Warum leisteten nur wenige deutsche aktiv Widerstand im NS-Staat?

Derzi  10.03.2023, 00:51

Wogegen?

akreyhann 
Beitragsersteller
 10.03.2023, 00:53

Widerstand im NS-Staat

11 Antworten

"Widerstand im NS-Staat"

Die Antwort auf diese Frage ist relativ nicht so einfach. Zunächst gab es keinen Widerstand, weil es nichts gab wogegen man aufbegehren hätte sollen. Ein neuer Reichskanzler war eingesetzt, gestützt von einer starken Partei.

Lange Zeit war es aus Sicht der deutschen alles gut und richtig was passierte. Und als die Dinge dann aus dem Ruder liefen, war der Regierungsapparat einfach zu mächtig um dagegen aufbegehren zu können. Ähnliches kann man ja aktuell in Russland beobachten. Auch dort dürften viele Menschen nicht mit den Entscheidungen der Regierung einverstanden sein, aber wer dagegen aufbegehrt geht direkt ins Gefängnis.


Nicht wenige teilten die Naziideologie, denke ich. Wenn du es gut findest, warum sollst du dann Widerstand leisten?

Die, die gegen diese Ideologie bzw. dieses Regime waren, riskierten ihr Leben, wenn sie offiziell Widerstand leisteten.

Es kann als Feigheit abgetan werden. Ich denke aber, dass es simpel und einfach dumm wäre, sein Leben zu opfern, nur, damit danach wahrscheinlich doch nichts anders wird.

Ja, man soll nicht sagen, es brächte ja eh nichts.

Aber in diesem Moment weißt du es halt nicht und wenn das Regime viele Zustimmer hat, ideologisch und nicht aus Feigheit, dann ist die Wahrscheinlichkeit halt sehr groß, dass dein Aufstand sinnlos bleibt.

Also warum sollst du dann ins Messer rennen? Du hast ja auch einen Lebenswillen.

Dein Leben ist ja gleich viel Wert wie das der Opfer des NS.

Woher ich das weiß:Hobby – Nach zum, vom, beim und das, werden Verben groß.

Richard30  10.03.2023, 22:22

Zumal... was wenn sich dann in 20 Jahren herausstellt, der Ideologie der man gefolgt ist, die war eine art NS 2.0? Oder eine die man damals abgelehnt hatte, war dann das gegenstück dazu?

Wenn dann dein ganzes Umfeld gewisse Wahreiten vorgibt, die Unterhaltung, Spiele, Filme, Serien, Freunde, Bekannte, Schule, Sachbücher, die alle geben ein ganz klares Bild der Realität und der Warheit und ja... dann in 20 Jahren erfährt man, dass war alles total einseitig und es gab nur diese eine Wahreit, weil alles abweichende einfach niemals zugelassen wurde, oder wenn, eben belächelt wurde und wenn man dann "Modern und Aufgeklärt" sein wollte, dann hat man sich eben an diese Sachen gehalten.

Auch wenn man bemerkt: "Da stimmt doch was nicht, da geht gewaltig viel schief" es ist ja dann dennoch etwas anderes, ein vorherschendes, fundamental tief sitzendes Glaubens, Moral und Wertekonstrukt abzustreiten.

Dazu waren auch die Medien in fester Kontrolle, denn da gab es da wurde genau geschaut was gesendet werden darf und was nicht.

Wenn es dann eben damals so war, dass es diese "Deutsche Überlegenheit" gibt und ja, das hört man immer und immer wieder, überall und das ganze Umfeld sagt das, naja... was will man dann auch sonst glauben?

Aber zum glück ist es heute anders, denn wir haben nun freie Medien! Deswegen finde ich es auch gut, dass hart gegen Fakenews vorgegangen wird und jeder Bürger dafür Zahlen darf, ehrliche und unanbhängige Nachrichten durch die öffentlich rechtlichen zu bekommen, die vorher auch alle geprüft wurden, dass es keine Fakenews sind. Da ist dann eben ein Gremium die genau schauen, dass auch alles wirklich Wahreit ist und deswegen darf da auch jeder ganz freiwillig dafür zahlen. Das finde ich wirlklich gut und demokratisch!

DoctorInge  10.03.2023, 22:58
@Richard30
Wenn es dann eben damals so war, dass es diese "Deutsche Überlegenheit" gibt und ja, das hört man immer und immer wieder, überall und das ganze Umfeld sagt das, naja... was will man dann auch sonst glauben?

Du sagst es! Wenn man etwas immer wieder und immer wieder hört, es quasi eingetrichtert bekommt, dann glaubt man es vielleicht irgendwann und auch wenn man sich bewusst noch quer stellt, unbewusst bleibt oft mehr hängen als wir denken. Das stelle ich gerade an mir selber fest. Ich bemerke plötzlich suboptimale Einstellungen und Unsicherheiten bei mir, die ihre Wurzel in früheren Erfahrungen haben, von denen ich aber nicht dachte, dass sie so etwas in dieser Intensität und Länge hinterlassen würden.

Richard30  10.03.2023, 23:36
@DoctorInge

Ja und alles was man irgendwie auch mal gelernt hat, bohrt sich halt ein.

Das stelle ich gerade an mir selber fest. Ich bemerke plötzlich suboptimale Einstellungen und Unsicherheiten bei mir, die ihre Wurzel in früheren Erfahrungen haben, von denen ich aber nicht dachte, dass sie so etwas in dieser Intensität und Länge hinterlassen würden.

Aber was ist es da, wenn du das sagen magst?

DoctorInge  02.04.2023, 03:26
@Richard30

Hi, jetzt sehe ich deinen Kommentar wieder. Ich musste auf "alle als gelesen markieren" drücken, da es mir einige Kommentare nicht mehr anzeigte, die Zahl aber doch. Deiner war da wohl dabei.

Ich weiß nicht mehr, woran ich dachte, als ich den Kommentar verfasste, deshalb schreibe ich jetzt einfach, was mir spontan in den Sinn kommt:

Ich habe einfach einen massiven Vertrauensverlust erlitten, soziale Unsicherheit und in mancher Hinsicht wohl eine verquere Denkweise, wenn man das so nennen kann.

Vertrauen:

Ich kann auf nichts und niemanden vertrauen. Optimismus Fehlanzeige und ich war einmal eine waschechte Optimistin.

Soziale Unsicherheit:

Ich weiß nicht mehr, wie man Freundschaften schließt.

Früher tat ich mich diesbez. sehr leicht und hatte auch sehr viele Freunde.

Jetzt kann ich nicht mehr unterscheiden, ob mich jemand wirklich mag oder ober der nur höflich ist. Außerdem habe ich ständig Angst, etwas falsch zu machen.

Verquere Denkweise:

Ich kam letztens darauf, dass ich denke, dass wenn ich Misserfolg habe bzw. nicht zu den Besten gehöre, bei egal was, z. B. Schule, andere Leute ein Recht hätten, mich fertig zu machen und niederzutrampeln. Ich nehmen es dann so wahr, dass ich dann kein Recht mehr auf eine respektvolle zwischenmenschliche Behandlung hätte. Dass ich nicht mehr auf Augenhöhe mit den anderen wäre.

Einem anderen würde ich das nie erzählen und wenn jemand Misserfolg hat, dann baue ich ihn auf (versuche es zumindest) und tröste ihn. Aber bez. mir selbst denke ich so.

Erlebnisse:

Verrat, Manipulation, Gaslighting, Erniedrigung, verbale Gewalt, Ausgrenzung, Mobbing, vom Umfeld vorverurteilt worden, nicht verstanden worden, nicht ernst genommen worden, stehen gelassen worden, körperliche Gewalt, ...

Ich werde mit der Liste nicht mehr fertig.

Von meinen Großeltern hab ich mitbekommen, dass viele wirklich Angst hatten und wie gelähmt waren bzw. eigentlich nur ihr Leben leben wollten und nicht sich politisch Engagieren bzw. wollten halt nicht im Schlimmstenfall getötet werden.

Und viele haben halt bis zum Schluss an die Propaganda Hitlers geglaubt bzw. waren halt im Krieg verpflichtet.

(Leider sehr ähnlich wie heute in Russland)

Da es einen Grund geben muss, wogegen man Widerstand leistet.

Viele fanden es gut, was Hitler gesagt und getan hatte. Andere hatten Angst etwas gegen Hitler zu sagen oder zu unternehmen, da sie befürchteten dann verhaftet zu werden und evtl. sogar hingerichtet zu werden.

Die meisten Leute, die gegen Hitler Widerstand geleistet hatten, hatten das ja leider nicht überlebt 😢.