Warum wird die Redewendung "auf gut Deutsch" fast immer falsch angewandt?

7 Antworten

Man "entschuldigt" sich zwar formal für die folgenden Worte, will sie aber dennoch so sagen (die meisten sind tatsächlich so dumm, dass sie keine besseren Worte kenne) und suggeriert gleichzeitig, dass es die anderen Deutschen (als Bestätigung) ja auch so sagen; man solidarisiert sich also zur Rückendeckung.

Ungeachtet der hier schon erarbeiteten respektablen kommunikationspsychlogischen Deutungen wäre die Bezeichnung "Schlechtdeutsch" in phonetischer Hinsicht ja ein Zungenknüppler. Deshalb empfehle ich, "schlechtes Deutsch" künftig einfach "GF-Deutsch" zu nennen. Das kennt inzwischen jeder von uns und gleitet locker über die Zunge.

Antwortversuch: diese Erscheinung nennt sich "Euphemismus", d.h. etwas Negatives verbrämen, so dass es besser klingt, schönreden. Beispiele dafür sind: "abberufen werden", "dahinscheiden" usw. für "sterben", "freisetzen" für "entlassen", "peanuts" für Schulden bei Kleingläubigern..... Dann hieße also hier "auf gut Deutsch" eigentlich: "jetzt nehm ich mir mal kein Blatt mehr vor den Mund" oder "jetzt wirds grob, aber ehrlich".

Da gab es mal so ne Zeitschrift, die hieß so und die wirkte an einem ganz schlechten Deutschland mit. Ich kann mir gut vorstellen, dass da was hängen geblieben ist im "gesunden" Volksbewusstsein. Dieses "gesunde" Denken hat leider auf ganz ungesunden Wegen das "1000-jährige Reich" überlebt und danach seltsame Blüten getrieben - ich, als wirklich spätgeborener, habe noch 1970 im Sportunterricht militärisch marschieren dürfen und noch 1980 hat mir ein Capo einen handwerklichen Fehler als "Jud" bezeichnet. Den damals erfundenen "Halbjuden" gibt es heute noch und "auf gut Deutsch" offenbar ebenfalls.

Zur Zeitschrift "auf gut Deutsch": http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/antisemitismus/wochenschrift/index.html

Hier ein sehr schöner Artikel, der sich deiner Frage ausführlich widmet:

http://shajkovci.net/node/8

"Auf gut Deutsch" von Shajkovci am 22. Mai 2011

Anrisstext: "Die gebräuchliche, allzu gebräuchliche Parenthese „auf gut Deutsch“ oder auch „auf gut Deutsch gesagt“ leitet, obwohl sie – isoliert betrachtet – auf einen Euphemismus schließen lässt, eben keinen solchen ein, sondern einen Dysphemismus. „Parenthese? Euphemismus? Dysphemismus? Und was haben eigentlich diese Striche im Satz zu suchen?“ würde sich nun ein „Auf-gut-Deutsch“-Verwender fragen und lautstark zu dem Resultat „Das versteht – auf gut Deutsch gesagt – kein Schwein!“ kommen."