Was steht in der Weimarer Verfassung und was sind die Schwachstellen?

2 Antworten

Eine Verfassung enthält grundlegende rechtliche Bestimmungen, auf denen ein Staat aufbaut. Weimarer Verfassung wird die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 genannt, die am 14. August 1919 in Kraft getreten ist. Sie ist von einer vom Volk gewählten Nationalversammlung am 31. Juli 1919 beschlossen worden. Das Deutsche Reich war nach Artikel 1 der Verfassung eine Republik. Die parlamentarische Demokratrie ist 1933 untergegangen. Formell galt die Verfassung, obwohl ihr Inhalt zu einem großen Teil außer Kraft gesetzt wurde, bis 1945 weiter.

zum Nachlesen, was in der Verfassung stand:

http://www.documentarchiv.de/wr/wrv.html

http://www.verfassungen.de/de/de19-33/verf19-i.htm

Schwachstellen

wesentliche Mängel/Schwächen der Verfassung waren:

1) übergroße Machtfülle des Reichspräsidenten einschließlich des Rechts zu Notverordnungen (Artikel 48), mit dem sich unter bestimmten Umständen die Befugnisse des Reichstags aushebeln ließen und die parlamentarische Demokratie untergraben werden konnte

2) zu weitgehende Wertneutralität durch Fehlen einer Absicherung einer demokratischen Grundordnung und von Grundrechten in ihrem Wesenskern (Abschaffung und Außerkraftsetzung von Bestandteilen der Grundordnung und von Grundrechten war nicht ausgeschlossen)

3) destruktives Mißtrauensvotum

4) Vermischung von Prinzipien (Prinzipien einer parlamentarischen Demokratie, eines präsidialen Regierungssystems und einer direkten/plebiszitären Demokratrie) auf ungünstige Weise

5) schlechte Art der Bezugnahme auf Parteien

Aussagen über Schwachstellen sind Ergebnis von Untersuchungen und Deutungen. Daher können auch teilweise unterschiedliche Aufassungen begegnen. Wichtig ist vor allem die Überlegung, was zum Untergang der Weimarer Republik beigetragen hat. Das in diesem Zusammenhang manchmal genannte Verhältniswahlrecht (Artikel 22) und das Fehlen einer Sperrklausel (wie es sie z. B. in der Bundesrepublik Deutschland mit der 5-Prozent-Hürde für den Bundestag gibt) haben meines Erachtens nicht zum Scheitern geführt. Bei Schwierigkeiten der Regierungsbildung und mangelnder Stabilität von Regierungen haben Splitterparteien keine bedeutende Rolle gespielt. Ein Mehrheitswahlrecht hätte zum einen Unmut der dadurch jeweils Benachteiligten hervorgerufen und so aufgrund verschärfter Gegensätze die Bejahung der parlamentarischen Demokratie geschwächt, zum anderen zwar wohl anfangs demokratiefeindliche Parteien eine kleinere Anzahl von Abgeordneten im Parlament gegeben, aber in der Schlußphase die Nationalsozialisten begünstigt.

zu 1)

Ein direkt gewählter Reichspräsident hatte eine große Machtfülle (vor allem Artikel 25 Auflösung des Reichstags, Artikel 48 Notverordnungen und Artikel 53 Ernennung und Entlassung des Reichskanzlers). Wenn es im Parlament (Reichstag) keine handlungsfähige politische Mehrheit gab, konnte der Reichspräsident eine entscheidende Rolle spielen. Das praktisch unbegrenzte Recht, den Reichstag aufzulösen, gab ihm dann ein deutliches Übergewicht.

„Artikel 48

(1) Wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt, kann der Reichspräsident es dazu mit Hilfe der bewaffneten Macht anhalten.

(2) Der Reichspräsident kann, wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen.

(3) Von allen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 dieses Artikels getroffenen Maßnahmen hat der Reichspräsident unverzüglich dem Reichstag Kenntnis zu geben. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichstags außer Kraft zu setzen.“

Neben einer Neigung von Teilen der Bevölkerung zu einem „Ersatzmonarchen“ ist besonders ein Mißtrauen einer Mehrheit in der Nationalversammlung gegen einen „Paralamentsabsolutismus“ hervorzuheben. Ein starker, direkt gewählter Reichpräsident wurde 1919 als Gegengewicht neben den Reichstag gestellt. Seine Stellung bildete später ein Einfallstor für autoritäre Kräfte.

Mit Paul von Hindenburg kam 1925 eine Person in das Amt, die eher ein Ersatzmonarch war und kein Anhänger der Demokratie, außerdem hatten Gegner der Demokratie großen Einfluß auf ihn.

zu 2)

Die Verfassung war wertneutral. Die Demokratie war nicht als in ihrer Grundordnung nicht abzuschaffen gesichert (vgl. zur Änderung der Verfassung Artikel 76). Grundrechte konnten außer Kraft gesetzt werden.

zu 3)

Ein destruktives Mißtrauensvotum gegen Regierung war möglich. Ein Reichskanzler oder Reichsminister konnten zum Rücktritt gezwungen werden, wenn eine Mehrheit im Reichstag ihnen das Mißtrauen aussprach, wobei es nicht nötig war, eine andere Person stattdessen zu wählen.

zu 4)

Bei der Verfassung wurden manche Prinzipien (Prinzipien einer parlamentarischen Demokratie, eines präsidialen Regierungssystems und einer direkten/plebiszitären Demokratrie) auf ungünstige Weise miteinander gemischt. Dies funktionierte in der Praxis oft nicht gut und erwies auch auch allgemein als störend in der Orientierung des politischen Denkens. Die schädlichsten Auswirkungen hatte bei den Bestandteilen direkter/plebiszitärer Demokratrie die Direktwahl eines mächtigen Reichspräsidenten.

zu 5)

Politische Parteien kommen in der Verfassung nicht ausdrücklich als an der politischen Willensbildung mitwirkend vor. In der Weimarer Republik waren die Parteien keine Institutionen (Einrichtungen) der Verfassung. Über ihre Stellung und Aufgaben hat es im Verfassungstext selbst keine Aussage gegeben. Sie werden nur an einer Stelle (Beamtenrecht) am Rand erwähnt und dies in negativer Weise:

Artikel 130 Absatz 1

„Die Beamten sind Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei.“

Die Weimarer Republik war eine parlamentarische Demokratie. Die Tätigkeit von Parteien war vorausgesetzt und mitgedacht (z. B. bei Wahlen, der Aufstellung von Kandidaten auf Listen, dem Wahlkampf und der Tätigkeit und den Beschlüssen des Reichstags). In Wahlgesetzen wurden die Parteien erwähnt. In der politischen Praxis waren die Parteien wichtig. In den letzten Jahren der Weimarer Republik zeigte sich eine Schwäche des Reichstags (im dem Vertreter von Parteien Abgeordnet waren) bei fehlender klarer politisch handlungsfähiger Mehrheit gegenüber Reichspräsident und Reichsregierung.

Es gab Probleme damit, die Rolle der Parteien in der neuen Staats- und Regierungsform gut in die politische Theorie und Staatsrechtslehre einzubauen. Die Entgegenstellung von Staat (zu dem die Parteien nicht gehören) und Gesellschaft (in der die Parteien ihren Platz haben) war oft zu einseitig und übertrieben stark. Parteien wurde ein Platz ganz außerhalb der Verfassung angewiesen.

Parteien galten häufig als Träger gesellschaftlicher Teilinteressen, denen der Staat einen einheitlichen, auf das Allgemeinwohl bezogenen Willen entgegenzusetzen hätte. Der Einwand, das Allgemeinwohl könne unterschiedlich gedeutet werden und je nach Parteistandpunkt einen unterschiedlichen Inhalt besitzen, wurde weniger berücksichtigt. Die Auffassung, im Staat käme eine Willensbildung über die Parteien vermittelt zustande, konnte sich nicht durchsetzen. Nachwirkungen obrigkeitstaatlichen Denkens aus dem Kaiserreich und fehlende Erfahrung in einer parlamentarischen Demokratie (in einer konstitutionellen Monarchie standen die Parteien dem Monarchen und dessen Regierung gegenüber) förderten die Neigung, einen angeblich über den Parteien stehenden Staat zu betonen und Parteien und Parlamenten entgegenzusetzen, obwohl dieser Staat tatsächlich nicht unbedingt so unparteilich/überparteilich war.

Es gab eine Beschreibung der Weimarer Republik in ihrer Praxis als Parteienstaat. Dies war aber oft verächtlich gemeint und stand in Verbindung mit einem verbreiteten antidemokratischen Denken. Abfällige Äußerungen über Parteiengezänk, die Bezeichnung der Erörterungen in Parlamenten als Geschwätz und der politischen Verhandlungen von Vertreten der Parteien mit einer Suche nach Kompromissen als eigensüchtiges und würdeloses Feilschen (»Kuhhandel«) sind dafür typisch.

In Bücher über die Weimarer Republik und besonders über ihre Verfassung stehen Aussagen über Schwächen/Gefährdungen der Verfassung der Weimarer Republik, z. B.:

Ursula Büttner, Weimar : die überforderte Republik 1918 - 1933 ; Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur. Stuttgart : Klett-Cotta, 2008, S. 112 – 120

Christoph Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung. Tübingen : Mohr Siebeck, 1997, S. 82 - 370 und S. 465 - 467

Eberhard Kolb/Dirk Schumann, Die Weimarer Republik. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Oldenbourg : München, 2013 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte ; Band 16), S. 19 – 21 und S. 276

Heinrich August Winkler, Weimar 1918 – 1933 : die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. 3., durchgesehene Auflage. München : Beck, 1998, S. 99 - 108

Andreas Wirsching, Die Weimarer Republik : Politik und Gesellschaft. 2., um einen Nachtrag erweiterte Auflage. München : Oldenbourg, 2008 (Enzyklopädie deutscher Geschichte ; Band 58), S. 10 – 11

Frag dich wie Hitler erst an die Macht, und dann die Demokratie aushebeln konnte ohne sie de facto abzuschaffen.

Dann haste deine Schwachstellen.