Warum haben in Deutschland nur wenige den widerstand geleistet (zweiter Weltkrieg)?

15 Antworten

Widerstand in einem nicht demokatischen System ohne eindeutige Gewaltentrennung ist kein Sandkastenspiel, in dem die Regeln gerecht eingehalten werden oder wo man es sich am nächsten Tag noch einmal überlegen kann. Hier wird mit vollem Risiko gehandelt bis zum eigenen Tod.

Deshalb ist es wichtig totalitäre Staatssysteme und Diktaturen zu verhindern, bevor sie allumfassend sind und sich ihre eigenen Gesetzte gemacht haben, so dass man mit demokratischen Mitteln nichts mehr verändern kann.

Achtet deshalb auf die Inhalte der Gesetze, die euch die Politiker vor die Füße legen! Besonders, wenn darüber abgestimmt wird.

Was war die Meinung der jubelnden und fahneschwänkenden Bevölkerung damals und auch heute noch ?
Hitler hatte Deutschland wieder zu einem angesehenen und mächtigen Land gemacht, das geachtet wurde. So zumindest sahen es viele Deutsche.


Wie sah aber die Rechtsprechung gegen über Andersdenkenden aus?

Die NS-Militärjustiz weitete die Anwendung des § 91b des Reichsstrafgesetzbuches rechtsbeugend auch auf Zivilpersonen aus und entkleidete es stark konkreter Tatbestandsmerkmale.

Dadurch wurde es zu einem willkürlichen Instrument der Verfolgung  politisch missliebiger Handlungen. So konnte auch unerwünschtes Verhalten wie politischer Widerstand, Unterstützung von Juden oder Schwarzmarktdelikte unter dem Vorwand „indirekter militärischer Folgen“ bestraft werden.


„§ 91 b: Wer im Inland oder als Deutscher im Ausland es unternimmt, während eines Krieges gegen das Reich oder in Beziehung auf einen drohenden Krieg der feindlichen Macht Vorschub zu leisten oder der Kriegsmacht des Reichs oder seiner Bundesgenossen einen Nachteil zuzufügen, wird mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft.

Wenn die Tat nur einen unbedeutenden Nachteil für das Reich oder seine Bundesgenossen und nur ein unbedeutender Vorteil für die feindliche Macht herbeigeführt hat, schwerere Folgen auch nicht herbeiführen konnte, so kann auf Zuchthaus nicht unter zwei Jahren erkannt werden.

Die Vorschriften des Strafgesetzbuches zum Landesverrat wurden während des Krieges zweimal (1942 und 1944) weiter verschärft.


Nach dem Gesetz wurden zehntausende Todesurteile und viele tausend Zuchthausurteile verhängt. aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsverrat_im_Nationalsozialismus


Das Erwachen war böse

Zu einem Zeitpunkt, als der ein oder andere aufwachte und man erkannte, wie es den Juden erging und wie schnell man selbst im KZ landen konnte, war der Terror schon zu groß. Viele Menschen verspürten nur noch Angst. Ein Netz von kleinen Spitzeln durchzog das ganze Land. Die Gestapo machte dort, wo sie Widerstand vermutete, Hausdurchsuchungen und kleinste Vergehen konnten Gefängnisstrafen nach sich ziehen. Nach dem Kriegsausbruch wuchs die Kritik. Doch Widerstand erforderte auch Mut und vor allem die Tat, doch diesen Mut hatten viele einfach nicht. aus: http://www.zeitklicks.de/nationalsozialismus/zeitklicks/zeit/verfolgung/frag-doch-mal-6/warum-gibt-es-erst-so-spaet-widerstand/

Wer die Anzahl der jenigen die Widerstand leisteten, als nur wenige bezeichnet, hat sich nicht ausreichend mit der Lebenssituation und den rechtlichen Todesbedrohungen sowie mit der großen Anzahl von Menschen beschäftigt, die sich ja eben, um sich und andere (z.B. auch die eigene Familie) zu schützen nicht als Widerstandskämpfer zeigen konnten.

Der Widerstand gegen das NS-Regime war breit gefächert. Er reichte von passiver Resistenz und non-konformem Verhalten bis zu Emigration und dem "generalstabsmäßig" geplanten Attentats- und Umsturzversuch vom 20. Juli 1944. Getragen wurde der Widerstand von Männern und Frauen aus allen sozialen Schichten und politischen Lagern. Oppositionskreise in der Wehrmacht zählten ebenso dazu wie die Mitglieder der "Weißen Rose", des "Kreisauer Kreises" oder der "Roten Kapelle". Daneben gab es die vielen "unbesungenen Helden", die Verfolgten Unterschlupf gewährten oder sie mit Lebensmitteln versorgten. Während Thomas Mann sich aus der Emigration über den Londoner Rundfunk an die deutsche Bevölkerung wandte, schlossen sich andere Emigranten wie der deutsche Kommunist und Jude Harald Hauser der französischen Résistance an, um mit der Waffe gegen das "Dritte Reich" zu kämpfen. aus: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/widerstand.html

Wer einen kleinen Einblick haben möchte, aber wirklich nur einen ganz kleinen, da das Leben in dieser Situation niemals gefährdet sein kann, sollte sich als BayernMünchenfan ;-) einfach einmal in voller Fanbekleidung in den Dortmunder Block stellen und ein Spiel lang dort für Bayern jubeln. Dieses merkwürdige Gefühl dann um den Faktor 100 erhöhen. Denn die eigenen Kindern konnten einen damals, und haben es auch gemacht, anzeigen und in den Todestrakt bringen.

Hier finden sich tausende Menschen aller Schichten die Widerstand auf allen Ebenenen leisteten: https://de.wikipedia.org/wiki/Widerstand_gegen_den_Nationalsozialismus

Es gibt fast 20 geplante Attentate auf Adolf Hitler, die bekannt wurden. vgl.https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Attentate_auf_Adolf_Hitler

Ein Grund warum man sich seines Führers und seiner Helfer nicht einfach entledigte war auch, dass dieser ja ursprünglich vom Volk gewollt wurde und auch demokratisch gewählt wurde und man auf ihn persönlich (gilt nicht nur für Soldaten) einen Eid geschworen hatte. Und ist man ethisch nicht auf der gleichen Stufe, wenn man sich seines Führers durch einen Gewaltakt entledigt?

Widerstandskämpfer ist keine lustige Wochenendbeschäftigung.

Und, konnte ich helfen?

Ach ja, viel Spaß beim nächsten Spiel gegen die Borussen.

Gruß seniorix


Awngr  17.03.2017, 10:16

Finde das lustig, dass die Nazis immer "Ehre" und "Treue" propagiert haben, wo ihr Motto doch in Wirklichkeit Lug, Trug und Vertragsbruch war...

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Dahika  17.03.2017, 13:32
@Awngr

Na ja, genauso grotesk finde ich es, wenn Anhänger der AfD die Meinungsfreiheit beschwören - "das muss man doch sagen dürfen" - aber die Ersten wären, die genau diese Meinungsfreiheit abschaffen würden, wenn sie an die Macht kämen.

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Weil jeder Angst hatte dass Ihn der andere anschwärzt.

Meine alte Mutter 95 J. kann von Greulteten der Nazis berichtn.

Die erzählte. Kurz vor Kriegsende, sagte ein Mann zu den hitlerbuben, geht nach Hause der Krieg ist verloren.

Nächsten Tag waren Nazis hier und hängten Ihn vor seiner Frau auf.

Nach dem schwarzen Freitag 1929 ging es Mitte der 30 er etas besser und man hat die Veränderungen positiv aufgenommen- es tat sich was und an Widerstand dachten da wenige und das setzte sich fort bis 1943!

Ich habe meinen Großvater gefragt. Er war als (heimlicher ) Sozialdemokrat nie ein nazi gewesen. Sein Widerstand bestand darin, dass er nicht auf Parteiversammlungen ging, dass er einen Umweg ging, wenn "der Führer" erwartet wurde, weil er nicht jubeln wollte. Und dass er, der sonst immer "Guten Tag" sagte, im Luftschutzkeller, wenn die Bombenflieger kamen und die Leute schlotterten, stets sehr freundlich" Heil H***" sagte.

Eine Schwester von Dönitz war seine Nachbarin und sie hat ihm einmal ungehalten gesagt, dass er sonst nie den dt. Gruß benutzen würde, nur im Luftschutzkeller. Worauf mein Opa freundlich sagte: "HIer muss ich halt am meisten an unseren geliebten Führer denken."

Aktiver aber war sein Widerstand nicht. Er hatte eine Familie zu ernähren, Frau und zwei Söhne, zeitweilig auch noch die Schwester meiner Großmutter mit ihren beiden Kindern, da sie ausgebombt war und ihr Mann in Russland. Er sagte, die Familie hätte sehr viel mit dem Überleben zu kämpfen gehabt. Und vor dem Krieg war die Familie noch im Aufbau.
Außerdem war es klar, dass richtiger Widerstand lebensgefährlich war. Und nicht jeder ist zum Märtyrer geboren. Mein Opa war mal ein paar Tage in Gestapohaft, 1938, nur weil er einen regen Briefwechsel mit einem jüdischen englischen Freund hatte.

Meine Großeltern hörten Radio London, aber halt heimlich!!!


Nicht alle waren unzufrieden. Das änderte sich erst in den letzten Jahren des Krieges. Und warum die meisten keinen Widerstand geleistet haben liegt wohl daran, dass sie nicht ermordet werden wollten


Awngr  17.03.2017, 10:12

Genau. Solange die Diskriminierung und Verfolgung nur "die anderen" betraf, so lange man selber sogar noch davon profitierte, hatte niemand was dagegen.

Was die Deutschen störte, war, dass sie den Krieg verloren haben und dass relativ viele Soldaten im Krieg gegen die Sowjetunion umgekommen sind (übrigens völlig unnötig, das waren auch Opfer ihrer eigenen Regierung oder Armeeführung).

Aber dass man Mitbürger bestiehlt, einsperrt, abführt ermordet? Das war dem durchschnittlichen Deutschen so lange wie breit.

Nur nach dem Krieg sagten dann alle, sie seien dagegen gewesen oder haben nichts gewusst...

Aber ich bin froh, dass auch manche Leute klar aussprechen, dass die Deutschen als ganzes Volk eben doch mitbeteiligt waren.

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