wie bestimmt slavoj zizek kants pflichtbegriff?

1 Antwort

"Das Unbehagen im Subjekt" (Buchtitel slavoj zizek) wird so ausgelöst durch den verzerrten Blick auf den "Riss". Es ist die Erkenntnis der dem Subjekt innewohnenden Spaltung, des Wahnsinns, des "diabolisch Bösen" (Kant) und eben nicht eines ursprünglichen "In-der-Welt-Seins" (Heidegger). Entscheidend ist, trotz des Begehrens des anderen, die Distanz zwischen der Lebens-"Realität" und dem ihr innewohnenden Realen zu wahren.

Dem verzweifelten Versuch, diesen wohlgemerkt konstitutiven Wahnsinn, den Abgrund des Realen einzudämmen, erwächst im letzten Teil des Buches eine ethische Subjektivität. Zizek zeichnet die Grundprämissen der Kantschen Ethik nach und die allgemein daran geübte Kritik vor allem durch Hegel und Lacan. Der entscheidende Schritt liegt in Zizeks Lesart von Lacans Aufsatz "Kant mit Sade", nach dem das moralische Gesetz Kants eben nicht mit dem Über-Ich identifiziert werden darf. Die Forderung nach der moralischen Tat schlechthin ist nicht möglich, nur ein unendlicher Annäherungsversuch an eine solche. Es gibt keinen freien Willen, der frei von allen pathologischen (eigennützigen) Antrieben wäre. Die Opposition von Gut und Böse muss dabei neu gedacht werden. Nach Lacan ist das "Diabolisch Böse" inhärent im ethischen Bereich angesiedelt - als urverdrängte Gründungsangst, die nicht ein Mangel an Gutem, nicht ein Mangel an Willensschwäche darstellt, sondern aktiv gegen das Gute angeht. Auf der Spur Kants, jedoch wiederum psychoanalytisch gesehen, sind Gesetze daher nichts als eine notwendige Limitierung, die sich das Subjekt selbst auferlegt. Sie halten es davon ab, zu nahe an das Objekt seines Begehrens, das Phantasma des objet a, zu gelangen. Wichtig bei dieser Lesart der Ethik Lacans als einer Ethik des Realen (da sich auf das Reale beziehend) ist dabei also, die Trennung zwischen der (objektiven) Realität und dem Realen, das unser Handeln je immer schon "pathologisiert", aufrecht zu erhalten.

Daher kann die Lacansche Maxime der psychoanalytischen Ethik - handle konform dem Begehren, das dir innewohnt (ne pas céder sur son désir) - laut Zizek als eine andere Version der Kantschen Maxime "Tue deine Pflicht" gelesen werden. Prinzipiell ist das Subjekt also erst in dem Augenblick schuldig, in dem es die "objektive Notwendigkeit" akzeptiert und die ihm von außen auferlegten Pflichten genießt.“

Aus http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=4254

Nicht uninteressant, doch wird Kant hier ordentlich psychologisch verbogen, wogegen er sich verwahrt hätte. Dass es sich bei Kants Pflichtethik nicht um ein Über-ich handeln soll, das in der quasi-göttlichen Vernunft thront und sich von jeder emotionalen Berührung freigemacht hat, ist mir zu viel der psychologisch-spekulativen Deutung. Bei der Entsprechung der „Lacansche Maxime der psychoanalytischen Ethik - handle konform dem Begehren, das dir innewohnt“ mit der Kantchen Maxime "Tue deine Pflicht" wird sich der Ablehner alles Emotionalen Kant wohl im Grab entsetzt umdrehen.