Was ist die Pflichtethik nach Kant?

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Pflichtethik nach Kant

Ich mach's so kurz und einfach, wie möglich:

Kants kategorischen Imperativ kennst du? ("Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.") Einfach ausgedrückt: Jeder Mensch soll so handeln, wie er selbst möchte, dass auch andere handeln.

Das bedeutet für sich genommen erst mal wenig. Ein Mörder wird weiter morden können, weil er sich genau über Kants kategorischen Imperativ rechtfertigen kann: "Andere morden, also morde auch ich." Oder - streng am kategorischen Imperativ ausgerichtet - umgekehrt: "Ich morde, also dürfen auch andere gern morden."

Damit kann "Morden & Morden lassen" aus der Sicht eines Mörders gern zum allgemeinen Gesetz werden.

Das ist es jedoch nicht, was Kant beabsichtigte, als er die Aufklärung, also die Zeit der Trennung von "Vorschriften ohne Verstand und Ethik", befruchten wollte.

Also schob er die "Pflichtethik" als Fundament ein. Nun gilt: "Entscheidend ist die Ethik, die Sittlichkeit; explizit der 'gute Wille'." Denn nur der gute Wille selbst ist positiv. Alles andere - vom Denken bis hin zu den Charaktereigenschaften - kann positiv wie negativ genutzt werden. Einzig der "gute Wille" ist davon befreit: Er, und nur er allein, ist immer positiv.

So schreibt er in der "Grundlegung zur Metaphysik" ganz konkret:

Der Wille ist nicht durch das, was er bewirkt, oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zur Erreichung irgend eines vorgesetzten Zweckes, sondern allein durch das Wollen, d. i. an sich, gut, und, für sich selbst betrachtet, ohne Vergleich weit höher zu schätzen, als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja, wenn man will, der Summe der Neigungen, nur immer zu Stande gebracht werden könnte.

Damit wird der kategorische Imperativ zu etwas "rein Positivem"; denn setzt man den "guten Willen" als zwingendes Gesetz voraus, muss jede Handlung "gut gewollt" sein.

Nun ist "gut gewollt" zwar noch lange nicht "gut gemacht", doch es ist der erste - und wichtigste(!) - Schritt zu "gut gemacht", weil der gute Wille Verbesserungen automatisch WILL; anderenfalls der gute Wille ja wieder fehlen würde.

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Kommen wir mit dieser Erkenntnis auf unseren Mörder zurück: Nun kann er sich nicht mehr mit dem kategorischen Imperativ rechtfertigen. Denn sein Handeln ist nicht vom "guten Willen gut zu handeln", also der "Pflichtethik", also der "gesellschaftlichen Sittlichkeit", also dem "guten Willen, den Menschen Gutes zu tun", geleitet.

Kant widerspricht allen ihm bekannten Gottesbeweisen, aber aufgrund der für ihn alles durchdringenden Vernunft (Sapere aude ist sein fundamentales Postulat) muss es also eine höchste, auch moralisch-ethische Instanz in irgendeiner Form namens Gott geben > der Kantsche Gottesbeweis.

Deshalb ist das ständige Streben nach der Erfüllung seines ethischen Postulats (= des kategorischen Imperativs) für das alltägliche Leben nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch vernünftig, folglich eine Pflicht für jeden Menschen, daher der Begriff "Kants Pflichtethik".