Welche Fehler hat Konrad Adenauer begangen (Ich gehe nicht mehr zur Schule, arbeite schon. bin aber geschichtlich bzw. politisch interessiert)?

7 Antworten

Welche Fehler hat Konrad Adenauer begangen (...)?

Das ist eine schwierige Frage, die nicht zuletzt vom politischen Standpunkt des Antwortenden abhängt.

Die Präsidentschaftskandidatur Adenauers und sein voreingenommenes Verhalten in der Spiegelaffaire wurden schon genannt.

Ein Desaster war ohne Frage Adenauers Versuch, die Meinungsfreiheit in Deutschland durch ein Staatsfernsehen im Sinne des Staates ein wenig einzuschränken. Jedoch wurde er durch eine funktionierende Gewaltenteilung ausgebremst.

Man könnte auch die Art und Weise nennen, wie er versucht hat, eine Nachfolge Ludwig Erhards als Bundeskanzler zu verhindern, was ihm von allen Seiten Kritik eingebracht hat. Allerdings: Erhard hat bewiesen, dass Adenauer mit Recht an Erhards Befähigung zum Bundeskanzler gezweifelt hat.

Je mehr man an den vielen Ereignissen seiner Kanzlerzeit kratzt, desto mehr Einzelheiten könnte man kritisieren. Aber ist das gerecht? Schließlich war Adenauer nur ein Mensch - und Menschen, alle Menschen machen Fehler. Überwiegen denn die Fehler in Andenauers Kanzlerschaft? Oder nicht doch die Verdienste? Immerhin hat Adenauer - zusammen mit seiner Regierungsmannschaft und nicht zuletzt auch dank der herausragenden Amtsführung von Bundespräsident Heuß - Westdeutschland zu einem in der Welt wieder respektierten deutschen Staat gemacht, den westdeutschen Bürgern ein Leben in Freiheit und Wohlstand ermöglicht. Er hat also seinen Amtseid Es war nicht übertrieben, als Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier Adenauer am letzten Tag seiner Kanzlerschaft mit den Worten würdigte: "Konrad Adenauer hat sich um das Vaterland verdient gemacht!" Mehr kann man von einem Menschen nicht verlangen!

Daher sind einige hier geäußerte Kritikpunkte auch höchst ungerecht, z. B.:

... der größte war m.E. die Ablehnung der Wiedervereinigung, die ja Stalin angeboten hatte.

Man kann heute leicht den Stab über Adenauer brechen. Aber man sollte sich auch die damalige politische Situation vor Augen führen! Die Sowjetunion unter Stalin, der mit Hitler paktiert und mit ihm Polen geteilt und erniedrigt hatte, übte nach dem WK II über die meisten osteuropäischen Staaten eine Gewaltherrschaft aus. Stalins Angebot kam, als schon feststand, dass die Bundesrepublik in die westliche Verteidigungsgemeinschaft aufgenommen werden sollte, und es war damals keineswegs abwegig, Stalins Vorschlag als politisches Manöver anzusehen, um das zu verhindern. Der Vorschlag der Wiedervereinigung war auch nicht mit einem Zugeständnis absolut freier Wahlen in Gesamtdeutschland verbunden. Kurz: das Angebot Stalins - und so sahen es auch die Westmächte - war als wenig seriös einzustufen.

Er hat bewusst eine US-Kolonie mit seinen Nazi-Kumpels aufgebaut.

Auch diesen Vorwurf muss man sehr differenziert betrachten. Adenauer war ein Gegner der Nazis gewesen, von Verfolgung und Ermordung bedroht, der er nur mit Glück entgangen war. Adenauers "Nazi-Kumpels", z. B. sein Kanzleramtsminister Hans Globke, waren zuverlässige Mitarbeiter, die Adenauer und der Demokratie dienten. Adenauer hat sich nie mit Nazitätern, allenfalls mit Nazi-Mitläufern umgeben. Er war Menschenkenner, weshalb er genau wusste, dass Menschen irren, aber sich dann auch eines Besseren besinnen können. Außerdem wäre es mehr als dumm gewesen, jeden erfahrenen und fähigen Mitarbeiter nur deswegen auszusortieren, weil er z. B. in der Nazipartei gewesen war. Das konnte sich Deutschland nach den enormen Kriegsverlusten an jungen Menschen überhaupt nicht leisten. Die Mitarbeit am Aufbau der Nachkriegsdemokratie in Deutschland war außerdem für alle Nazianhänger eine Bewährungsprobe, die die engsten Mitarbeiter Adenauers jedenfalls alle bestanden haben - und das westdeutsche Volk in seiner übergroßen Mehrheit ebenfalls.

Natürlich war Westdeutschland zum Erhalt der Freiheit vor dem drohenden Kommunismus auf den Schutz der USA angewiesen. Das waren aber alle westeuropäischen Staaten, die genauso viele Zugeständnisse machen mussten wie Westdeutschland - vielleicht sogar noch mehr, denn das besiegte Deutschland gewann mehr und mehr, was es 1945 verloren hatte. Adenauer verfolgte mit klugen europäischen Staatsmännern auch einen durchaus emanzipatorischen politischen Kurs, um den USA ein wirklicher Partner sein zu können: es wurde mit dem Zusammenwachsen der europäischen Industrieländer zu einer erst wirtschaftlichen, letztlich politischen Gemeinschaft ein den USA ebenbürtiges "Imperium" geschaffen. Schließlich befürwortete Adenauer auch ein enges Zusammengehen mit Frankreich als Motor europäischen Zusammenwachsens - auch davon profitieren wir heute noch.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.

ArnoldBentheim  15.06.2015, 20:56

Nachtrag

Die Wiederbewaffnung Deutschlands, erst heimlich und schleichend, ab 1950, hat Konrad Adenauer zu verantworten; es wäre jedoch zu der Zeit keineswegs erforderlich gewesen, diese Dinge voran zu treiben. Auch noch Jahre und Jahrzehnte später hätte es vollkommen genügt, eine deutsche Operettenarmee aufzustellen und es dabei zu belassen.

Auch hierin hatte Adenauer Recht. Ein souveräner Staat Westdeutschland hatte als Preis für seine Souveränität an seiner eigenen Verteidigung aktiv mitzuwirken. Also musste eine Bundeswehr geschaffen werden.

Zum Abschluss für Interessierte, die sich mit der Adenauerzeit einmal befassen wollen, zwei Literaturangaben:

- Hans-Peter Schwarz: Adenauer. 2 Bde. 1986-1991. (Ausführlichste Biographie)

- Dominik Geppert: Die Ära Adenauer. 2012. (Gesamtepoche)

Adenauer hat auch Memoiren hinterlassen. Man kann sie kostenlos herunterladen: http://www.konrad-adenauer.de/index.php?menu_sel=17&menu_sel2=304&menu_sel3=&menu_sel4=

MfG

Arnold

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burgulu  16.06.2015, 00:31
@ArnoldBentheim

Zu der Zeit war Deutschland eindeutig ein Besatzungs-Staat, also alles andere, als ein souveräner Staat; und daran hat sich bis heute nicht sonderlich viel geändert; es hätte eine andere, wahrscheinlich bessere Lösung gegeben; wenn man mich gefragt hätte. ;-)

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Der war u.a. auch Korrupt!  hat Abgeordnette mit viel Geld bestochen damit damals Bonn zu Hauptstadt wird!

Die Wiederbewaffnung Deutschlands, erst heimlich und schleichend, ab 1950, hat Konrad Adenauer zu verantworten; es wäre jedoch zu der Zeit keineswegs erforderlich gewesen, diese Dinge voran zu treiben. Auch noch Jahre und Jahrzehnte später hätte es vollkommen genügt, eine deutsche Operettenarmee aufzustellen und es dabei zu belassen.


Fennek4x4  15.06.2015, 17:19

Und wie hätte Deutschland dann der NATO beitreten können? Der Beitritt zur NATO setzt eigene Streitkräfte voraus. Der kalte Krieg soll also kein Grund für Aufrüstung sein? Soso...

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burgulu  15.06.2015, 23:51
@Fennek4x4

Deutschland hätte der sich aus den Blöcken, Nato & Warschauer Pakt, heraushalten sollen; andere Länder haben es mit Erfolg auch so gemacht; eigentlich ging es doch nur darum, besonderen inneren US-amerikanischen Interessen übermäßig zu huldigen.

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Er hat Angst vor Kommunismus und Ostblock-Hass geschürt.

... der größte war m.E. die Ablehnung der Wiedervereinigung, die ja Stalin angeboten hatte.