Was ist der Unterschied zwischen vergeben und verzeihen?

Häufig,

lieber BrainFog,

werden die Verben verzeihen und vergeben synonym verwendet. Genau genommen, gibt es jedoch einen kleinen Unterschied.

Dazu lohnt es sich, die Begriffe wörtlich zu nehmen, denn es handelt sich um Zusammensetzungen, bei denen in beiden Verben das Präfix ver- vorangestellt ist, das für negative und schwierige Veränderungen stehen kann.

• Verzeihen - setzt sich aus ver + zeihen zusammen. Zeihen ist ein altes deutsches Verb, das "bezichtigen" oder "beschuldigen" bedeutet. Indem man jemanden eines Vergehens zeiht, klagt man ihn also an. Mit der Vorsilbe ver- kommt nun eine Veränderung hinzu, dadurch dass die Beschuldigung oder Anklage zurückgenommen wird.
• Vergeben - darin steckt das Wort geben, das in völlig anderen Zusammen-hängen auftaucht und überreichen bedeuten kann, beispielsweise "einen Preis vergeben". Hier geht es darum, dass jemandem, der einen Fehler begangen hat, Gnade gewährt wird. Tatsächlich hat vergeben einen quasi religiösen Charakter.

Nicht umsonst heißt es im wohl bekanntesten Gebet des Christentums, dem Vaterunser: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Vergeben heißt, dass jemand eine Sache getan hat und dass seine Entschuldigung angenommen wird, ohne es ihm künftig weiter vorzuhalten. Das Verhältnis ist bereinigt und besteht wie zuvor.

Verzeihen jedoch bedeutet, dass ein Verständnis für die Tat besteht. Derjenige, der sich entschuldigt und bereut, konnte nicht anders handeln oder hat es nicht so gemeint und hat eigentlich keine Schuld - daher muss ihm auch nicht vergeben werden.

Allerdings gibt es nach religiösem Verständnis durchaus Dinge, die unentschuldbar und unverzeihlich sind - und dennoch wird den Tätern vergeben. Vergeben geht also deutlich tiefer als verzeihen, zumindest nach christicher Lesart.

Wie Du siehst, lieber BrainFog, es ist für uns Menschen des 21. Jahunderts nicht einfach, die ethymologische Bedeutung der beiden Wörter nachzuvollziehen. Aus diesem Grund und vor allem, da das christliche Element in der deutschen Sprache stark nachgelassen hat, ist es einleuchtend, dass die beiden Verben mittlerweile synonym verwendet werden.

Ich sehe darin für mich doch einen Unterschied, auch wenn beide Begriffe häufig synonym verwendet werden.

Ich kann jemandem etwas verzeihen, indem ich nach Auseinandersetzung die Motivation der Handlung evtl. nachvollziehen oder Verständnis dafür aufbringen kann. Nach meinem Entschluss, zu verzeihen, kann ich loslassen und die Handlung nahezu als ungeschehen betrachten, obwohl ich es natürlich nicht vergesse. Aber es belastet mich nicht mehr und ich könnte wahrscheinlich auch weiterhin einen positiven Bezug zur Person haben und sie in meinem Leben belassen. Ab dem Punkt, an dem ich verziehen habe, fühle ich mich nicht mehr beschwert. Es ist für mich Vergangenheit und ich bin emotional damit fertig.

Wenn ich jemandem vergebe, dann muss ich all das nicht empfinden, aber ich möchte etwas (eine Last, die mich beschwert und behindert) loslassen. Es ist vor allem eine Kopfentscheidung oder ein Akt der Vernunft, da ich die Dinge nicht ungeschehen machen kann und mit Festhalten mein Leben weiter beschwere. Ich kann also unter Umständen vergeben, ohne nachvollziehen oder sogar Verständnis dafür aufbringen zu können, also ohne zu verzeihen. Die Handlung ist ebenfalls danach nicht vergessen und sie wiegt unter Umständen weiter schwer, Aber ich habe mich dann entschieden, einen Punkt zu setzen.

Nichts. Das sind zwei synonyme. Wie denken & grübeln