Themenspecial 08. Dezember 2021
AMA: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
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Was sind die wichtigsten Aspekte daran, jüdisch zu sein?

2 Antworten

Auf die Frage, was das Wichtigste daran ist, jüdisch zu sein, oder was das Jüdischsein ausmacht, gibt es bestimmt fast ebenso viele unterschiedliche Antworten wie jüdische Menschen. Na ja, nicht ganz, bestimmt lassen sich die möglichen Antworten zu Gruppen zusammenfassen. Aber die Antwort ist wirklich sehr individuell!

Viele religiöse Jüdinnen und Juden würden vielleicht sagen, die ethischen Gebote sind am wichtigsten: z. B. die Eltern ehren, nicht schlecht über andere reden, nach einem Streit verzeihen. Andere würden vielleicht sagen, die täglichen Gebete, die Speisevorschriften und das Feiern der Feiertage ist am wichtigsten, weil sie die Richtschnur für ein gutes Leben darstellen. Für manche Jüdinnen und Juden ist es vielleicht der Glaube an den einzigen Gott; für andere sind es vielleicht eher die Traditionen und ihre Weitergabe, auch ohne dabei streng gläubig zu sein; vielleicht auch die Familie; oder kulturelle Aspekte wie jüdische Musik oder jüdischer Humor.

Jüdischsein geht über das Religiöse im engeren Sinne hinaus. So ist es möglich, dass manchen Jüdinnen und Juden ihr Judentum sehr wichtig ist - aber die jüdische Religion für sie dabei gar nicht an erster Stelle steht.

Wie der Alltag praktizierender Jüdinnen und Juden aussieht, ist daher auch unterschiedlich. Ein orthodoxer praktizierender Jude wird dreimal täglich beten. Das strukturiert den Tag auf eine bestimmte Weise. Aber zwischen den Gebeten wird er ein ganz normales Leben mit Schule, Studium, Arbeit und Familie leben. Ein liberaler Jude betet möglicherweise nicht so regelmäßig, aber hält die Speisevorschriften ein und beschäftigt sich vielleicht viel mit jüdischen Schriften; er praktiziert seine Religion anders, aber ebenfalls intensiv. Auch er oder sie führt ein ganz normales Leben.


Die jüdische Identität hat eine besondere Eigenschaft. Es wird damit die Zugehörigkeit sowohl zu einem ,,Volk" als auch zu einer Religion definiert. Jüdisch ist, wer eine jüdische Mutter hat.

Für praktizierende Juden greifen die 613 religiöse Gebote sehr stark in das Alltagsleben ein: Kleidung, Ernährung, Hygiene, die vielen Feiertage und Gedenktage, die Art zu beten und noch viel mehr. Diese Vorschriften und Sitten werden nicht als Einengung empfunden, sondern als Auszeichnung des von Gott ,,ausgewählten" Volkes.

In der Vergangenheit sind die Juden immer ,,isoliert", sowohl durch die nicht-jüdische Gesellschaft als auch aus eigener Wahl, damit die eigene Lebenskultur nicht durch andere Einflüsse ,,verwässert" wird.

Für Juden ist die Berufsausübung nicht in Streit mit der Religion. Juden sind die besseren Händler, Bänker (Rothschild), Wissenschafttler (Freud, Einstein), Musiker (Mendelssohn, Gershwin), Philosophen (Spinoza, Mendelssohn) und so weiter. Das gibt leider ab und zu Anlass zu einem bewussten oder unbewussten Gefühl der Ueberlegenheit.

Woher ich das weiß: Bekanntschaften, Recherche und Vorträge. (Ich gehöre nicht zur jüdischen Gemeinschaft.)


Schokimuffin276 
Beitragsersteller
 08.12.2021, 17:05

Dankeschön für die ausführliche Antwort :)!