Welche Rolle hat die Erfindung der Pille in der Emanzipation von Frauen gespielt?

3 Antworten

Die Pille hat einen sehr grossen Einfluss auf das Sexualverhalten und die Familienplanung von Frauen gehabt. Mit Emanzipation hatte das aber weniger zu tun. Eine Frau, die sich vor der Pille hat unterbuttern lassen, ist nicht durch die Pille freier und unabhängiger geworden. Allerdings wurde durch Vermeidung von ungewollten Schwangerschaften verhindert, dass eine Frau zwangsläufig an einen Mann gebunden wurde. Insoweit war es doch ein Beitrag zur Emanzipation.


Vojnik 
Beitragsersteller
 13.10.2023, 14:03

Huh

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Keine. Diese Ideen sind ja schon viel älter, zumindest waren sie schon im 19. Jahrhundert vertreten (es gab zB auch schon Vegetarier) und ziemlich sicher auch schon vor Jahrtausenden. Eigentlich kann man nicht von einem Fortschritt sprechen, das ist eine Weltsicht die halt vor 150 Jahren unterdrückt war und vielleicht in Zukunft wieder unterdrückt wird, wenn die Gesellschaft sich wieder ändert, die Pille wird daran gar nichts ändern.

es begann eigentlich mit der Unterdrückung der Frauen. insbesondere von Schwarzen Frauen:

In den 1950er Jahren waren puerto-ricanische Frauen die ersten Subjekte in Großstudien zur modernen Antibabypille (14). Der Harvard- und Cornell-Absolvent und Wissenschaftler Gregory Pincus wählte Puerto Rico als Ort für seine Experimente, da die Inselbewohner infolge der Kolonialisierung durch die USA verarmt waren. Zudem wurde in der Bevölkerung ein starker Bevölkerungszuwachs erwartet (14). Zahlreiche puerto-ricanische Frauen, die eingewilligt hatten, die Pille einzunehmen, waren sich jedoch nicht der Risiken des Arzneimittels bewusst und einige unter ihnen wussten nicht einmal, dass sie an einer klinischen Studie teilnahmen (14). Viele Studiensubjekte litten unter Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel und Blutklümpchen (14). Als eine sichere Version des Verhütungsmittels auf dem Markt erschien, erhielten puerto-ricanische Frauen trotz ihres Beitrags zur Entwicklung der Pille keinen Zugang zum Arzneimittel. Der Grund: Die neuere Formel wurde allein verheirateten Frauen auf dem Festland der Vereinigten Staaten von Amerika verschrieben (14).
Die Geschichte hinter der Entwicklung der Pille ist vergleichbar belastet. Die Vorreiterinnen der Verhütungsmittel Margaret Sanger, Gründerin von Planned Parenthood und Marie Stopes, Namensgeberin von Marie Stopes International vertraten die Meinung, dass Frauen erst dann wirklich frei sein würden, wenn sie ihre eigene Schwangerschaft regulieren könnten (15). Dennoch teilten sie zur gleichen Zeit die Überzeugungen der amerikanischen Eugenik-Bewegung. Insbesondere waren sie der Meinung, dass Bevölkerungsgruppen vermeintlich "minderwertiger" Personen durch Geburtenkontrolle reguliert werden sollten (15).
Obwohl die Eugenik-Theorie seither verworfen wurde, bietet die moderne Geschichtsschreibung weiterhin Beispiele von Regierungen und Institutionen, die Verhütungsmittel zur Geburtenkontrolle in marginalisierten Bevölkerungsgruppen nutzen. Seit Erscheinen der Dreimonatsspritze (Depo-Provera) im Jahr 1976 weisen Studien darauf hin, dass das Arzneimittel gezielt bei eingewanderten Bevölkerungsgruppen eingesetzt wurde. Eine 1978 durch die prominente Geburtshelferin Wendy Savage in East London durchgeführte Studie hat ergeben, dass ein Großteil der Frauen, denen Depo-Provera angeboten wurde, asiatischer Abstammung waren (16). 1979 wurde zudem einem 14-jährigen Schwarzen Mädchen der Arbeiterklassse unter Vollnarkose im Rahmen einer gänzlich unabhängigen medizinische Behandlung Depo-Provera injiziert (17). Als der zuständige Arzt zum Verstoß befragt wurde, antwortete er, dass er als Bürger dieses Landes moralisch dazu verpflichtet gewesen sei, so zu handeln (17). Etwa zur selben Zeit schloss sich die Organisation of Women of African and Asian Descent (OWAAD) mit anderen Gruppen zusammen und startete die Campaign Against Depo-Provera (CAPD), um auf die unverhältnismäßige Nutzung des Arzneimittels bei marginalisierten Bevölkerungsgruppen aufmerksam zu machen (18).
1981 wurde Depo-Provera in Simbabwe teils aus dem Grund verboten (19), weil es von der weißen Regierung als eine Form der Geburtenkontrolle bei Schwarzen simbabwischen Frauen eingesetzt worden war. (Dies stimmte mit der Geschlechterpolitik jener Zeit überein. Das Verbot spiegelte ferner die Sorge wider, dass das Verhütungsmittel Frauen befähigen würde, ohne Einverständnis ihrer männlichen Partner Entscheidungen über Reproduktion zu treffen (19).)
Langzeit-Verhütungsmittel wurden auch im Strafrechtssystem missbräuchlich verwendet (20). Anfang der 1990er Jahre wurden in den USA zahlreiche Gesetzesentwürfe eingebracht, die die Einwilligung von Frauen über die Einsetzung eines Hormonimplantats im Tausch gegen Sozialleistungen oder zur Vorbeugung einer Gefängnisstrafe vorsahen (20). Die American Civil Liberties Union (ACLU) hat diese Maßnahmen mehrfach als verfassungswidrigen reproduktiven Zwang angeprangert (20). 2017 bot ein Richter in Tennesse jenen Personen eine Haftverkürzung um 30 Tage an, die einer Vasektomie (chirurgischer Eingriff zur Sterilisation des Mannes) oder der Einsetzung eines Hormonimplantats einwilligten (21). Er wurde schließlich vom Tennessee Board of Judicial Conduct verwarnt (21).
Marginalisierte Bevölkerungsgruppen kämpfen weltweit nicht nur gegen die missbräuchliche Verwendung von Verhütungsmitteln, sondern seit langer Zeit auch gegen Maßnahmen zur Zwangssterilisation. Studien haben in 38 Ländern Fälle von Zwangssterilisation festgestellt. Erst kürzlich wurden in Ländern wie Namibia und Südafrika, die nach wie vor unter den Auswirkungen der HIV-Epidemie leiden, Frauen, die mit HIV leben, ohne ihr Einverständnis zwangssterilisiert. 2018 strebten 60 kanadische indigene Frauen eine Sammelklage an. Sie werfen den Behörden vor, zur Sterilisierung gezwungen worden sein. Inmitten der wachsenden Kritik über den Umgang mit Migranten in US-Haftanstalten meldete sich im September 2020 ein Whistleblower zu Wort und brachte ans Licht, dass spanischsprachigen Frauen ohne ihr Einverständnis die Gebärmutter entfernt wurde (Hysterektomie).

https://helloclue.com/de/artikel/ethnien/die-rassistischen-wurzeln-der-modernen-gynaekologie

In der ersten Zeit war die Pille kein Hilfsmittel für die Selbstbestimmung von Frauen, sondern lediglich ein Mittel, welches Männern erlaubte, ihre Frauen (und deren Fruchtbarkeit) zu kontrollieren. So war die Pille erst nur dann erwerbbar, wenn der Mann der jeweiligen Frau dem zugestimmt hat.

Auch heute kann von Emanzipation und Selbstbestimmung im Zusammenhang mit der Pille nicht wirklich die Rede sein. Viel Zu oft bekommen junge Frauen die Pille verschrieben, ohne wirklich über deren Nebenwirkungen aufgeklärt zu werden. Oftmals wird sie auch einfach nur verschrieben, um Frauen "hübscher" zu machen (soll für ein besseres Hautbild sorgen, je nach Präparat). Was aber (meiner Ansicht nach) besonders Kritisch und feministisch an der Pille ist, ist die Verschreibung an Frauen mit starken Menstruationsbeschwerden. In all zu vielen Fällen wird einfach nur die Pille verschrieben, ohne nach den Ursachen für die übermässig starken schmerzen zu suchen (wie beispielsweise Endometriose). Das führt wiederum zu einer verspäteten Behandlung der Krankheit und zu bleibenden Folgeschäden für die betroffenen Frauen.

Damit möchte ich die Pille keinesfalls verteufeln. sie KANN ein sehr geeignetes Verhütungsmittel sein, aber nur im entsprechenden Ramen. Und heute KANN sie Frauen die Freiheit geben, selbst über ihre Fortpflanzung (oder das ausbleiben dieser ) zu bestimmen. nur eben nicht immer.


Vojnik 
Beitragsersteller
 13.10.2023, 14:24
der Unterdrückung der Frauen. insbesondere von Schwarzen Frauen:

Ich liebe diesen Satz

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Vojnik 
Beitragsersteller
 13.10.2023, 14:35
@AryaSaphyra

Haha ja natürlich, wie denn auch sonst

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AryaSaphyra  13.10.2023, 14:37
@Vojnik

Kind, dir würde Nachhilfe in Geschichte wirklich gut tun.

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Vojnik 
Beitragsersteller
 13.10.2023, 14:54
@AryaSaphyra

Du auch, denn deine Vorstellung von Geschichte weißt ziemlich große Lücken auf

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AryaSaphyra  13.10.2023, 15:20
@Vojnik
Die Verhütungshormonforschung seit den 1920er Jahren war stark geprägt von der Idee, nichtweiße und deviante Körper von der Fortpflanzung abzuhalten. Das zeigt sich auch in der Geschichte der wichtigsten Hormonforscher. So hat Carl Clauberg, ein deutscher Gynäkologe, für den Pharmakonzern Schering in den 20er und 30er Jahren zunächst wichtige Erkenntnisse über das Geschlechtshormon Gestagen erlangt und die Basis für die ersten künstlichen Sexualhormone gelegt. Später hat er im Auftrag von Heinrich Himmler mit Hunderten Frauen grausame Experimente in Auschwitz durchgeführt, indem er ihnen ein chemisches Mittel in die Eileiter spritzte, um sie zu sterilisieren.
 Margaret Sanger, die die Entwicklung der Pille finanziell unterstützt hat, war Frauenrechtlerin, zugleich aber überzeugte Eugenikerin. John Rock und Gregory Pincus, die als „Väter der Pille“ gelten, machten ihre Forschungen auf der Insel Puerto Rico, die als Quasikolonie den USA schon länger als lebenswissenschaftliches Laboratorium diente. Sie testeten hier hoch dosiert die Pille an Frauen in einer Vorstadt von San Juan. Es handelte sich um Fabrikarbeiterinnen, die zu Hause engmaschig kontrolliert wurden. Viele von ihnen beklagten Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel. Zudem wurden die Hormone dieser ersten Pille, „Enovid“, die 1960 in den USA auf den Markt kam, an Psychiatrieinsassinnen getestet – und übrigens auch an Männern in einem Gefängnis, um zu sehen, ob deren „homosexuelle Neigungen“ verringert würden.

https://taz.de/Soziologin-ueber-60-Jahre-Pille/!5703215/

du bist ja derart naiv... könntest mir schon fast leid tun.

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