Warum stinkt Buttersäure so sehr?

1 Antwort

Die Frage ist IMHO falsch formuliert. Nicht die Buttersäure stinkt, sondern die Ge­ruchs­­rezeptoren in der Nasenschleimhaut können sie auch in kleinen Mengen de­tek­tieren, und das Gehirn erzeugt bei der Signalverarbeitung das zusätzliche Attribut „un­ange­nehm“. Der Gestank stammt also aus unserem Gehirn, nicht wirklich aus dem Butter­säuremolekül.

Dieses Umformulieren Deiner Frage ist keine leere Besserwisserei, sondern hat Kon­se­quenzen. So ist es durchaus denkbar, daß manche Lebewesen (vielleicht sogar Men­schen) Buttersäure gar nicht als sonderlich intensiv wahrnehmen, oder daß sie sie sehr wohl riechen, aber den Geruch für angenehm halten. Obwohl es dieselben Mole­küle sind, die andere in den Wahnsinn treiben.

(Ich finde Buttersäuregeruch durchaus in Maßen angenehm. Klar, zuviel ist zuviel, aber ich mag sie auch noch in Konzentrationen, die anderen schon schwer auf die Nerven gehen. Das Aroma erinnert mich an Käse und tibetischen Buttertee)

Zweitens bedeutet das, daß wir zur Beantwortung Deiner Frage nicht auf die Chemie des Buttersäuremoleküls schauen sollten, sondern auf die Biologie des Menschen, d.h., wir sollten uns fragen, warum die Evolution des Menschen so verlaufen ist, daß Buttersäure bei der Mehrheit schon in geringen Mengen Ekelgefühl erzeugt.

Buttersäure entsteht bei der Hydrolyse tierischer Fette, vor allem Milchfette. Dabei wer­den die Fette von Wasser zersetzt (es bilden sich Glycerin und freie Fettsäuren, von de­nen Buttersäure ein Beisiel ist). Im Prinzip ist das alles harmlos und ungiftig, aber Hy­dro­lyse tritt meist (nicht immer) im Zusammenhang mit Bakterienbefall auf. Die Bak­­te­rien ma­chen aber typischerweise noch mehr, als nur die Fette zu hydro­lysie­ren, und das führt oft (nicht immer) zur Bildung von Giften. Diese Gifte kann man aber nicht rie­chen, weil sie nicht verdampfen und die Nase nicht erreichen.

Wenn also ein Stück tierische Nahrung nach Buttersäure riecht, dann ist es nicht not­wen­di­ger­weise giftig, aber eben doch ziemlich oft. ein Mensch, der das Gammel­zeug nie­mals ißt, lebt auf der sicheren Seite und hat eine größere Chance, das Erwach­se­nen­alter zu erreichen und sich fortzupflanzen. Wer das Risiko oft eingeht, der wird zwar manchmal Glück haben, aber manchmal auch Pech. Und einmal gestorben ist ein­mal zu oft.

Deshalb sind Menschen, die Buttersäure ekelerregend finden, im Vorteil. Diese Ab­nei­gung ist genetisch festgeschrieben (nehme ich an), und wird daher auch auf ihre Kin­der vererbt. Im Lauf der Zeit gibt es immer mehr davon (weil die anderen sich sel­te­ner fort­pflanzen), und nach vielen Generationen finden es die meisten Leute ekelig.

So einen genetisch festgeschriebenen Ekel kann man sich durchaus abtrainieren; an­dern­falls wäre es nicht möglich, daß die Europäer so viel stinkenden Käse essen (als Kind muß man sich erst daran gewöhnen, und kaum ein Kind würde beim ersten Kon­­takt einen Roquefort lecker finden).

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik

MeisterRuelps, UserMod Light  13.10.2020, 17:27

Man muss aber erwähnen, dass viele Verbindungen die in hoher Konzentration übel riechen (oder unangenehm riechen) in geringer Konzentration durchaus angenehm riechen können.

Beispielsweise sei an dieser Stelle Heptanal genannt, dass in hohen Konzentrationen unangenehm ranzig riecht aber in sehr geringen Mengen angenehm

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latricolore, UserMod Light  13.10.2020, 17:55

Tolle Antwort!!! 👍

Da gab's noch etwas anderes, von dem ich letztens gehört habe, im Zusammenhang mit Medizin/Autopsie - es hat einen Geruch, den nur wenige Menschen überhaupt riechen können. Muss mal suchen.

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indiachinacook  13.10.2020, 21:28
@MeisterRuelps, UserMod Light

Ich kann kein Cyanid riechen, aber Bittermandeln trotzdem — das ist ja haupt­säch­lich Benz­alde­hyd. Angeblich riechen Benzaldehyd und Blausäure ähnlich (für die, die die letz­tere wah­rneh­men können).

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indiachinacook  14.10.2020, 00:07
@latricolore, UserMod Light

Ich habe das wirklich gemacht (unter Assi-Aufsicht): Ich saß im Abzug, köchelte im Reagenzglas KCN mit H₂SO₄, und vor dem Abzug stand der Assi und sagte, daß ihm der Blausäuregeruch schon zu stark wäre. Ich roch gar nichts.

Das war für mich ein ziemlicher Schock, weil ich mir auf meine scharfe Nase viel einbilde — ich kann ein halbes Laborinventar am Geruch erkennen. Nur keine Blausäure.

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