Warum darf man mit Paracordseil nicht klettern?

4 Antworten

Kletterseile sind dynamisch, d.h. sie dehnen sich unter der Belastung eines stürzenden Kletterers sehr stark aus (bis zu 30, 35 Prozent bei neuen Seilen). Dadurch werden die Kräfte, die auf den Kletterer wirken, deutlich reduziert - ungefähr so wie die Knautschzone beim Auto. Würde das nicht passieren, müsste ein Kletterer beim Stürzen schwerste innere Verletzungen befürchten, wenn es nicht sogar ihn oder seine Sicherungskette zerreißt. Ein Statikseil, also ein Seil, das sich nur 2-3 Prozent ausdehnt, würde genau zu solchen Verletzungen führen. Eine Paracord, die bei 30 Prozent Ausdehnung schon bricht, erfüllt den Standard für Kletterseile bei weitem nicht. Ihr Anwendungszweck ist schlichtweg ein anderer und für genau den sind sie konstruiert.


EmtBayern 
Beitragsersteller
 07.07.2024, 20:53

Paracord sind doch aber Fallschirmleinen, da fällt man doch auch ins Seil oder ist da die Falllast geringer da es nicht statisch angeschlagen ist?

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Avicenna89  07.07.2024, 22:38
@EmtBayern

Der Fallschirm verzögert ja nicht sofort. Luft ist kompressibel und der Schirm braucht ein Zeit, um sich richtig zu entfalten. Der Fangstoß wird durch diese Effekte drastisch reduziert.

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Von Experte Avicenna89 bestätigt

Kletterseile haben eine besondere Freigabe.

Kriterien sind u.A.

  • Seildurchmesser - typischerweise 6-11mm, manchmal auch knapp drunter oder knapp drüber. Die besonders dünnen sind in der Regel Halb- oder Zwillingsseile, die im Paar verwendet werden und rutschen etwas stärker durch das Sicherungsgerät, Seile mit Freigabe als Einfachseil werden einzeln verwendet, sind was dicker, die besonders günstigen Exemplare sind sehr dick (weil hier die Belastbarkeit durch Dicke und nicht teures Material und besondere Verarbeitung erreicht wird) und gleiten beim Seil einholen/ausgeben etwas schwerer durch das Sicherungsgerät. Aber alles im sicheren Bereich.
  • Kategorisierung: Wie schon erwähnt gibt es Einfachseile, Halbseile und Zwillingsseile. Einfachseile sind im Sportklettern üblich, Halb- und Zwillingsseile im Alpinklettern und Eisklettern (geht ein Seil kaputt, muss man zwar die Route abbrechen und abseilen, aber sie bieten noch ausreichend Schutz. Zwillingsseile dürfen nur im Paar verwendet werden, heißt sowohl der Vorsteiger wie auch der Nachsteiger. Mit einem Halbseil muss der Vorsteiger mit zwei Seilen gehen und kann theoretisch auch an jedem Ende einen Nachsteiger sichern.
  • Bruchlast: Hier wird es spannend. 12kN ist angegeben. Das sind stupide umgerechnet 1200kg. Warum so viel? Weil hier (und deshalb macht die Angabe in kN auch mehr Sinn) die Beschleunigung bzw. Verzögerung bei einem Sturz mit eingerechnet wird. Ein Kletterer mit 80kg (das für die Normierung herangeozgene Durchschnittsgewicht) wiegt halt, wenn er stürzt, kurzzeitig mal mehrere Tonnen, deshalb reißt es den Sicherungspartner auch ein Stück hoch. Die Gravitation ist nunmal 9,81m/s², heißt (lassen wir Luftwiderstand mal weg) fällt ein Kletterer nach 1 Sekunde mit 9,81m/s, nach zwei Metern mit 19,62m/s, ... und beim abrupten Ankommen im Seil heißt das, die gefallenen Sekunden sind der Faktor für das zu bremsende Gewicht (grob Gewicht Kletterer*Falldauer) und in einem Vorstieg segelt man halt mal mehrere Sekunden ungebremst, wenn man kurz vorm nächsten Fixpunkt abfliegt.
  • Seildehnung: Damit der Stopp nicht zu abrupt ist, muss sich das Seil dehnen (Dynamikseil). Das sollte aber auch nicht zu gummiartig sein, wir sind ja immer noch beim Klettern und nicht beim Bungee-Springen.
  • Normstürze: Die Anzahl der Normstürze (das sind schon relativ heftige) muss beim Testexemplar ohne Bruch absolviert werden
  • Und noch einige mehr.

Das macht ja irgendwo auch Sinn, das Seil soll ja nicht reißen und der Sturz soll ja möglichst auch weich sein (Stichwort Dynamikseil).

Wenn du jetzt andere Anwendungsfälle siehst, wie z.B. in deinem Kommentar zu einer anderen Antwort Fallschirmseile: Ich kenne mich jetzt mit Fallschirmen nicht aus, gehe aber davon aus, dass hier eher Statikseile verwendet werden, also welche, die sich kaum bis gar nicht dehnen. Zudem sind viele Seile am Fallschirm und die Art, wie er sich öffnet, bremst sanfter, als ein Sturz beim Klettern, sodass weniger Bruchlast notwendig ist. Dafür kann ich mir vorstellen, dass die Seile leichter und dünner sein müssen.


EmtBayern 
Beitragsersteller
 06.07.2024, 09:36

Wurde das Normgewicht angehoben?

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volker79  06.07.2024, 09:38
@EmtBayern

Musste es selbst noch mal googlen, weil ich ja auch nicht alle Zahlen im Kopf habe (mir reichts, wenn die Freigabe auf dem Seil ist), ich glaube die Normstürze werden mit 50kg gemessen, aber in anderen Bereichen gelten 80kg.

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EmtBayern 
Beitragsersteller
 06.07.2024, 09:46
@volker79

Hast du da ne Quelle?

Weil eigentlich hat ein Din Dummy 75kg 🤔

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Meines Wissens ist Paracord nur ein Oberbegriff. Darunter müssten eigendlich Kletterseile mit Polyamidkern auch fallen. Vielleicht hat es mit der Prüfbelastung also der Prüfnorm zu tun. Der Aufbau ist so gut wie der selbe, die Dehnung liegt bei beidem zwischen 28 und 35 Prozent. Beides stark belastbar, dehnbar und ähnlich beständig was UV, Schmutz und Wasser angeht.

Wie kommst du auf das Thema?


EmtBayern 
Beitragsersteller
 06.07.2024, 07:41

Notfallvorsorge 😜

Paracord ist stabil, Leicht und zerlegbar 😜

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Paracord hat eine deutlich niedrigere Bruchlast im Vergleich zu Kletterseilen. Es ist nicht dafür ausgelegt, das Gewicht eines Kletterers sicher zu tragen.

Woher ich das weiß:Hobby

EmtBayern 
Beitragsersteller
 06.07.2024, 07:27

Bestehen Fallschirmleinen nicht aus Paracord 🤔

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ThomasTaemin  06.07.2024, 07:39

Hast du da Zahlen vorliegen? die 12kn vom kletterseil weiß ich, aber zum paracord in der selben stärke (ich geh mal einfach von 10mm aus) hab ich nichts eindeutiges finden können außer eine sichere belastung von um die 700 kg. Interessantes Thema

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