Was konkret beobachtet Ihr, wie sich Jehovas Zeugen mit ihren Trolleys in oder vor Bahnhöfen, in Fußgängerzonen oder vor Kaufhäusern verhalten?
8 Antworten
Was die auf den Straßen betreiben ist echte Antiwerbung. Gut so.
Die Personen am Trolley machen einen unglücklichen, gelangweilten, nicht interessierten Eindruck. Meistens sind sie im Gespräch miteinander vertieft und nehmen dabei ihre Umgebung gar nicht mehr wahr. Da will doch keiner stören.
Letztens sah ich eine Frau mit Trolley im Schlepptau und drei Kindern im Alter von ca. 6-12 Jahren dabei. Ziemlich angestresst alle. Es ist auch nicht Aufgabe von Kindern, Sektenpropaganda auf Marktplätzen zu verbreiten. Die werden also auch nicht angesprochen, das Mitleid hält die Leute zurück.
Bedenkt man, dass die WTG vorwiegend ihre Elite (Pioniere) an den Trolley schickt, geben sie da ein recht trauriges Bild ab. Gute Promotion geht anders.
Gar nichts. Ich nehme die kurz wahr und gehe weiter.
Das sind hier meist ältere blasse Damen in merkwürdiger (sehr altmodischer und trister) Kleidung, Faltenrock, Bluse, Strickweste, so was in der Art; sie fallen auf und man sieht schon von weitem, dass sie "anders" sind als andere. Sie stehen immer an den selben Plätzen, sie sind freundlich und lachen und grüßen, wirken generell sehr unaufdringlich, aber sie fallen optisch aus dem Rahmen und wirken total aus der Zeit gefallen - die sind vom Gesicht her etwa 55-65 bzw. haben relativ junge Gesichter, aber die Kleidung erinnert an Outfits, die in meiner Kindheit (frühe 90er) nur sehr, sehr alte Damen (z.B. so Witfrauen, die um 1915 geboren waren und damals schon auf die 80 zugingen) getragen haben. Mir sind die relativ egal, sie fallen nur auf und man weiß sie zuzuordnen und die Kleidung sticht ins Auge, weil niemand sonst so rumläuft.
Was mir noch auffällt: Männer sind das eigentlich nie - auch die Zeugen Jehovas, die immer mal wieder von Haus zu Haus ziehen, sind meist ältliche Damen, die sehr dezent und freundlich auftreten, wo man aber im Gefühl hat ... nicht, wenn es nicht sein muss. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen, da ich mich mit denen eigentlich nicht unterhalte - ich habe gar keine Veranlassung, mit denen zu reden, sie fallen nur auf.
XXX
Ein Erlebnis blieb mir in Verbindung mit den Zeugen Jehovas aber in besonderer Erinnerung, weil es so einschneidend und ungewöhnlich war. Ich traf in der Fußgängerzone einer süddeutschen Großstadt, die wir im Landschulheim besuchten, vor 20 Jahren einen damals schon 80 Jahre alten Mann. Es war extrem heiß, der Mann stand da und wurde von den meisten entweder angepöbelt, beschimpft oder bespuckt. Er hat sich dabei was mir auffiel nicht geregt, stand trotz aller Anfeindungen einfach nur da und ich habe das Ganze einige Minuten lang beobachtet, bis ich zu ihm hingegangen bin. Ich wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht, warum er da steht, aber er tat mir leid.
Wir haben uns daraufhin gut unterhalten und ich glaube, das Gespräch hat ihm gut getan. Er hat sich richtig gefreut, dass er mir etwas über sich und sein Leben erzählen konnte und sich tausendmal bedankt, dass er nicht beleidigt wurde und man einfach nur normal redete. Das kam wirklich von ganzem Herzen. Eine solche Dankbarkeit kann man wahrscheinlich nicht vorspielen.
Dabei kam raus: Er stammte eigentlich aus Thüringen, siedelte nach der Wende in den Westen rüber und schloss sich bald den Zeugen Jehovas an, für die er an diesem Ort Schriften verteilte. Er erklärte mir, dass er sich nach der Wende haltlos fühlte, keine Achtung mehr erfuhr, alles verloren hatte was ihm mal wichtig war und bei den Jehovas neuen Halt bekam, sich verstanden und aufgenommen/akzeptiert fühlte. Er sprach von Desillusionierung, Isolation, Mentalitätsproblemen mit dem "kalten" Süddeutschland, fehlender Akzeptanz durch andere und erwog es, seinen Lebensabend wieder in Thüringen verbringen zu wollen. Ich habe ihm das alles geglaubt, weil es absolut plausibel klang. Er erzählte mir auch, wie das war mit Geschäftemachern aus dem Westen, rechtsfreiem Raum unmittelbar nach der Wende, heilloser Überforderung und rechten Gruppierungen, die teilweise gezielt auf Suche nach haltlosen Jugendlichen gegangen sind - und ich habe einige Zeit später aus Dokus und Büchern gelesen, dass es echt exakt so gewesen ist, wie der alte Mann mir es erklärt hatte.
Kann mich noch sehr gut erinnern. Ich sagte ihm, dass ich zwar katholisch bin kein großes Interesse an den Zeugen Jehovas habe jedoch dafür immer Interesse an guten Unterhaltungen, und die führten wir dann. Er war gar nicht böse, dass ich nicht über den Glauben reden wollte. Wir sprachen über Kultur, deutsche Geschichte, Soziales... das war ein sehr emotionales Gespräch, das mir auch im Nachhinein wirklich zu Herzen ging! Meine Mitschüler haben mich deswegen zwar ausgelacht, aber mir war das in dem Moment egal. Und ich würde es rund 20 Jahre später wieder machen.
Dieser alte Mann war übrigens echt der einzige herzliche, freundliche und gesprächsbereite Mensch, der mir in dieser Stadt begegnet ist, zusammen mit einem Opa aus Memmingen in Bayern, der mich nach dem Weg zu einem Denkmal fragte und mich ansprach, weil ihm mein Dialekt auch "bayrisch-schwäbisch" vorkam (womit er ja auch Recht hatte!). Ich hielt mich eine Woche lang dort auf und sah sehr viele Menschen dort. Aber nur zwei, die wirklich freundlich und dankbar waren. Und einer davon war dieser Rentner aus Thüringen.
Eine an ihrem Trolley Stand hat mich mal angelächelt - ich bin aber auch ein feines Kerlchen.
Sex sells?
Ansonsten eher langweilig und tot rumstehend - was die Leute nicht wissen ist, das, wenn man sie nicht anspricht es denselben Effekt hat als wenn man ihnen die Tür vor der Nase zu macht - innerlich distanzieren sie sich weiterhin von andersdenkenden, mit jeder Minute die sie star rumstehen.
Teil des Isolationsprozesses, der so plakativ sehr gut zur Geltung kommt, wenn man einmal weiß was da innermenschlich abgeht.
Da ist mir die nette Pionierin die einen freundlich anlächelt deutlich lieber.
LG-B.
mich lächelt eine 65 jährige immer beim busbahnhof an. Muss ich mir jetzt Sorgen machen 😉
Es verhärtet nachweisbar die Herzen, ja.
Innerlich distanziert man sich noch mehr von den anders denkenden, wenn diese einen bewusst ablehnen oder gar nichts erst hören wollen.
Zumindest wenn man nicht auf ein positives Innenleben acht gibt. Empfehle da den einen oder anderen Programmpunkt zur Ermunterung auf sein Herz acht zu geben.
Doch es erzeugt bei ebenso vielen eine Hartherzigkeit. Habe dies aus vielen Gesprächen mit ehemaligen Jehovas Zeugen resümieren können.
Im nachhinein erschwert es ebenso eine neue geistige Heimat zu finden, denn man geht ja zu den Menschen die einen vorher abgelehnt haben.
Das ist der Sinn der Übung - innere Isolation - auch wenn man sich offen gibt und zu den Menschen hinwill zwecks Akquise.
Um Menschen zu erreichen gibt es heutzutage weitaus bessere Methoden.
Nichts besonderes. Sie stehen da und tratschen miteinander weil sonst kaum jemand mit ihnen redet.
warehouse14
Ja, leider hat sich das so eingebürgert. Normalerweise sollten sie Menschen beobachten, ob sie sich für die Themen interessieren, die gerade aktuell sind.
Dafür wird die Pionierin ausgeschlossen. 🤣
Du meinst das ist beabsichtigt? Also das sie isoliert werden durch diese Frustration?