Warum werden seit Kant Recht und Moral begrifflich getrennt?
5 Antworten
Kant unterscheidet zwischen Moral und Legal.
Moral: Eine Reaktion/Handeln wird durch einen Pflichtcharakter ausgelöst. Die Situation bringt den Akteur in eine verpflichtende Abfolge
Legal/Recht: Eine Reaktion/Handeln wird durch das Befolgen des geschriebenen Wortes ausgelöst. Das Recht bringt den Akteur in eine logische Abfolge.
Kant meint damit, dass das Befolgen des geschriebenen Wortes dazu führt, dass Handlungsfolgen unterbrochen werden. Bei moralischer Handlung folgt auf einen Pflichtcharakter der nächste Pflichtcharakter.
Daher müsse Recht und Moral getrennt werden weil Recht eine Frieden stiftende Aufgabe hat und Moral eine gerechtigkeitsstiftende Aufgabe. Gerechtigkeit führt aber nicht immer zum Frieden.
Der deutsche Staat hält sich z. B. viel stärker an Kants Regel als die USA. Die Todesstrafe hat einen Gerechtigkeitsauftrag aber keinen Frieden stiftenden Auftrag.
Das deutsche Recht ist nicht auf Gerechtigkeit ausgerichtet sondern auf Frieden stiftend.
Eine Strafe hat noch nie zu Frieden geführt. Während der Verbrennungen auf dem Scheiterhaufen haben die meisten Taschendiebe gearbeitet.
In den USA sieht man, dass harte Strafen nicht zu Frieden führt und die Todesstrafe schon mal gar nicht.
Diese Entkoppelung von innerem und äußerem Gewissen ist wie die der Goldreserve vom Geldumlauf, bloß schlimmer: denn das Gold hat seinen Wert behalten, und nur das Geld verliert ihn durch immer ungezügelteren Umlauf; während Moral und Recht durch ihre Trennung beide auf der Strecke geblieben sind: 80 000 Gesetze für jeden Unternehmer, aber nur 10 Gebote für die ganze Menschheit: über diese lacht man, über jene schüttelt man den Kopf. Aber nicht ganz, denn durch die Hintertür kommt die Moral wieder herein, indem auch das Gesetz "Recht und Billigkeit" zugestehen muß, oder das Ortsübliche, Zumutbare oder die Zahlungsmoral beschwört. Denn ohne Moral kann eine Gesellschaft nicht leben, schon weil sie eher übles Verhalten verhindert, als das Gesetz, das es bloß hinterdrein verfolgen und vergelten kann. Zudem ist das Gesetz zumeist nicht zur Stelle (daher auch die Notwehr eingeräumt wird), oder schon wieder abgeschafft, oder anders ausgelegt, was den Streit noch vermehrt, den die Moral aber stillt: denn was gerecht ist, fühlt zuletzt auch ein Übeltäter!
Der Grund der Trennung aber liegt in der multifunktionalen Gesellschaft, die nicht in persönlich- und überschaubaren Sippenverbänden besteht wie die archaischen Gesellschaften, sondern in bloßen abstrakten Kommunikationsabläufen, daher komplexer ist und je eigene Regelungen für jedes ihrer Systeme bedarf (Globalisierung), die über das engere moralische Empfinden freilich weit hinaus liegen. Niklas Luhmann hat Dies in seiner "Rechtssoziologie" äußerst anschaulich dargestellt. Sehr zu empfehlen!
"Recht ist nicht gleich Gerechtigkeit" lernt man im ersten Semester des Jurastudiums
Es gibt Dinge, die nach geltendem Recht in einem Land zwar juristisch erlaubt sind - z.B. die Bestrafung von Dieben durch Abhacken der Hände - aber nach dem moralischen Empfinden verwerflich sind.
Wenn ein mutmaßlicher Mörder vor Gericht freigesprochen wird, empfindet man das als moralisch ungerecht, es entspricht aber dem geschriebenen Recht.
So ergibt sich ganz von selbst eine Diskrepanz zwischen dem Gefühl der moralischen Gerechtigkeit und der praktizierten Rechtsprechung der Justiz.
"Ein hungriger Obdachloser stiehlt einen Leib Brot und wird dafür angezeigt/verurteilt"
Das ist gerecht aber moralisch sicher fragwürdig. An diesem einfachen Beispiel sieht man, dass Moral und Recht nicht unbedingt das gleiche sind.
Nein, das ist nicht in jedem Land gerecht. In armen Ländern kann der Obdachlose nichts dafür, daß Politik falsch betrieben wird, Korruption herrscht und keine Gelder da sind bzw. in falsche Kanäle fließt, darum könnte man es auch so sehen, daß der Obdachlose quasi genötigt wird und stehlen muß, um zu überleben. Wenn ihm nicht geholfen wird, muß er sich selber helfen.
Die semantische Ungleichheit der Begriffe Moral und Recht gibt es schon länger als Immanuel Kants Philosophie.
Alles gibt es schon länger als Kant. Selbst Affen verhalten sich moralisch und z. B. auch an die 10 Gebote. (zumindest wenn sie weiterhin in der Affengruppe bleiben wollen)
"Das deutsche Recht ist nicht auf Gerechtigkeit ausgerichtet sondern auf Frieden stiftend."
Was jedoch irgendwie hinfällig ist, denn wo nicht angemessen bestraft wird, wächst u.U. Wut, Hass und Rachegfühl, das wiederum nicht zu Frieden führt (da ja auch keine harte Strafe erwartet wird).