Was ist der Unterschied zwischen Strategisch und taktisch im Schach?

5 Antworten

Wirklich? Benutzte der Schachtrainer wirklich den Begriff „Strategisch“? Eine Strategie wäre ein längerfristiger Plan. Taktik wäre kurzfristige Planung, um der Umsetzung der Strategie näher zu kommen. 

Beispiel: Man befindet sich im Endspiel und hat noch einen Bauern. Der Gegner hat nur noch seinen König. Die Strategie wäre, den Bauern zunächst in eine Dame umzuwandeln, dann den gegnerischer König an den Rand zu treiben und ihn schließlich Matt zu setzen. Die taktische Ausführung besteht in der Regel darin, zunächst den eigenen König vor den Bauern zu bringen, um den gegnerischen König vom Weg des eigenen Bauern abzudrängen usw. – du weißt sicher, wie man das macht. 

Die Strategie findet im Kopf statt, die taktische Umsetzung auf dem Schachbrett. Es gibt allerdings auch ein sogenanntes positionelles Spiel, welches ebenfalls auf dem Brett sichtbar ist. Es ist nicht wirklich dasselbe wie eine Strategie, aber auch kein taktischer Zug. Beispiele für positionelle Züge wären normale Entwicklungszüge (Gambits nicht eingeschlossen – sie sind eher taktischer Natur), Züge, welche die eigene Bauernstruktur verbessern, die gegenseitige Deckung der eigenen Figuren verbessern, die Harmonie zwischen den eigenen Figuren erhöhen usw. Dies könnte mit einschließen, den eigenen König nach der kurzen Rochade vorsorglich ganz in die Ecke zu stellen, weil man ins Auge gefasst hat, seinen f-Bauern irgendwann vorzustoßen und man nicht riskieren möchte, dass man daraufhin ein Schachgebot durch Läufer oder Dame erhält und erstmal das Schach parieren muss, bevor man mit dem eigentlichen Plan weitermachen kann. Positionelle Züge stellen keine unmittelbaren Drohungen dar. Sie lassen dem Gegner relativ viel Spielraum dahingehend, wie er reagieren kann. 

Taktische Züge wären Mattkombinationen, jegliche Drohungen, Gabeln, Spieße usw. Die Zahl vernünftiger Erwiderungen auf „Taktik“ ist sehr begrenzt. Die Züge des Gegnern werden durch Taktik mehr oder weniger forciert bzw. erzwungen. 

Großmeister bevorzugen nicht zwangsläufig das Strategische. Ex-Weltmeister Tal zum Beispiel liebte Taktik – je mehr Chaos auf dem Schachbrett, umso besser für ihn. Großmeister sind normalerweise sowohl in Taktik als auch in positionellem Spiel versiert. Sie MÜSSEN auf positionelles Spiel achten, da ihre Gegner (wenn diese ebenfalls Großmeister sind) positionelle Schwächen sofort (durch Taktik) ausnutzen bzw. bestrafen würden. 

Noch ein Nachwort zu „Strategie“. Es erinnert an feste, längerfristige Pläne. Im Allgemeinen, speziell in der Eröffnung und im Mittelspiel trifft man diese nicht auf Meister- und Großmeister-Stufe an. Wie ich das mitbekommen habe, ist es sogar verpönt. IMs und GMs sprechen von einem sogenannten „Tunnelblick“ – das Festhalten an einem Plan, obwohl die tatsächliche Situation auf den Brett sich so geändert hat, dass viel bessere Lösungen möglich geworden sind. Der Begriff „positionelles Spiel“ ist im Schach weit gängiger und wahrscheinlich auch das, was dein Schachtrainer meinte.


Tamtamy  11.09.2021, 07:24

Informativer Beitrag!

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DetlefRuchatz  13.09.2021, 11:14

Kleine Korrektur. Mir war die unterschiedliche Bedeutung der Begriffe „Strategisch“ (Adjektiv), und „Strategie“ (Substantiv), nicht voll bewusst. „Strategisch“ (nicht Strategie!) ist ein korrekter Begriff, um positionelles Spiel zu beschreiben. Auf deutschsprachigen YouTube-Schachkanälen wird er auch in diesem Sinne verwendet. Dein Schachtrainer bediente sich korrekter Wortwahl. 

Eine weitere brauchbare Antwort auf deine Frage wäre der Kommentar von Pantauals unter der Antwort von Andrastor. Meinen Dank an jeden Kommentar, der mich veranlasste, diese Sache noch einmal gründlich abzuklären. 

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Das sind Begriffe, die aus der Theorie der Kriegsführung stammen.
"Strategie" ist sozusagen der übergeordnete Plan, die "Taktik" das Handeln in konkreten (Kampf-)Situationen.

Das sogenannte "positionelle Spiel" fällt unter Strategie. Gemeint ist damit, dass sehr viel Sorgfalt auf den Aufbau des Spiels gelegt wird. Die Figuren werden möglichst gut 'entwickelt', also so in Position gebracht, dass sie möglichst effektiv eingesetzt sind und sich Stück für Stück ihre Kraft entfaltet durch ihr optimales Zusammenwirken.

'Taktik' findet dann mehr auf der (sag ich jetzt mal) 'Trick-Ebene' statt, z.B. ein Figurenopfer, das in einer konkreten Spielsituation Vorteile bringen kann.

Eine Strategie ist eine Idee wie man auf lange Sicht vorgeht. Eine Taktik ist praktisch dasselbe, nur kurzfristig.

Sprich eine Person die im Schach taktisch denkt, denkst 1-2 Züge voraus und passt sich immer der aktuellen Situation am Spielfeld an.

Eine Person die Strategisch denkt, weiß bereits vom ersten Zug an wie sie gewinnen wird, denkt 3-5 Züge und mehr voraus und versucht das Spielgeschehen so zu lenken, dass dieser Plan aufgeht.


DetlefRuchatz  11.09.2021, 01:26

Das stimmt nicht ganz. Großmeister Daniel Naroditsky erklärt in seinen Speedruns sehr genau, warum er jeden seiner Züge macht. Er weiß nicht vom ersten Zug an, wie er gewinnt – nicht einmal bei sehr schwachen Gegnern –, sondern betonte wiederholt oft bis in die späte Eröffnungsphase, dass er bestimmte Züge macht, um sich verschiedene Optionen offen zu halten, abhängig davon, was der Gegner zieht. 

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Andrastor  11.09.2021, 10:19
@DetlefRuchatz

Ich habe hier die Unterschiede zwischen Strategie und Taktik erklärt, mehr nicht.

Was diese Person macht oder nicht macht, hat mir der Definition dieser Worte nichts zu tun.

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DetlefRuchatz  11.09.2021, 10:23
@Andrastor

Mein Kommentar bezog sich auf deine Aussage „Eine Person die strategisch denkt, weiß bereits vom ersten Zug an wie sie gewinnen wird ...“ Sie ist eindeutig falsch. Niemand weiß vom ersten Zug an, wie er gewinnen wird. Normalerweise weiß man nicht einmal, ob man überhaupt gewinnen wird. Deshalb wird ja gespielt – um es herauszufinden.

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Andrastor  11.09.2021, 10:27
@DetlefRuchatz

Da hast du dann etwas falsch verstanden. Eine Strategie ist eben der Plan auf eine derart lange Sicht. Klar, man kann die Strategie ändern, aber im Normalfall gehört dazu bereits ein roter Faden der sich durch die ganze Partie zieht.

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Pantauals  11.09.2021, 20:38
@Andrastor

Nein, da hast DU etwas falsch verstanden: Die Strategie entscheidet (ganz allgemein betrachtet) die Fragen "Was?", "Wo?" und "Wann", die Taktik hingegen das "Wie". Im Schach ist der Unterschied sehr einfach und auch scharf: Taktik ist im Schach immer all das, was forciert ist. Also sog. "Kombinationen", welche aus ein oder mehreren Elementen der Elementartaktik zusammengesetzt sind ("Spieß", "Gabel", "Abzug", "Fesselung" usw.). Strategische Züge hingegen haben eine viel weniger konkrete Idee, und müssen auch gar keinen langfristigen Plan verfolgen. Dies wird von vielen Meisterspielern ohnehin als absurd verworfen. Ein Strategischer Zug hat z.B. die Idee, die Springer des Gegners einzuschränken. Oder die Bauernstruktur so zu ändern, dass diese im Endspiel vorteilhafter ist. Oder einen potentiellen Angriff des Gegners auf dessen starken Flügel zu verlangsamen, damit ich mit meinem geplanten Angriff auf dem anderen mehr Zeit habe. Falls der Gegner gar nicht auf seinem starken Flügel angreifen sollte, - um so besser. Die Konzepte hinter strategischen Zügen haben daher absolut nichts damit zu tun, viel mehr Züge im Voraus zu denken o.Ä. Es ist etwas völlig anderes.

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In der Strategie erkennst du z. B., dass du auf der Damenseite stärker bist und du entscheidest dich, auf diesen Vorteil zu setzen.

Die Taktik sagt, wie du dieses Ziel in den nächsten paar Zügen angehen willst.

Mittelgute Schachspieler spielen oft mit guter Taktik, ziehen aber drei Figuren auf der Damenseite und dann eine auf der Königsseite, weil sie da eine gute Idee haben. Das Problem ist, dass du beim Zug auf der Königsseite Tempo auf der Damenseite verlierst, so dass dein Versuch, auf der Damenseite Überhand zu gewinnen, scheitert.