Was und wer entscheidet welche Quellen seriös sind?

7 Antworten

Hey!

Naja, ich glaube auch oft, ich bin im falschen Film. Da werden dann Quellen vorgelegt, die Behauptungen aufstellen, die längst widerlegt sind. Wenn jemand zum Beispiel auf "Climate Gate" verweist oder die "Hockeyschläger-Kurve" als unseriös deklariert, weiß man schon, dass die Person sich nicht mit dem Thema beschäftigt hat. Eine seriöse Quelle (Studie, Artikel von seriösen Medien (Politische Parteien, Boulevardpresse etc zählen nicht dazu)) wird anhand verschiedener Faktoren von Seriosität geprägt:

1. Wissenschaftliche Standards

Wenn ich als Quelle eine Organisation anführe, muss ein wissenschaftlicher Standard hervorgehen: Das heißt, Peer-Reviewte Studien, wissenschaftliche Verfasser und ausgeprägte Recherche. Letzteres muss durch dargelegte Vorgehensweise oder Verweisungen auf andere, seriöse Quellen erfolgen. Ein "Ich google und lese die Überschrift", wie es die meisten tun, ist dabei fehlerhaft. Die wissenschaftlichen Standards müssen dabei ersichtlich sein und von unabhängigen Kommissionen, NGOs oder Universitäten (und andere) überprüft werden. Ein farbiges Paper mit 12 verschiedenen Schriftgrößen ist dabei nicht wissenschaftlich.

2. Recherche

Wenn ich einen Artikel oder eine Studie verlinke, muss ich sicherstellen, dass es noch weitere Quellen gibt, die ein ähnliches oder selbes Fazit haben. Gibt es diese nicht, muss ich darauf hinweisen, oder kann diesen Artikel nicht verlinken.

3. Interessenskonflikte

Interessenskonflikte müssen grundsätzlich angegeben werden. Heißt: Von wem werde ich/meine Studie/meine Organisation bezahlt? Wieso werde ich bezahlt? Wie hoch ist die Chance, dass diese Studie manipuliert ist? Letzteres wird durch unzählige weitere Studien und Peer-Review-Verfahren überprüft.

4. Naturwissenschaftliche Korrektheit

Wenn ich ein Diagramm einführe, muss dir Nulllinie definiert sein. Wenn ich eine Formel anwende, muss ich begründen, wieso ich diese nutze. Ich kann die Regeln der Anwendung NICHT nach Wollen und Wünschen brechen.

Das ist ein ganz grober Überblick. Es gibt noch weitere Faktoren, darunter Rhetorik oder Fachbereiche.

Liebe Grüße!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium

EmtBayern  08.07.2024, 05:56

Schöner hätte mans nicht erklären können ;)

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Hohe Zuverlässigkeit haben vor allem Primärquellen. Für wissenschaftliche Aussagen hat @DerRoll das ja schon gut dargelegt. Für Gerichtsentscheidungen auf der anderen Seite bevorzuge ich immer die jeweilige Entscheidung im Volltext.

Bei der Presse bevorzuge ich die Aussagen von Fachmagazinen (und damit meine ich keine Publikums-Zeitschriften). Aber auch einige Tageszeitungen und Magazine wie z.B. Der Spiegel liefern oft brauchbare Ergebnisse. Wichtig ist eben immer dass diese mit den entsprechenden Quellen untermauert werden (um beim Beispiel einer Gerichtsentscheidung zu bleiben: Steht das Aktenzeichen nicht dabei ist zur Vorsicht geraten).

Auch kann es ratsam sein bei Sekundärquellen nicht die erstbeste zu nehmen sondern mal bei anderen nachzusehen ob man dort dieselbe Aussage bestätigt findet.

Nach welchen Kriterien man eine Quelle beurteilt, dafür hast du ja viele gute Antworten bekommen.

Wenn du also aufgefordert wirst seriöse Quellen, für Sachverhalte die du schilderst, anzugeben dann kannst du das ja jetzt tun.

Gibst du Quellen an die seriös sind, nach den hier genannten Beurteilungsmaßstäben, und der Adressat sieht das völlig anders, dann kannst du nicht mehr viel machen.

Du musst dann entscheiden ob sich eine weitere Diskussion noch lohnt.

Behauptet also jemand, dass Bill Gates im Covidimpfstoff Nanobots platziert, um uns alle zu überwachen, du ihm seriöse Quellen lieferst, die besagen dass mit dem Stand der Technik, solche Nanobots gar nicht herzustellen sind, er aber weiterhin darauf besteht, das es stimmt, was er sagt, dann hast es wahrscheinlich mit einem Spinner zu tun.

Von Experte Ralph9 bestätigt

Zunächst gibt es mal den wissenschaftlichen Goldstandard für Publikationen. Dieser nennt sich

https://de.wikipedia.org/wiki/Peer_Review

Dem Peer Review unterliegende Journale sind also schon mal "seriös". Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass Forscherinnen und Forscher, die sich neben der Publikation in diesen Journalen auch sonst in der Öffentlichkeit zu ihrem Fachgebiet äußern auch keinen Blödsinn erzählen. Ein Beispiel ist Stefan Rahmstorf in seinem Blog

https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/

oder für Mai Thi Nguyen-Kim von

https://www.youtube.com/@maiLab/featured

Weiterhin sind öffentliche Verlautbarungen zum Beispiel des Bundestages oder des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages seriös. Erstere beziehen sich schließlich ausschließlich auf die Themen die im Bundestag tatsächlich diskutiert wurden und erfinden nichts dazu und lassen nichts weg. Der wissenschaftliche Dienst heißt so weil er sich grundsätzlich der wissenschaftlichen Methoden bedient. Gleiches gilt in etwas eingeschränkterem Maß (auch aufgrund der Zielgruppe) für die Bundeszentrale für politische Bildung.

Große Tageszeitungen und Magazine wie zum Beispiel der Spiegel, der Focus, die FAZ oder die FR leisten sich neben den Beiträgen, die sie an Nachrichtendienste wie Reuters oder die dpa abführen müssen auch noch eine eigene Redaktion mit einer eigenen Fachredaktion für die Fachthemen. Auch hier ist damit eine gewisse Seriosität gegeben.

Sogenannte "Faktenchecker" wie z.B. correctiv.org versuchen, aus den oben als seriös angeführten Quellen Belege bzw. Widerlegungen von verschiedenen Behauptungen zusammen zu tragen um zu prüfen inwieweit die Behauptungen korrekt sind. Sie arbeiten also ebenfalls wissenschaftlich und sind seriös.

Nicht seriös sind Medien, die keine oder nur wenige, qualitativ schlechte Quellen für ihre Behauptungen bringen und insbesondere Medien, die bei ihren Quellen sogenanntes

https://www.logicallyfallacious.com/logicalfallacies/Cherry-Picking

betreiben, d.h. willkürlich Aussagen aus den Quellen heraus greifen und dabei die Hintergründe die zu diesen Aussagen führen verschweigen. Das war besonders bei der sogenannten Querdenker-Bewegung in den letzten 3-4 Jahren eine vielgeübte Praxis.

Ich werde mir diese Antwort mal auf Wiedervorlage legen, die kann ich bestimmt noch das ein oder andere Mal brauchen, genau wie die hier

Belege? (gutefrage.net, Social Media, Diskussion) - gutefrage

Nachtrag 1: Häufig äussern sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch öffentlich ausserhalb ihres Fachgebietes zu bestimmten Themen. Sie haben dabei dann aber lediglich den gleichen Anspruch ernst genommen zu werden wie alle anderen Menschen auch. Oft liegen sie sogar mit ihren Äusserungen dann völlig daneben, auch wenn sie in ihrem Fachgebiet beeindruckende Leistungen vollbracht haben. Im Englischen gibt es dafür den netten Ausdruck

https://en.wikipedia.org/wiki/Nobel_disease

Nachtrag 2: Natürlich ist bei Seiten die wie Wikipedia arbeiten ein gewisser Zweifel an der Seriösität angebracht. Nicht umsonst ist Wikipedia als Quelle bereits bei schulischen Arbeiten nicht erwünscht oder gar verboten. Allerdings ist zu beachten, dass die allermeisten Wikipedia Artikel tatsächlich von Fachleuten auf dem jeweiligen Gebiet erstellt worden und auch gut mit Quellen die obigen Standards genügen hinterlegt sind. Die in vielen Köpfen festsitzende Meme dass in Wikipedia jeder und jede einfach beliebiges schreiben kann ist falsch, siehe z.B.

Kann jeder bei Wikipedia was schreiben, oder braucht man irgendwelche Voraussetzungen? (Ausbildung und Studium, Arbeit, Ausbildung) - gutefrage

Das weiß auch jeder und jede die schon mal bei Wikipedia mit gearbeitet haben (ich habe selbst nur kleinere Änderungen an Texten, insbesondere bei mathematischen Themen, durch geführt).

Nachtrag 3: Aus gegebenem Anlaß eine weitere Ergänzung. Höchst unseriös ist es zu versuchen Quellen zu verwenden in denen gar nicht das drinnen steht was man behauptet. Besonders gerne wird dies mit fremdsprachlichen Quellen gemacht. Das eigene Englisch sollte also zumindest so sattelfest sein dass man versteht was in der Quelle ausgesagt wird und das man das auch vernünftig Begründen kann. Ein besonderes Negativbeispiel zu dem Thema ist übrigens das Interview mit Bill Gates in den Tagesthemen vom 12.04.2020 (bei dem auch der Übersetzer nicht gerade geglänzt hat). Die Behauptung bei Minute 17:31 ist das Gates sagt "Wir werden den Impfstoff letztendlich 7 Mrd. Menschen verabreichen", woraus interessierte Kreise schnell das Märchen "Gates bereitet Zwangsimpfung vor" gestrickt haben. Tatsächlich, wenn man versucht dem Englischen Text zu folgen, sagt Gates "We will give the vaccine to 7 Billion people" was eher bedeutet "wir werden den Impfstoff für 7 Mrd. Menschen verfügbar machen" oder "... aushändigen". "Give" im Sinne von "verabreichen ist von der Übersetzung her eine Drittwahl, die direkte Übersetzung von "verabreichen" ist "administer". Aber es lies sich halt gut und unseriös Stimmung machen.

Die Antwort wird zunehmend ergänzt wenn mir noch mehr dazu einfällt.


hardliner2019  24.08.2023, 18:55

Eine exzellente Antwort - und in der Tat sehr geeignet, sie bei passender Gelegenheit zu verlinken.

Insbesondere dann,

  • wenn man hier bei GF auf Nutzer stößt, die es ablehnen, krude Tatsachenbehauptungen seriös zu belegen und
  • diese Ablehnung mit dem Hinweis an nachfragende Mitlesende begründen wollen, der Nachfragende werde jegliche Quelle ja ohnehin nicht als "seriös" akzeptieren.
Danke & Daumen hoch, @DerRoll!
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Seriöse Medien achten auf

  • journalistische Grundsätze
  • wissenschaftlichen Konsens, sie nutzen nur "offiziell" veröffentlichte Studien / Papers die mindestens durchs Peer Review gekommen sind
  • Nachprüfbarkeit (Quellenverzeichnis)
  • Prüfung der Sachverhalte aus 2 unabhängigen Quellen
  • Korrektheit der Sachverhalte
  • Möglichst neutral, ausgewogen und sachlich
  • Meinung, Satire und Zitate werden klar gekennzeichnet
  • Wenn Quellen Interessenskonflikte haben klar kennzeichnen zB wenn BP Werbung damit machte jetzt große Umweltschutzprojekte zu machen, fördern aber auf Bohrinseln Öl wovon eine schon Explodiert ist und das Meer und die Tiere massiv verseucht hat
  • Verlässlichkeit => sind die Informationen dauerhaft und Zuverlässig korrekt?
  • Transparenz => Fehler und Arbeitswege klar Kommunizieren
Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Dozent, Dipl. Trainer of Trainers