Welche Geschwindigkeit erreicht man mit Antimaterie?

6 Antworten

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Ich beschränke mich auf ein paar Fußnoten zu schon gesagten und hoffe, mich nicht verrechnet zu haben.

Wenn man die Rakete auf relativistische Geschwindigkeiten bringen will, wird sich bemerkbar machen, daß ihre kinetische Energie nicht wie in der klassischen Mechanik mit dem Quadrat der Geschwindigkeit sondern asymptotisch zum Lorentzfaktor wächst und für v→c gegen Unendlich geht. (Wegen der Äquivalenz von Masse und Energie wächst auch die Trägheit der Rakete, je schneller sie ist, im gleichen Maß.)

Bei hypothetischen interstellaren Raketen geht man notgedrungen von Energiequellen aus, bei denen, populär ausgedrückt, "Masse in Energie umgewandelt" wird. Hier können wir die umgesetzte Antriebsenergie in Gedanken sozusagen auf die Waage legen und mit der Zunahme der "relativistischen Masse" der Rakete verrechnen. Bei der Kernenergie, wie wir sie kennen, beträgt der Massendefekt nur Bruchteile eines Prozents der Brennstoffmasse. Der Gedanke an Antimateriezerstrahlung scheint da vielversprechender, weil man sich da erhoffen möchte, annähernd die gesamte Brennstoffmasse zu kinetischer Energie des Antriebsstrahles und des Raumschiffs zu machen, wobei dieses dann näherungsweise um die Masse der zerstrahlten Antimaterie schwerer würde.

Man muß sich das steile Anwachsen des Lorentzfaktors im Diagramm anschauen, um einen Eindruck davon zu haben, womit man es bei dem Vorhaben einer fast lichtschnellen Rakete zu tun bekommt:

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lorentzfaktor.svg

Gehen wir, um einmal grob optimistisch abzuschätzen, von der naiven Vereinfachung aus, daß die Antimaterie vollständig in kinetische Energie des Raumschiffs umgesetzt würde. Dann könnten wir folgern: Bei 99 % von c ist der Lorentzfaktor etwa 7. Wenn wir die Rakete auf 99 % von c bringen wollen, dann muß ihre Energie auf das siebenfache der Ruheenergie wachsen. Da diese Energie aus der Masse der mitgenommenen Antimaterie stammt, müssen 6/7 ihrer Ruhemasse zu kinetischer Energie werden. D.h.: 6/7 des Startgewichts müssen Antimaterie sein. Aus dem restlichen Siebtel des Materials bestehen die Antimateriebehälter – was auch immer man sich darunter vorstellen möchte – und was sonst zu dem Antrieb gehört, plus irgendwo ein Plätzchen für die Besatzung. Wie gesagt, eine grob optimistische Überlegung.


Franz1957  02.07.2013, 13:51

Ich berichtige mich: Da die Antimaterie nicht von allein zerstrahlt, sondern zusammen mit ebensoviel gewöhnlicher Materie, muß der Treibstoffvorrat natürlich aus einem je gleich großen Vorrat von beidem bestehen.

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Hallo threepeas!

Lies mal diesen wirklich fundierten Artikel von Florian Freistetter:

http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2012/08/17/uber-die-beinahe-unmogliche-interstellare-raumfahrt/

Der Abschnitt "Zerstrahlung der Materie" behandelt das sehr anschaulich.

Generell ratsam, was das Thema angeht, ist die nähere Beschäftigung mit der Raketengleichung von Ziolkowski.

In Meyers Handbuch über das Weltall ist übrigens ein sehr gutes Kapitel über die physikalischen Grundlagen der Raumfahrt enthalten.

LG

Wenn ich da die bisherigen Antworten lese, dann habe ich das Gefühl, man sollte etwas weiter ausholen :-)

Wie funktioniert denn ein Raumschiffantrieb? Nun über den Rückstoß: Es wird ein Massenstrom mit einer bestimmten Geschwindigkeit ausgestoßen dp/dt = dm/dt * v Und die Rakete beschleunigt dann mit a = - dp/dt * 1 / M (M ist die Masse des Raumschiffs.

Durch den Massenstrom dm/dt nimmt die Masse des Raumschiffs aber ständig ab, und die Rechnung führt dann zur berühmten Raketenformel, die schon der gute Ziolkowski kannte.

Ganz offensichtlich ist ein Antrieb um so besser je höher die Geschwindigkeit des Rückstoßmediums ist; Photonen sind ideal. Der Impuls von N Photonen ist p = N * h/lambda.

Für eine (nicht relativistische ) Beschleunigung a brauchen wir also einen Photonenstrom von dN/dt * h/lambda * 1/M

Auch hier gilt die Raketenformel, aber die Masse der Rakete nimmt nur recht geringfügig ab, wenn der "Treibstoff" aus Materie und Antimaterie besteht.

dM/dt = 1/c^2 * dE/dt = 1/c * dp/dt = 1/c * M * a

Oder dM/M = a/c * dt

Wenn wir also mit 3g beschleunigen (=30 m/s^2) dann ist nach 1 Million Sekunden =11 Tagen 10% der Raumschiffmasse verbraucht.

Wirklich schnell sind wir dann aber noch nicht :-)

Das kann man nun auch relativistisch rechnen, die Mühe spare ich mir aber, weil das schon jemand gemacht hat: http://de.wikipedia.org/wiki/Relativistische_Rakete

Im Prinzip kann man sagen; je mehr wir von der Raumschiffmasse verbrauchen, umso näher kommen wir der LG. Da am Ende ja noch was übrig bleiben muss (z.B ein 70 kg schwerer Astronaut), muss die Anfangsmasse (Materie+Antimaterie) ziemlich groß sein


derastronom  02.07.2013, 00:55

D.h. Sehr gute Antwort!

LG

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Abahatchi  21.07.2013, 18:30
@derastronom

...nun ja, wir nutzen in der Raumfahrt bereits die Massen anderer Objekte (Planeten, Monde), um zu beschleunigen. Genau so könnte man es gezielt mit Raumschiffen machen. Nur die Nutzung der Gravitation anderer Objekt, hat nichts mit einem Raketenantrieb zu tun. Den bräuchte man nur noch zum "Steuern". Würden wir genügend Zeit haben, könnten wir auch die Schwarzen Löcher in den Zentren der Milchstraßen nutzen. So würden wir langfristig wesentlich höhere Geschwindigkeiten erreichen. Also würde immer eine Kombination von Antrieben, Sonnenwind und Gravitation, also allem was sich nutzen läßt, sinnvoll sein.

Aber sonst ist die Antwort schon sehr ausführlich und genau. Den Linke werde ich mir aber noch vornehmen und nachrechen. Man kann nie wissen....

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Mit Materie und Antimaterie kann man prinzipiell gleich gut beschleunigen: Der speziellen Relativitätstheorie zufolge 'beliebig' nah an die Lichtgeschwindigkeit. Mit beliebig nah meine ich, dass man zwar nie ganz Lichtgeschwindigkeit erreicht, aber ansonsten eben beliebig nah dran kann, wenn man die dazu nötige Energie hat.

Das ist genau soviel, wie man jetzt mit den gängigen Antrieben erreichen kann, außer man kann mit der Materie noch besser die Energie ausbeuten!