Widerspruch zwischen Philosophie und Glaube?
Also die Philosophie ist etwas was mich sehr beschäftigt. Zwischen der Religion und der Philosophie gibt es viele Widersprüche, aber dennoch führen Sie doch Sinn gemäß zum selben Ziel oder? lieg ich da falsch. Durch einige Recherchen habe ich herausgefunden, dass es viele Widersprüche gibt. Aber auch das beides auf das selbe Ziel hinaus laufen. Was denkt ihr ?
11 Antworten
Aber auch das beides auf das selbe Ziel hinaus laufen. Was denkt ihr ?
Ich denke, dass dieser Satz nur dann zutrifft, wenn Du das Ziel sehr allgemein (und somit nichtssagend) definierst; im Stil ,,Die Welt besser verstehen". Näher betrachtet sind die Ziele doch in Wesen verschieden. Der Glaube geht meistens davon aus, dass ein Gott sich in irgendwelcher Form offenbart hat und damit den Menschen ein Lebensziel und Verhaltensvorschriften gegeben hat, welche die Menschen ,,glauben" müssen und sich danach richten.
Die Philosophie hat zum Ziel, das menschliche Denken zu ordnen und durch Verknüpfung von Erkenntnissen und Argumenten zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Die Ziele der Philosophie sind also etwas offener und allgemeiner.
Ich möchte Dir für die gute Frage und einigen Antwortgebern für die gute Antworten danken!
Hallo Pharmaziewissen,
ich mag - gerade in letzter Zeit, in der ich mich hier in der Beratung sehr damit auseinandersetze - unter Glaube ein Folgen einer Religion verstehen. Ursprünglich bedeutet das Wort aber, etwas anzunehmen, was man nicht (genau) wissen kann oder (noch) nicht zugänglich ist. Der religiöse Glaube mag einer Dogmatik folgen, die den Anspruch auf Wahrheit und ggf. Vollständigkeit erhebt.
Philosophie kenne ich als ein Ergründen oder eine Modellbildung von Dingen, die einem zunächst nur gedanklich zugänglich sind. Betrachten wir jetzt das Geistliche, wäre es uns nur gedanklich zugänglich - und somit mit philosophischen Mitteln zu betrachten.
Solche Mittel können Dinge, die eine Religion behauptet, belegen, verfeinern oder auch widerlegen. So kann Philosophie mit ihrer Logik einer Dogmatik widersprechen. Die Philosophie hat nicht den Anspruch einer Wahrheit, sondern nur den von Logik und Plausibilität. Eine Dogmatik mag letzteres nur postulieren und für absolut und wahr erklären.
Ein Beispiel ist für mich das geistliche Sein, das ich mit einem philosophischen Modell gerne beschreibe. Es ist von dem Monadenmodell von Leibnitz abgeleitet. Dahingegen mögen Religionen andere Bilder des Himmels zeichnen.
Aus dem Christentum kennen wir die Liebe. Sie lässt sich mit dem Modell des Seins beschreiben, in dem man dem Sein eine Wirkung und Wahrnehmung zubilligt. Leibnitz hatte zumindest die Wahrnehmung angesetzt. Wirkung geht nur vom Sein aus - und zwingt nicht zu einer Wahrnehmung. Umgekehrt erzwingt Wahrnehmung kein Wirken eines Seins. Damit entsteht Fülle und Überfluss für alle - ein Geben und Schenken - und auch größtmögliche Freiheitsgrade.
Man kann letztlich nicht sagen, dass sich ein Glaubensinhalt dann als wahr zeigt, wenn er philosophisch belegbar ist. Aber, philosophische Modelle sind - wie auch naturwissenschaftliche - immer interessant, betrachtet und verfeinert zu werden.
Mit vielen lieben Grüßen
EarthCitizen
Also im Grunde gibt es zwischen Philosophie im generellen und einer Religion einen Unterschied, jedoch keinen zwangsläufigen Widerspruch. Das ist entscheidend.
Beispiel: Der Mensch ist biologisch gesehen ein Trockennasenprimat, besser bekannt unter dem Art- und Gattungsnamen Homo sapiens. Der Mensch ist aber auch ein kulturelles Wesen.
Gibt es einen Widerspruch? Nein. Einen Unterschied? Ja.
Aber das Wesen der Philosophie ist ein Kontrast zum Wesen der Theologie, denn im Gegensatz zur Theologie muss Philosophie erkenntnisoffen, oder noch besser: Alleinig erkenntnisgeleitet verlaufen. Jede neue Erkenntnis muss zwingend in die Philosophie eingebracht und systematisiert, verallgemeinert, angepasst und verwertet werden. In der Theologie sieht die Sache da weitaus anders aus, was man daran erkennt, dass sich Theologen oft sträuben neue wissenschaftliche Erkenntnisse anzuerkennen, ohne die Kompetenz zu haben die Methodik der angezweifelten Wissenschaft zu prüfen.
Wie Schopenhauer zutrefflich schreibt:
Denn auf Offenbarungen wird in der Philosophie nichts gegeben; daher ein Philosoph vor allen Dingen ein Ungläubiger sein muss.
Damit ist nicht gesagt, dass Philosophen an nichts glauben dürfen. Es ist nur so, dass jeder, der Philosophie betreiben will, sich von fest verankerten Glaubensformeln und -formen zumindest zeitweilig trennen muss, also quasi einen skeptischen Blick auf die Welt werfen muss, bei dem alle Parameter zuerst auf default stehen und erst durch Beobachtung, Überlegung, Erkenntnis, Vernunft etc. sollten diese Parameter angepasst bzw. die Lücken gefüllt werden, nie andersherum.
Weiter schreibt Schopenhauer:
Hingegen ist die Aufgabe der Kathederphilosophie im Grunde diese: unter einer Hülle sehr abstrakter, abstruser und schwieriger, daher marternd langweiliger Formeln und Phrasen die Hauptgrundwahrscheinlichkeiten des Katechismus darzulegen; daher diese sich allemal zuletzt als der Sache Kern zu enthüllen, so kraus, bunt, fremdartig und absonderlich solche auch dem ersten Blick erschienen sein mag.
Und jetzt das harte Urteil:
Ich weiß nur soviel, dass in der Philosophie, d.h. dem Forschen nach der Wahrheit, [...] worunter die höchstn, wichtigsten, dem Menschengeschlecht über alles auf der Welt am Herzen liegenden Aufschlüsse verstanden werden, man durch solches Treiben [also Religionsphilosophie oder Theologie] nie, auch nur um einen Zoll, weitergelangen wird: vielmehr wird jenem Forschen dadurch der Weg verrannt; [...].
Es ist also kein Widerspruch Philosophie als Gläubiger zu treiben oder Philosophie parallel zu Theologie zu betreiben, aber man sollte auf "Gegenwind" vorbereitet sein.
Um auf mein Beispiel zurück zu kommen:
Kultur und die Menschennatur läuft sich in einigen Teilen ja zuwider.
Wir kommen mit einem Alter von 12-14 Jahren in die reproduktive Phase und damit in unsere biologische Rolle als Zeuger von Nachkommen. Unsere Sitten laufen dem natürlich entgegen und somit gäbe es hier einen klaren Gegensatz.
Daraus folgt nicht, dass auch Kulturen von der Menschennatur abhängig ist und sich beide natürlich entwickelt haben. Sie sind einander nur dann im Weg, wenn eine Partie ihre Dominanz über die andere ausspielen will.
In dem Beispiel will unsere Gesellschaft ein gewisses Mindestalter für Fortpflanzung nicht überschritten sehen und hält (aus guten Gründen) dagegen.
Genau wie eine Religion gegen einige vernünftige philosophische Konzepte dagegen halten muss und umgekehrt.
Hier etwas zu den Unterschieden...
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Zwischen der Philosophie und Religion gibt es Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten
Da die Philosophie „Die Liebe zur Weisheit“ repräsentiert, liegt hier ein Akzent der Betrachtung auf den so genannten Grundsätzen der Logik. In aufwendigen Essays werden induktive und deduktive Schlussfolgerungsmodelle erklärt, Prinzipien des Syllogismus exemplifiziert und Analogien herausgefiltert, um eine bestimmte Weltanschauung zu begründen. Diese Arbeitsweise wird in der deutschen Religionslehre mehr oder minder vernachlässigt und zwar zugunsten einer Analyse des erzählerischen Handlungsgefüges der biblischen Zeugenberichte. Dem fügt sich darüber hinaus noch hinzu, dass das philosophische Studium einen Schwerpunkt auf die Erkenntnisse und die Literatur des „alten Griechenland“ legt, während die neutestamentarischen Religionen auch den hebräischen, den ägyptischen und den babylonischen Kulturkreis in ihre Forschungen mit einbeziehen.
Mehr zu lesen, auch über Schnittmengen hier:https://www.wege.org/philosophie-und-religion.html
Der große Unterschied zwischen Philosophie und den religiösen Bekenntnissen ist, dass Philosophie keine auf eine bestimmte, religiöse Weltdeutung festgelegtes Nachdenken ist. In den jeweiligen Religionen bist Du in deren Theologie auf bestimmte Dogmen festgelegt, die teils so abgrenzend verfolgt werden, dass sich in Nordirland Katholiken und Protestanten gegenseitig bekämpft haben, dass das jetzt weltweit zwischen Schiiten und Sunniten im Islam geschieht.
Philosophie schließt in ihrem Denken religiöse, die Grenzen der Erfahrung überschreitende Spekulationen nicht aus. Sie legt aber Wert auf widerspruchsfreie Aussagen einmal innerhalb der eigenen Gedanken aber auch gegenüber dem ziemlich bestätigten Erfahrungswissen der Wissenschaft. So werden die Spekulationen, anders als in Religionen, stärker eingegrenzt. Viele ältere und vor allem modernere Philosophen legen sich religiös nicht fest, bekennen sich als "agnostisch" oder sogar "atheistisch". Beide streben ein erfülltes Leben an. Die Religionen meist in einem Jenseits, die Philosophen eher im Diesseits.
Ich danke dir für deine Antwort. Sie war die hilfreichste ! Ich habe es nun begriffen! Ich finde es gut , dass es noch Menschen gibt, die auch wirklich sich die Mühe machen, ihr Wissen zu teilen.