warum gibt essigsäure das H am O ab und nicht das H am Kohlenstoff?

1 Antwort

Von Experte DedeM bestätigt

Ja, die O–H-Bindung ist wesentlich polarer als C–H. Das erklärt allerdings noch nicht, warum CH₃COOH eine Säure ist, denn Ethanol hat auch eine polare O–H-Bindung, re­agiert aber in wäßriger Lösung nicht als Säure, sondern ist nur so sauer wie das H₂O selbst (kein Winder, H₂O hat ja auch O–H-Bindungen).

Was Essigsäure wirklich sauer macht, ist die Mesomeriestabilisierung des Antions. Denn im Acetat-Ion hat man ja zwei O-Atome, die sich die negative Ladung des Ions ge­nau 1:1 aufteilen. Mesomeriestabilisierung im Anion ist ein sehr häufiger Effekt, der bei prak­tisch allen Säuren mit mehr als einem O-Atom zuschlägt (H₂SO₄, H₂SO₃, HNO₃, H₂CO₃, in der organischen Chemie Carbon- und Sulfonsäuren); durch die Stabilisierung des Anions wird die Dissoziation begünstigt. Es gibt sogar Fällen, daß Meso­merie­stabi­li­sie­rung des Anions sogar C–-Bindingen sauer machen kann, z.B. Trinitromethan.

Es gibt übrigens auch eine Mesomeriestabilisierung in CH₃-Gruppen, z.B. in Estern der Es­sig­säure. Die ist allerdings viel schwächer und für wäßrige Lösungen unerheblich, al­ler­dings laufen viele organische Reaktion mit den dabei gebildeten Ionen ab.