Wertepluralismus gefährlich? Warum?

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Hier wurden bereits zwei sehr gute Beiträge von Berkersheim und Rose1122 vorgelegt. Trotzdem möchte ich noch einige Gedanken anfügen. Der Begriff "Werte" ist leider nicht so eindeutig definiert - oder wird zumindest nicht von allen Menschen in gleicher Weise gesehen. Wenn es um sog. Fundamentalwerte geht, so z.B. das Recht auf ein Leben in Freiheit ohne die Sorge, dass man einer staatlichen Willkür ausgesetzt ist, die einen Menschen ohne jede Begründung zu jeder belieben Tätigkeit zwingen könnte, die den Wohnsitz, den Beruf, die Anzahl der Kinder und mehr vorschreiben könnte, dann sollten solche Werte nicht verhandelbar sein. Hier wäre ein Wertepluralismus sehr riskant. Wenn es sich jedoch um Werte der sozialen Präferenzen, d.h. ob jemand lieber in einer Familie oder eher allein leben möchte, ob jemand eine Großfamilie oder eine Wohngemeinschaft vorzieht, ob jemand Kinder adoptiert oder einen Schrebergarten liebt, welchen Sport man bevorzugt oder ob man mehr für ökologische Lebensweise oder die mehr traditionelle ist, da ist der Pluralismus eine segensreiche Grundposition - getreu der Devise: "Wenn alle Menschen die gleichen Dinge und Lebenssituationen präferieren würden, würde das zu einem totalen Konkurrenzkampf um eben diese Güter führen, was unbedingt zu vermeiden ist." In unseren Tagen sind jedoch einige der zwischen diesen beiden liegenden Wertewelten anzusiedelnde Werte in den Brennpunkt des Interesses gerückt. Da ist vor allem die Frage nach der Religion (die eigentlich frei sein sollte) dann brisant, wenn eine Religion in ihren Grundstatuten die Bekämpfung aller anderen Religionen fordert. Wenn sie die Religionswechsel zu einer anderen Glaubensgemeinschaft unter Androhung massivster gesellschaftlicher Repressionen verbietet, oder wenn sie im Grundgesetz verankerte allgemeine Prinzipien, wie die Gleichheit vor dem Gesetz für ungültig erklärt. Dann brechen ebenfalls gefährliche Konflikte auf, wie man das im Moment auch in unserer Gesellschaft sehen kann. In England habe ich die sich bei uns erst abzeichnende Situation schon deutlich weiter fortgeschritten erlebt. Dort wird in vielen Situationen bereits wieder nach der Scharia Recht gesprochen und vielerorts werden alte 'christliche' Traditionen abgeschafft. Wenn aber bestimmte Schulsysteme verboten werden, wenn am Sonntag die Kirchenglocken schweigen müssen, wenn sich die Ferien der Schüler nach den muslimischen Feiertagen richten, obwohl zahlenmäßig der Bevölkerungsanteil mit christlichem Hintergrund noch überwiegt, dann werden sich die Konflikte radikalisieren, und das führt sicherlich zu desaströsen Destabilisierungen des gesellschaftlichen Friedens.

Ich würde es nicht als gefährlich, sondern eher als äußerst schwierig bezeichnen, wenn wir keine gemeinsamen Grundwert haben.

In der UNO hat man z. B. die Grundwerte und der Grundrechte der Menschen zusammengestellt, die einen gemeinsamen Wertkatalog an menschlicher Gerechtigkeit ermöglichen sollen. An denen sollten sich alle Länder orientieren.

Nur wird das leider in der Praxis nicht der Fall sein, weil stets die partizipielle Interessen überlagern oder außer Kraft setzen werden.

Auch der bekannte Theologe Hans Küng hat auf diese gemeinsamen Grundwerte hingewiesen, die er als den "Weltethos" bezeichnet hat.

Es besteht also die Notwendigkeit, wenn es eine gerechte Gesellschaft geben soll, dass sie unbedingt auf gemeinsame Grundwerte fundamentiert sein muss.

Diese Grundwerte müssen jedoch über jede Parteiideologie oder Staatsideologie gestellt werden.

Tatsache ist jedoch, dass es Länder in der Welt gibt, die diese Grundwerte nicht akzeptieren wollen und sich gleichzeitig auch auf ihre Souveränität berufen, indem sich niemand in ihre inneren Angelegenheiten einzumischen hat.

Diese Position ist in Wirklichkeit völlig veraltet und entspricht auch nicht mehr unserer klein gewordenen globalen Welt, wo einzelne Staaten immer noch glauben, dass es keine allgemeingültigen Grundwerte geben würde und sich auch niemand in ihre inneren Angelegenheiten einmischen dürfte.

Die jüngsten Ereignisse in den nordafrikanischen Länder hat gezeigt, dass die Menschen z. B. nach demokratischen Grundwerten verlangen (und dafür auch kämpfen), weil diese einfach aus dem Prinzip der Gerechtigkeit entspringen.

Niemand möchte auf Dauer gesehen ungerechjt behandelt, ausgebeutet, unterdrückt usw. behandelt werden.

Liegt doch diesem Bedürfnis ein allgemeines Verhaltensprinzip zugrunde, welches Christus folgendermaßen formuliert hat.

   "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Menschen
    tun sollen, das tut ihnen auch."

Ein Verhaltensprinzip, bzw. ein Werteprinzip, welches der einfachste Mensch verstehen kann, leider beachten es aber die Menschen zu wenig.

Jeder möchte weder betrogen, noch ausgebeutet werden und trotzdem betrügen Menschen einander oder versuchen sich auf Kosten des anderen Vorteile zu verschaffen.

Menschen schreien oft nach Recht und nach Gerechtigkeit handeln aber gleichzeitig dem anderen gegenüber ungerecht und rücksichtslos.

Wir haben viele Probleme in unserer Welt nur deshalb, weil die Menschen dieses gemeinsame Verhaltensprinzip nicht einhalten.

Welche negativen Folgen das hat können wir überall in der Welt sehen.

Darum ist ein gemeinsame Wertekatalog von größter Wichtigkeit, wenn es in unserer Gesellschaft gerecht zugehen soll.

Diesen kann man auch nicht relaitivieren oder nach seinem Gutdünken anpassen oder verändern wie man will, weil dabei immer die Gerechtigkeit auf der Strecke bleiben und das Unrecht herrschen wird.

Aus diesem Grund haben Grundwerte werte immer etwas mit der Gerechtigkeit zu tun, die unabhängig von Kultur, Rasse oder Gesellschaft gelten müssen, weil die Menschen überall dieselben Bedürfnisse haben, was unsere Grundrechte betrifft.

Ich will versuchen, das Thema vom Negativen her zu beantworten: Von Franz Josef Strauß hat man gesagt, er habe für jeden Ort die passende Grundüberzeugung - je nachdem, ob er gerade in einem bayrischen Bierzelt oder bei seinem Freund Pinochet in Chile oder aber bei Honecker und Schalck-Golodkowsk in Ostberlin war. Von seinem Nachfolger Seehofer sagt man sogar, er habe für jeden Tag des Jahres eine andere Grundüberzeugung und könne damit fast beliebig jonglieren. Fast sieht es so aus, als sei das heute obligatorisch, denn auch unsere Kanzlerin wäre wohl nie auf ihren Stuhl gelangt, wenn sie irgendwelche lästigen wirklichen Grundüberzeugungen hätte. Alle diese politischen Talente würden wohl deine Frage verneinen.

Eine Gesellschaft ist wie ein Mückenschwarm und der Kleb, damit die alle schön beisammen bleiben, sind gemeinsame Grundwerte. Lösen sich die gemeinsamen Überzeugungen auf, gibt es irgendwann keinen Schwarm mehr und nur noch starke Einzelkämpfer können für sich allein überleben. Jetzt muss man sich allerdings fragen, welche Grundwerte brauchen wir, denn Werte gibt es viele und die Freiheit einer offenen Wertediskussion und vieler verschiedener individueller Lebenskonzepte ist ja auch ein hohes Gut. Nach Epikur müsste man sich fragen: Wie funktioniert eine Gesellschaft mit der aktuellen Werteausrichtung und wie weit weicht das von den erwünschten Leistungen einer Gesellschaft ab? Das sind dann komplizierte teils soziologische, teils wirtschaftliche, teils rechtliche und teils lebensphilosophische Fragestellungen, die auch miteinander verknüpft sind. Andererseits ändert sich das Umfeld einer Gesellschaft ständig, die Gesellschaft selbst auch und so entsteht immer eine Herausforderung, die Diskussion in Gang zu halten. Dass über Werte diskutiert wird, ist ein Zeichen einer lebendigen Gesellschaft ohne diktatorische Einzwängung. Als viel gefährlicher sehe ich an, wenn auf Grund eines gewissen Wohlstands sich jeder in seine Individualhöhle verkriecht, nur noch sein Ego pflegt und die gemeinsame Diskussion über Werte erlahmt und darüber sich das Bewusstsein dafür verflüchtigt, dass wir als Menschen auf Gemeinschaft angewiesen sind. Gemeinschaft bedeutet jedoch ein Ringen um gemeinsame Werte und nicht der Kampf ich gegen den Rest der Welt.

Wenn alle Werte relativ werden ist es gefährlich, weil ihr Wert dann aufgehoben werden kann.