Welchen Philosophen entsprechen die Charaktere des Watchmen-Comics?

1 Antwort

Watchmen ist schon ein interessanter Comic, ähnlich wie "Maus" und "V wie Vendetta". Einem einzelnen Philosophen kann man die Figuren nicht zuordnen, aber die einzelnen Konflikte gewiss.

Fangen wir an mit dem Endkonflikt zwischen Rohrschach und Ozymandias:

Rohrschach ist ein sehr pragmatischer, gewaltätiger und gnadenloser Held, der sich selbst viel abverlangt und den Bösewichten gnadenlos nachstellt, meist bis zu deren Tod.

Ozymandias ist hingegen ein eher intelektuell denkender Superheld. Er überlegt jede Tat ganz genau und tötet nur dann, wenn er es als notwendiges Opfer erachtet. Allerdings leidet er auch unter der Vorstellung, er sei als einziger in der Lage, die Welt zu retten. Auf einer Tafel hinter seinem selbstgebauten Pharaonenthron bezeichnet er sich selbst als "King of Kings".

Beide Figuren standen sich noch nie sehr nahe. In einem Interview mit Ozymandias stellt sich heraus, dass Ozymandias eher links und pazifistisch ist, während Figuren wie Rohrschach und vor allem der Comedian als rechts eingestuft werden. Ozymandias meint zwar, dass er Rohrschach nicht hasse, er kritisiert aber sein striktes schwarz-weiß-Denken.

Nun opfert Ozymandias alle Bewohner New-Yorks, um die Atommächte zum gemeinsamen Kampf gegen den vermeindlichen Attentäter Doktor Manhatten zu verleiten. Das ist eine stark utilitaristische Haltung. Hier zählt das größte Glück der größte Masse oder besser gesagt der Tod von Milionen anstelle des Todes von Milliarden.

Interessanterweise lobt der junge Rohrschach in einem Schulaufsatz den Atombombenabwurf auf Japan, da dieser seiner Meinung nach noch größeres Übel verhinderte. Durch seinen starken Lebenswandel ändert sich dieses Denkmuster jedoch rapide. Nun will er den Menschen die Wahrheit über Ozymandias Lüge erzählen, um der Wahrheit und der Gerechtigkeit wegen. Das erinnert an Imanuel Kants striktes Lügenverbot oder an Michael Kohlhaas, der meinte: "Gerechtigkeit, auch wenn die Welt daran zugrunde geht".

Der Comedian hingegen ist der letzte, den man philosophischer Betrachtung unterziehen kann. Er nutzt die Erlaubnis, als Superheld Schurken und Kriegsgegner nur jagen, um gnadenlos gewaltätig und sadistisch zu sein. Vielleicht ein falschverstandener Hedonismus (Ironie aus)?

Silk Specter II ist zwar insofern eine wichtige Figur, da sie Doktor Manhatten vom Mars zurück auf die Erde hohlt, aber sie scheint mit dem Superheldenzeugs wenig anfangen zu können und ihre politische und ethische Meinung bleibt sehr schleierhaft.

Night Owl II ist ja auch nicht sonderlich hervorstechend. Er zweifelt oft an sich selbst und hinterfragt jede einzelne Entscheidung. Er nimmt sich die Helden der Antike zum Vorbild und spigelt deren Dilemma wieder.

Dr. Manhatten zweifelt ebenfalls, besonders am Sinn des Lebens und dem Wert der Erde. Er wird zwar als emotionsloser Gott dargestellt, reagiert aber sehr wütend und bedrückt, als ihm Glauben gemacht wird, er sei am Krebstod seiner Freunde Schuld. Silk Specter II kann ihn vom Mars zurück holen. Dr. Manhatten, der sich nur noch von Wundern angezogen fühlt, erachtet es als astronomisches Wunder, dass gerade ihre vom Comedian gepeinigte Mutter eines Tages zum Comedian zurückkehrt und Silk Specter II zeugte, in einem Wettkampf zwichen zigmilionen Zellen, wo doch gerade dieses Szenario extrem unwahrscheinlich klingt. Daraufhin kehrt er zurück, kann aber Ozymandias nicht aufhalten und ist ratlos, ob dieser richtig oder falsch gehandelt hat.  Für eine politische Meinung war sich Manhatten immer zu Schade.

Ozymandias vergleicht sich manchmal mit Alexander dem Großen, da dieser auch eine vereinte Welt schaffen wollte. Sein Name entsprang einem berühmten Gedicht.


AtemderLiebe 
Beitragsersteller
 02.07.2017, 17:17

Das mit dem Gedicht wusste ich. Danke für deine ausführliche Antwort.

Ein Wandrer kam aus einem alten Land,
Und sprach: „Ein riesig Trümmerbild von Stein
Steht in der Wüste, rumpflos Bein an Bein,
Das Haupt daneben, halb verdeckt vom Sand.

Der Züge Trotz belehrt uns: wohl verstand
Der Bildner, jenes eitlen Hohnes Schein
Zu lesen, der in todten Stoff hinein
Geprägt den Stempel seiner ehrnen Hand.

Und auf dem Sockel steht die Schrift: ‚Mein Name
Ist Osymandias, aller Könige König: –
Seht meine Werke, Mächtige, und erbebt!‘

Nichts weiter blieb. Ein Bild von düstrem Grame,
Dehnt um die Trümmer endlos, kahl, eintönig
Die Wüste sich, die den Koloß begräbt.


Gedicht von Percy Bysshe Shelley

Übersetzung von Adolf Strodtmann, 1866



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NathanGaertner  02.07.2017, 17:21
@AtemderLiebe

Zu Englisch:

I met a traveller from an antique land
Who said: — Two vast and trunkless legs of stone
Stand in the desert... Near them, on the sand,
Half sunk, a shattered visage lies, whose frown,
And wrinkled lip, and sneer of cold command,
Tell that its sculptor well those passions read
Which yet survive, stamped on these lifeless things,
The hand that mocked them, and the heart that fed
And on the pedestal these words appear
‚My name is Ozymandias, king of kings
Look on my works, ye Mighty, and despair!‘
Nothing beside remains. Round the decay
Of that colossal wreck, boundless and bare
The lone and level sands stretch far away.

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