Warum ist es verwerflich, stolz auf seine Heimat zu sein?
14 Antworten
Back Dir doch ein Ei drauf, sollte jemand so denken! Erstens verwerfe ich das Wort "verwerflich" sehr gern, weil ich "Moral" und die Leute, die es leben, nicht ernst nehmen kann! Ich habe andere Werte! Und 2. darf ich sehr wohl stolz sein, Deutsche zu sein! Wer will mir das verbieten.
Tatsächlich bin ich nicht stolz, denn ich kann nichts dafür, dass ich hier geboren wurde und hier leben darf.
Das ist nicht verwerflich. Es ist halt nur ein Ersatz, mit dem man etwas Beschädigtes auszubessern versucht. Hat man ein einigermaßen unbeschädigtes Selbstwertgefühl, befriedigende Beziehungen zu den Mitmenschen, dann wird man eher wenig Bedürfnis haben, sich mit anderen Objekten zu identifizieren und sein Selbstwertgefühl aus ihnen zu beziehen.
Etwas anderes als Stolz ist es, sein Familie, seine Stadt und sein Land zu lieben und für sie zu sorgen. Da, wo der Nationalstolz auffallend groß ist, scheint man die Heimat in Wirklichkeit wenig zu lieben. Wenn ein Land z.B. viel für sein Militär ausgibt, aber Straßen, Schulen und Deiche verkommen läßt, dann deutet das darauf hin, daß dort der Stolz nur ein emotionaler Tarnanzug ist, unter dem sich tatsächlich tiefe Verachtung für eben diese Heimat und für sich selbst, d.h. eine kollektive seelische Krankheit verbirgt.
Verwerflich ist es direkt nicht. Man assoziiert es nur schnell mit Neonazitum.
Auf der anderen Seite ist "Stolz" vielleicht der falsche Begriff. Stolz ist ein Gefühl, das man empfindet, wenn man etwas geschafft hat. Verbundenheit ist das Gefühl, das man empfindet, wenn man sich etwas zugehörig fühlt und dort gut aufgehoben, geborgen. Dies kann man über eine Familie oder auch einen Ort sagen.
Deutschland ist wie die meisten Länder recht groß und daher vielfältig, es gibt verschiedene Landschaften, Städte haben ganz eigene "Charaktere", Dialekte und Traditionen unterscheiden sich von Region zu Region. Daher fühlen sich viele Menschen eher mit ihrem Bundesland oder ihrer Region verbunden als mit ganz Deutschland. Wir tun auch wenig, um einen deutschen Nationalstolz zu fördern (anders als etwa die Amerikaner, die Feste haben, in denen sie "amerikanische Traditionen" etc. feiern, die landesübergreifend sind, obwohl jede Region auch dort eigene Traditionen und Dialekte hat). Die Amis feiern z.B. Thanksgiving größtenteils ähnlich, egal, wo sie wohnen oder teilweise den Unabhängigkeitstag oder Columbus Day (das scheint in letzter Zeit rückläufig zu sein). Bei uns ist das nicht so; wir feiern nur das Weihnachtsfest alle ähnlich und am gleichen Tag, das hat aber nichts mit unserer Nationalidentität zu tun. Dagegen feiern viele Regionen ganz eigene Feste und Orte haben ganz eigene Traditionen, in denen man Verbundenheit mit der Geschichte des Ortes ausdrückt/ empfindet.
Und dann gibt es noch die Verbundenheit, die vor allem Fußballfans empfinden, wenn die Nationalmannschaft gewinnt. Das ist mMn das einzig "Patriotische", das in Deutschland wirklich flächendeckend akzeptiert ist. Wobei man hier auch wieder fragen könnte, worauf man stolz ist, da keiner der Fans selbst etwas zum Sieg der Mannschaft beigetragen hat und das Ganze verwirrender wird, wenn Spieler aus dem Ausland (also nicht mit Migrationshintergrund, sondern Menschen, die im Ausland geboren und aufgewachsen sind) in eine inländische Mannschaft wechseln. In keinem Fall hat jedenfalls der Fan etwas zum Sieg beigetragen, so dass Stolz auch hier der falsche Begriff ist, eher Verbundenheit mit dem Spiel und dieser speziellen Mannschaft.
Allgemein sollte man sich mMn fragen, ob man stolz auf etwas sein kann, zu dem man nichts beigetragen hat und was das für Vorteile hat. Ist man z.B. wirklich stolz auf sein Aussehen oder freut man sich, dass einem bestimmte Aspekte des eigenen Aussehens gefallen? Kann man stolz auf sein Geschlecht oder seine sexuelle Orientierung sein? Ich meine nein, denn das hat sich einfach so ergeben, man hat nicht darauf hingearbeitet oder selbst etwas dazu beigetragen.
Ähnlich geht es mMn mit dem Nationalstolz.
Man sollte Stolz und Dankbarkeit nicht verwechseln.
Wer in Wohlstand in einem Land lebt, das so sicher ist und so viele Lebenschancen bietet, wie unser Land gegenwärtig, der hat allen Grund dankbar zu sein. Nicht zuletzt, weil nichts ihn zwingt, seine Heimat zu verlassen.
Stolz sein darf man, wenn man dazu beitragen kann, dass andere auch mehr Lebenschancen bekommen, und alles dafür tut, dass nicht die Lebenschancen künftiger Generationen verbaut werden (Stichwort Klimawandel).
Und ein bisschen stolz sein darf man auch, wenn man wenigstens etwas dafür tut.
Auf Heimat braucht man nicht stolz zu sein, um sie lieben und von ihr leben zu können. Und natürlich sollte man auch erklären können, weshalb man seine Heimat liebt. Zu den eindrucksvollsten Zeugnissen der Heimatliebe gehören oft die von Menschen, die gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen, und aus der Ferne beschreiben, warum ihre Heimat ihnen so lieb ist.
Es ist nicht verwerflich.
Bedenklich wird es erst dann, wenn man aus der Tatsache, daß man in seinem Land wohnt, ableitet, daß man was besseres ist als die Bewohner anderer Länder.
Ich sehe Nationalstolz zwar kritisch, verwerflich finde ich ihn aber eigentlich nicht.
Mein persönliches Problem liegt darin, dass ich absolut nicht nachvollziehen kann, worauf man da stolz sein soll. Auf den Zufall, der einen an diesem Fleck Erde hat entstehen lassen? Auf die Leistungen anderer Leute, die zufällig am selben Ort gelebt haben? Da schmückt man sich doch nur mit fremden Lorbeeren. Stolz kann man meinem Empfinden nach nur auf etwas sein, zu dem man einen Beitrag geleistet hat.
Ich bin froh darüber in Deutschland geboren zu sein und hier zu leben, ich bin beeindruckt davon, was einige Menschen hier geleistet haben und leisten, ich fühle mit vielen Menschen hier eine gewisse Verbundenheit, aber ich sehe nicht worauf ich da stolz sein sollte.
Problematisch wird dieser Stolz auf die Heimat aber erst, wenn damit eine Abwertung der "Anderen" einhergeht. Der Schritt von "wir sind toll" zu "wir sind was besseres" kommt mir aber nicht allzu groß vor und zu was es führen kann, wenn man sich und seine Gruppe (Nation, Rasse, Religion...) für etwas besseres hält, hat die Geschichte uns oft genung gezeigt (der ganze Imperialismus und Kolonialismus mit der Unterwerfung und Auslöschung diverser Völker, der 2. Weltkrieg incl. Holokaust, Sklaverei und Apartheid, die Kreuzzüge...). Ich glaube zwar nicht, dass Nationalstolz zwangsläufig zu so etwas führen muss, aber ich fürchte doch, dass er Hemmschwellen senkt.
Das sind gute Gedanken. Jetzt glaube ich aber doch, dass Stolz darüber hinaus gehen kann, weil man der Gesellschaft ja auch etwas zu verdanken hat. Dazu hat man nichts beigetragen. Das ist korrekt. Und gerade deswegen sollten man dankbar sein und sein Erbe auch zu schätzen wissen. So denke ich jedenfalls.
Das ist sogar das Gegenteil von Nationalismus, weil nämlich jeder einen Ursprung hat, dem er was zu verdanken hat.