Warum werden Ausbildungsberufe eigentlich immer unbeliebter?
6 Antworten
Es liegt sicherlich auch am geringeren Sozialprestige und daran, dass die Eltern oftmals das Abitur wünschen: Viele Eltern projizieren ihre Träume auf das Kind und möchten, dass der Nachwuchs das macht, was man selber nicht machen konnte/durfte.
Die meisten Versäumnisse liegen aus meiner Sicht aber im dualen Ausbildungssystem, das oft genug auf dem Stand von vor 20-30 Jahren verblieben ist. Hier müsste man auch von politischer Seite her dringend nachbessern und es der "neuen Zeit" anpassen. Exakt genau deswegen sind so viele Stellen frei -----> das Ausbildungswesen an sich auch im Kaufmännischen erscheint vielen unattraktiv, sodass man gleich studiert.
Und solange irgendein Land-Handwerkskammer-Mensch sich weiterhin irgendwo hinstellt und im Brustton der Überzeugung die duale Ausbildung (sowie sich selbst) trotz aller ihm sicher auch bekannten Missstände in den Himmel lobt und die Jugend per se lächerlich macht, was ein Pressevertreter zu notieren hat und von den Leuten am Morgen danach in der Zeitung gelesen wird, wird sich da nix ändern. Ich habe mehrfach schon solche Situationen erlebt und dachte mir - man sollte es eigentlich nicht für möglich halten. Einmal ca. 2018 war es besonders schlimm mit so einem 70-Jährigen von der IHK, der da wohl ehrenhalber Präsident oder so etwas gewesen ist. Der Mann erweckte den Eindruck, in seiner eigenen Vergangenheit und im Handwerksbereich von vor 40-50 Jahren zuhause zu sein; dem würde ich es ohne Weiteres zutrauen, dass er sich darüber beklagt, dass Auszubildende nicht mehr verprügelt werden dürfen.
Solange solche Leute für das Handwerk bzw. die Industrie stehen und die Jugend belächeln oder sogar treten statt sie zu fördern, wird sich auch nichts ändern. Kein junger Mensch geht freiwillig - wenn er es nicht muss - in ein Berufsfeld, wo er sich vom ersten Tag nicht akzeptiert und subtil als dilettantischer Taugenichts deklariert sowie abgelehnt fühlt. Das hat nix mit verwöhnten Kiddies zu tun, sondern ist die Wahrheit.
Dem "Fachkräftemangel" wäre meiner Ansicht nach erst dann Einhalt zu gebieten, wenn man das duale Ausbildungssystem etwas modernisiert und gleichsam die Ausbildungsbetriebe ihre Anforderungen etwas herunterschrauben würden und nicht nur Topschülern mit einem utopischen Wunsch-Durchschnitt, sondern mal über den Schatten springen und auch weniger guten, aber fähigen und top motivierten Leuten eine Chance geben würde.
Dass die Firmen niemanden finden hängt auch an zu hohen Anforderungen, aber die "Jugend von heute" ist aus meiner Sicht besser als ihr Ruf. Ein Personaler, mit dem ich an meiner alten Arbeitsstelle bis 2019 gelegentlich zu tun hatte (Volksbank) meinte mal zu mir: Jeder muss bei der Stellensuche/-vergabe Kompromisse eingehen, und solange es passt sind beide Seiten zufrieden. So sehe ich das auch, aber erklär' das mal einem Altgedienten, der in einer Handwerksidylle von vor 40-50-60 Jahren zuhause ist und neues Zeug für "Sch...dreck" hält - auch das sollte man nicht für möglich halten, aber ich habe so etwas mehr wie einmal erlebt. Wie gesagt, das ist alles hausgemacht!
Viele Personaler und Firmen leben in einer Berufswelt, in der die 90er scheinbar nie aufgehört haben und der "Stift" ein unterbezahlter Larry ist, der irgendwelche fragwürdigen und mit dem zu vermittelnden Inhalt an sich nicht im Zusammenhang stehenden Jobs machen muss, die sonst keiner verrichten will, als Freiwild für üble Beleidigungen fungiert, nicht ernstgenommen wird und mit dem typischen, in vielerlei Variationen so oder so ähnlich gebräuchlichen Spruch "na ja, Lehrjahre sind keine Herrenjahre und ich würde vor 45 Jahren von meinem Lehrherrn grün und blau verprügelt und von meinem versoffenen Vater daheim erst recht, nun motz' mal nicht, du weißt gar nicht, wie gut es dir geht" bitter lächelnd abgefertigt wird, wenn er mal sagt, was er denkt ------> das wollen die Jugendlichen halt nicht mit sich machen lassen, ich selbst wüsste auch nicht, ob ich das wollen würde, wäre ich davor mir eine Lehrstelle zu suchen. Tut mir leid, aber ich (gelernter Industriekaufmann - Lehrzeit war okay) kann die Kiddies verstehen.
Davon höre ich zum ersten Mal!
Natürlich wollen viel gerne studieren, bei vielen bleibt es beim Versuch. Dann suchen sie eine Ausbildung.
Wer wegen Schulabschluss nicht studieren kann, wird sich ebenso eine Ausbildung suchen.
Gleichwohl ist es so, dass im Handwerk Azubis gesucht werden. Aber "Handwerk" hat leider unberechtigterweise nicht den guten Ruf, den es haben sollte.
Kommt drauf an, aber werden sie eigentlich nicht.
Das einzige, was mir in den Sinn käme wäre etwas, das eine Freundin von mir mal gesagt hat 'Ich hab Abitur, deswegen studiere ich auch'.
Eine Ausbildung wird halt teilweise als 'geringwertiger' als ein Studium angesehen, was allerdings nur in Teilen wirklich stimmt und oftmals kann auch eine Ausbildung ein Trittbrett zum Studium sein...
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein Studium IN EINEM BEREICH einer Ausbildung im selben Bereich natürlich vorzuziehen ist. Dennoch studieren viele Abiturienten (und es gibt ja auch immer mehr Abiturienten) lieber IRGENDWAS an der Uni, einfach um des Studierens Willen, anstatt sich Gedanken über eine Ausbildung zu machen.
Ob man mit Slavistik und Musikwissenschaften nun mehr Jobchancen hat als z.B. mit einer Ausbildung beim Finanzamt, wo man mit Steuerrecht zu tun hat, was halt eben durchweg nachgefragt ist, wage ich zu bezweifeln. Wegen sowas ist aber eine Freundschaft auseinander gegangen, weil ich halt 'nur' an einer FH studiere, während eine Freundin von mir an einer 'echten Uni' ist.
"unbeliebt" ist vielleicht nicht das richtige Wort - es ist eher so, daß die Nachfrage nach Ausbildungsstellen zurückgegangen ist, weil sich die berufliche Orientierung durch falsche Politik zu einem Studium hin verschoben hat.
Unter der Rot-Grünen-Regierung (1998-2005) verstärkte sich die Erkenntnis, daß Deutschland, im Verhältnis zu anderen Staaten, eine recht geringe Studierendenzahl hat (das liegt überwiegend darin begründet, daß es ein duales Berufsausbildungssystem, wie in Deutschland, in nur wenigen Ländern gibt) - daraufhin meinte man, man müsste das Studium forcieren. Man schwenkte um, redete den Bürgern ein, daß nur das Abitur einen Menschen ausmacht und man studieren müsste. Diese Politik war durchaus "erfolgreich" - man machte den Eltern durch Horroszenarien Angst - jetzt gab es kein Halten mehr für die Eltern - schon bei der Zeugung wird das Abitur und das Studium geplant - Anschließend gab es dann die Bologna-Reform, die das Studium zu einer Art "Schulbesuch für Erwachsene" umfunktionierte und das Niveau, sowohl des Abiturs als auch des Studiums, wurde erheblich gesenkt (Ausnahmen: Jura, Medizin, Lehramt).
Die Folge war, daß immer mehr unqualifizierte junge Menschen in den Hörsälen herumlungern und das Abitur sowie die Hochschulabschlüsse entwertet werden. Gleichzeitig werden die unteren und mittleren Schulabschlüsse aus dem Ausbildungsmarkt herausgedrängt.
Gleichzeitig gibt es eine Statistik der OECD, die viele deutsche Familien als Bildungsabsteiger auswies.
Beispiel:
Vater ist Professor an einer Hochschule - Verdienst: 5.000 €
Sohn lernt Schreiner und macht sich später als Meister selbständig: Einkommen 15.000 €
OECD = Bildungsverlierer weil aus einer akademischen Familie in der nächsten Generation eine Handwerkerfamilie wurde
Absurd!!!
Also setzte man alles daran, den umgekehrten Weg einzuschlagen, um in der Statistik als Bildungsgewinner dazustehen.
Daß man auf dem Holzweg war, erkannte man vor einigen Jahren - nun hatte man grundsätzlich eine recht gute Idee: das duale Studium - betriebliche Ausbildung kombiniert mit einem Studium - wenn das Niveau des Studiums noch angehoben werden würde, und der Zugang nur den wirklich qualifizierten jungen Menschen gewährt würde, wäre es ein Gewinn für die Gesellschaft.
Einige schlagen inzwischen auch den Weg ein: zuerst eine Berufsausbildung und dann ein einschlägiges Studium - auch das ist durchaus positiv und erhöht die Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Das betriebliche duale Ausbildungssysten (betriebliche und schulische Ausbildung) hat sich bewährt - andere Länder nehmen es sich zum Beispiel, um es einzuführen.
In immer mehr Ausbildungsberufen wird die Ausbildung im Laufe der 3 Jahre spezialisiert - im kaufmännischen Bereich ist das noch ungenügend umgesetzt.
Die gute Absicht wird aber durch eine pädagogische Modeerscheinung ad absurdum geführt:
Vermittlung von Kompetenzen statt Vermittlung von (Fach-Wissen)
Also nicht mehr das Wissen steht im Vordergrund, sondern es wird alles in einzelne Kompetenzen seziert - das ist auch im Schulsystem inzwischen so.
Die Folge ist, daß sich eine Kompetenz, die nicht auf dem Lehrplan steht, wie eine Seuche verbreitet - die
- Inkompetenzkompensationskompetenz
Die Impfung dagegen wäre "Wissensvermittlung".
Das Ausbildungsniveau ist grundsätzlich hoch - das, was heute ein Auszubildender in der Theorie können muß, war vor 100 Jahren in vielen Berufen noch Hochschulabsolventen vorbehalten - das führt dazu, daß jeder, der eine berufliche Ausbildung erfolgreich absolviert hat, auch eine Fachkraft ist - der Fachkräftemangel existiert weitgehend nicht (in einigen Branchen ist das aber durchaus der Fall) - es liegt auch daran, daß die Unternehmen in der Vergangenheit nicht in ausreichender Zahl ausgebildet haben.
Hauptsächlich liegt das in dem Irrtum begründet, daß Ausbildung zu teuer ist - das ist gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht der Fall - der Azubi erwirtschaftet ja auch etwas - und das wird nicht gegengerechnet!!!
Viele Unternehmen würden ausbilden, wenn sie einen Ausbilder hätten - in der Vergangenheit war die Pflicht der Ausbildereignerprüfung für 8 Jahre ausgesetzt worden - es gab keine nennenswerten Probleme und viele zusätzliche Ausbildungsstellen - anstatt das endlich aufzugeben, hat man es wieder aufleben lassen, wobei es im Grunde nur noch um "arbeitspädagogische" Methoden und Maßnahmen geht - die tatsächlichen Fachkenntnisse, stehen nicht mehr im Vordergrund; zumal Freiberufler (Steuerberater, Rechtsanwälte, Ärzte etc.) keine Ausbildungseignerprüfung benötigen, wenn sie ausbilden wollen - das gilt eben nur für den gewerblichen Bereich - vor 60 oder 70 Jahren war das ggf. angemessen oder notwendig, um die Azubis (damals: Lehrlinge) zu schützen - heute ist das überflüssig.
Manche Ausbildungsbetriebe stellen aber auch überzogene Anforderungen an die Bewerber - auch muß eine Berufsausbildung allen jungen Menschen zugänglich sein - nicht nur Abiturienten - der Schulabschluß ist nicht das Entscheidende - das Entscheidende ist die gute Ausbildung im Unternehmen - jeder junge Mensch kann zu einem angemessenen Berusabschluß begleitet werden, wenn er Interesse, Neigungen und Lernbereitschaft mitbringt.
Die IHK und die Handwerkskammern kommen zudem ihrer Aufgabe der Überwachung der Ausbildung nur ungenügend nach - Unternehmen, die Azubis als billige Arbeitskräfte mißbrauchen, muß die Ausbidungsbefugnis entzogen werden - dazu sind mehr Kontrollen nötig.
Gleichzeitig muß auch die Anzahl der Berufsausbildungsberufe erheblich abgesenkt werden (z. Zt. ca. 330) - das ist völlig überzogen - viele kann man per Modulsystem zusammenfassen.
Fazit
Wir brauchen wieder eine Trendwende hin zur beruflichen Ausbildung - das Studium sollte wirklich nur denjenigen zur Verfügung stehen, die objektiv geeignet sind - daher müssen wieder in allen Studiengängen spezielle Zulassungsvoraussetzungen eingeführt werden.
Das ist eine gute Frage.
Ich denke, weil man weniger verdient wie mit einem Studium...das Leben wird aber immer teurer.
Außerdem ist es irgendwie ein ,,Trend,, geworden ein Studium zu machen. Dabei ist ein guter Beruf so viel mehr Wert und man braucht in jedem Bereich einfach gute Fachkräfte.