Was aß man im 19. Jahrhundert vorallem zur Hungersnot Zeit?

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Die Küchen des 19. Jahrhunderts waren recht regional, allerdings bildeten die Basis (in Deutschland) vor allem:

  • Kartoffeln
  • Brot (v.a. Roggen- und Mischbrote)
  • Hafer- oder Gerstengrütze
  • Kohl (v.a. Weißkohl)
  • Steckrüben, Möhren, Pastinaken und anderes Wurzelgemüse
  • Blattgemüse wie Borretsch oder Sauerampfer
  • Zwiebeln
  • In Küstengebieten: Hering
  • Wenn Fleisch, dann meist gepökelt
  • Sofern verfügbar und eher auf dem Land: Butter oder Käse

Alles darüber hinaus war Luxus, den sich nur Wohlhabende leisten konnten.


Skiller4Ever 
Beitragsersteller
 08.01.2017, 19:04

Wow, vielen Dank für deine gute, ausfürhliche und schön Formatierte Antwort. Abgesehen vom 19. Jahrhundert wie ist es denn heute? So eine Art vergleich aufstellen. Könntest du mir da helfen?

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Llandyl  08.01.2017, 19:28
@Skiller4Ever

Wie meinst du Vergleich zu heute? Eine Liste aller Lebensmittel, die es heutzutage gibt würde wohl den Rahmen sprengen...

Heutzutage kann sich vor allem jeder jeden Tag und zu jeder Mahlzeit (frisches) Fleisch leisten, Milch und Milchprodukte gibt es so viel, dass die Preise so niedrig sind, dass da ohne Subventionen keiner mehr dran verdient, es gibt alle erdenkbaren lokalen und exotischen Gemüse- und Obstsorten zu allen Jahreszeiten, Fisch und Meeresfrüchte auch im Binnenland und nur noch einige Spezialitäten werden zum Konservieren gepökelt, eingesalzen, eingekocht oder sauer eingelegt. Außerdem muss hierzulande keiner mehr Angst haben, wegen Missernten oder Wirtschaftskrisen zu hungern.

Hauptentwicklungen, die dazu beigetragen haben, sind die Erfindung von Mineraldünger, mechanisierte Agrartechnik, Gefrier- und Kühltechnik (zunächst nur industriell, für Privathaushalte erschwinglich ab den 1950ern), moderne Transportmöglichkeiten (LKWs, Containerschiffe, Flugzeuge) und in diesem Zusammenhang v.a. der globale Handel, ermöglicht zunächst durch Frieden und Kooperation in Europa nach mehreren kleineren und dann zwei Weltkriegen und heutzutage durch die Globalisierung.

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Llandyl  08.01.2017, 19:40
@Llandyl

In Entwicklungsländern sieht das natürlich anders aus...

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Als Kind habe ich meine Oma (1888-1967) nach 'Notzeitrezepten' gefragt. Nun ist es so, dass Notzeit unterschiedlich aussieht, je nachdem, ob man in Groß- oder Kleinstädten lebt und wie nah das landwirtschaftlich geprägte Umland ist. In einem Haus mit Garten kann man sich immer helfen. Meine Oma hatte Hühner, einen großen Garten und sie kannte sich gut mit Pilzen aus. Das habe ich alles von ihr gelernt.

Rinderknochen wurden ausgekocht und ergaben eine gute Brühe; in Notzeiten wurde sie aber bis zu siebenmal ausgekocht, so dass auch das letzte Fitzelchen an 'Kraft' rauskam. Anschließend kamen die Knochen in den Hühneerstall, wo die auch noch daran herumpickten. Und danach in den Garten als Dünger - so finde ich heute noch 'Knochen von meiner Oma'-

Meine Oma schälte Äpfel, aus den Apfelschalen wurde mit 1 stückchen Zimtstange Apfelschalentee gemacht: Sehr mineralstoffhaltig!

Sauerkraut wurde selbst hergestellt, das kann man als Überlebensessen werten, da die lebenden Milchsäurebakterien den ganzen Menschen am Funktionieren halten. Ja, und es schadet nicht, sich mit Wildkräutern auszukennen - das ist so gesund, dass sich viele Krankheiten gar nicht erst bilden können - zumindest keine Überernährungskrankheiten wie Diabetes.

In Großstädten mag ich mir die Not beim Essen gar nicht vorstellen - da kommt es wohl schnell zur Revolution, weil großer Mangel entsteht, wenn man nicht sogar auf dem Balkon Gemüse und Kartoffeln anbaut (Kartoffelkiste, sogar in Eimern kann man Kartoffeln züchten.)

Ein guter Ansatz ist, aus Resten etwas zu machen. Hier gibt es praktikable und pfiffige Tipps dazu: www.smarticular.net/?s=reste+essen&x=0&y=0. In einem Beitrag wurde sogar aus Kartoffel- und Möhrenschalen etwas Leckeres gemacht.

Wenn es eng wird (mit dem Budget am Monatsende) greife ich gern auf Gerstengraupen zurück. Gerste wärmt und ist sehr wertvoll an Mineralien. Als Reisersatz als Beilage ist sie unschlagbar, in Suppe mit Gemüse und was übri gbleibt, mische ich mit Ei, Gewürzen, geraspeltem Gemüse und Käse und mache meine Bratlinge, die ein klasse Snack für zwischendurch oder Abendessenersatz sein können. 

Eine wirkliche Notzeit ist hart und nur der Fantasievollste schafft es zu überleben. Ich habe mal von einem Freund meiner Eltern gehört, der in der Notzeit um den Ersten Weltkrieg herum in Berlin auf dem Grab seiner Eltern Kartoffeln pflanzte, um zu überleben.


Naiver  23.02.2021, 21:33

Grandioses Wissen, toll zu lesen! :- )

Man möge sich nur einmal vorstellen, was hier in Städten los wäre, wenn Elektrizität oder der Verkehr ausfiele (ganz zu schweigen vom Ausfall der Wasserwerke)... Na ja, dem Wort "Revolution" gehen aber noch etliche Vorstufen von randalierenden bis zu mörderischen Zeitgenossen voraus: Hunger kann auch ausgesprochen hemmungslos dem Nachbarn oder Mitmenschen gegenüber machen.

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Spielwiesen  23.02.2021, 22:31
@Naiver

Ja, das stimmt.

Meine Oma hat überliefert, dass bei richtger Not, wenn es um ALLES geht, selbst der netteste Nachbar nur noch an sich und evtl. die Seinen denkt. Da werden auch Gärten geplündert (besser man hat einen Balkongarten und eine Sprossenzucht in der Küche - auf Hängeregalen!)

Und fehlt der Strom, läuft auch kein Wasser mehr. Also viele Behälter sammeln, Liste von Quellen in der Nähe machen UND Handwagen haben, evtl. zum Ankoppeln ans Fahrrad!

Das sind alles so Sachen.... !

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Ich schätze mal Fleisch, Kartoffeln und regionales Obst und Gemüse, sowie viel Brot aus Weizen

In einer Hungersnot erinnern sich die Menschen immer an Mutter Natur. Da wurde Brennnesselsuppe mit Pilzen zu einem Festmal. Ansonsten wurde alles gegessen, was über den Zaun hing und was nicht schnell genug auf dem Dach war.