man, schon im Vorfeld die eigentlich unkontrollierbare radikalische Kettenreaktion wenigstens ein bisschen zu steuern.

Dazu setzt man wenig Halogen, aber viel Alkan ein, weil das dazu führt, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass mehrfache Halogenierungen seltener werden. Immerhin ist es doch wahrscheinlicher, dass ein Chlorradikal bei vielen Alkanmolekülen eher ein noch nicht halogeniertes trifft als ein bereits halgeniertes.

Außerdem belichtet man das Halogen nur kuzzeitig mit dem UV-Licht, damit nicht zu viele Halogenradikale gebildet werden. Auch das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die (wenigen) Halogenradikale eher noch nicht substituierte Alkane angreifen als bereits halogenierte.

Aber eine Garantie gibt es nicht...

Ich hoffe, dir ist der Ablauf jetzt klarer geworden.

LG von der Waterkant

Auf YouTube gibt es sehr anschauliche Erklärungen dazu. Besser kann es dir vermutlich niemand hier schriftlich erklären.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung