Warum bleiben Menschen die Opfer von häuslicher Gewalt sind so lange in diesen Beziehungen?

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Da gibt es unterschiedliche Gründe, die oft komplex sind und sehr oft zusammenhängen.

Man hat sich wirtschaftlich oder emotional abhängig vom Partner gemacht oder sich noch schlimmer eigenerseits Schuld(igkeits)gefühle / eine Selber-schuld-Mentalität eingeredet bzw. einreden lassen. Oder sogar schon in der Kindheit anerziehen lassen.

Manche Opfer wissen nicht genügend über Hilfemöglichkeiten, Formalitäten, Anlaufstellen etc. bescheid. Vielleicht schon dass es da was gibt aber dann doch nicht konkret genug wie man daran kommt, worauf genau man selber Ansprüche hat oder an wen man sich wenden soll.

Schlimmstenfalls hat der Täter oder die Täterfamilie noch in irgendeiner Form Gewalt über gemeinsame Kinder oder andere Verwandte oder Nahestehende, um deren Wohl man fürchtet und die man vielleicht nicht so einfach in Sicherheit bringen kann. Gemeinsame Kinder noch am ehesten, Schwestern, Nichten oder Freunde vielleicht schon weniger.

Dann gibt es Frauen / Männer die aus falsch verstandener Liebe zu den eigenen Kindern nicht den Partner / die Partnerin verlassen, weil man denkt, den Kindern eine intakte Ehe bieten zu müssen oder gar weil man es für richtig hält, den Kindern vorzuleben, die Beziehung unter allen Umständen auszuhalten. Auch eine mentale Sache, die auf die eigene frühere Erziehung und dadurch verdrehte Wertevorstellungen zurückgeht. Grade letzteres begünstigt es dann erst recht, dass Kinder sich wenn sie Pech haben und an gewaltsame Partner kommen dann ebenfalls weniger wahrscheinlich trennen werden.

Dann wär noch zu sagen, dass körperliche Gewalt fast immer auch mit psychischer Unterdrückung / Manipulation und psychosozialer Gewalt einhergeht. Schwer da jetzt ins Detail zu gehen ohne völlig auszuschweifen aber diese Gewaltformen sind aus Opfersicht sehr schwer zu durchschauen und dementsprechend extrem schwer abzuwehren, noch dazu rechtzeitig.

Für männliche Opfer kommt noch eine gewisse gesellschaftliche Ignoranz und Verharmlosung der Tatsache dazu, dass auch Männer Opfer und Frauen Täterinnen sein können. Männer scheuen sich dann davor, an die Öffentlichkeit zu gehen, entweder aus falsch verstandenem männlichen Stolz und Angst lächerlich gemacht zu werden oder weil sie behördlicherseits nicht ernst (genug) damit genommen werden (oder das befürchten). Frauenhäuser haben schon mangelnde Plätze für alle die eigentlich einen bräuchten, die wenigen Männerhäuser bieten erst recht zu wenig Schutzraum für alle männlichen Opfer häuslicher Gewalt, noch dazu in der Nähe [Thema Hemmschwelle]. Männliche Opfer scheuen auch aus den oben genannten Gründen noch einmal mehr den Kampf vor Gericht.

Strafanzeige und Gerichtsverfahren wird auch von weiblichen Opfern viel zu oft nicht angegangen. Seis weil sie (denken dass sie) es nicht genug beweisen können oder ihnen nicht geglaubt wird oder sie damit dann familienintern Feindseligkeiten auf sich ziehen würden. Oder weil ihnen nach all der (psychischen) Gewalt schlicht die Energie und Klarheit im Kopf und das Durchhaltevermögen fehlt, diesen weiteren Kampf, nun in gerichtlicher Weise, auch anzugehen und damit wieder mit Täter und Taten konfrontiert zu werden.

Viele Opfer hoffen auch darauf, dass es (sich im eigenen Fall um die einzige Ausnahme handelt, bei der es) möglich ist, dass sich der Partner doch ändert und bessert. Das ist sehr leicht (aber wichtig) gesagt, dass das NIE von sich aus besser und anders wird, aber wohl auch leicht dann selber in den Glauben zu sinken dass es doch bei der eigenen Beziehung ganz anders ist. Schwierige Sache.

So wie bei Mobbing und so wie bei ideologischer Hetze ist auch häusliche Gewalt eine der schlimmen Angelegenheiten die es wohl immer (wieder) geben wird und demnach der Gesamtgesellschaft die Aufgabe stellt, weitmöglichst [präventiv und akut eingreifend] dagegen vorzugehen. Das wird sich leider nie ein für alle mal haben dass es das niemals wieder geben wird.

Ich finde es übrigens gut dass Du Dir darüber Gedanken machst und deshalb fragst, um das nachzuvollziehen, wohingegen es viele anderen Außenstehende ja dabei belassen zu denken "sie kann sich doch trennen, gibt doch hierzulande so viele Hilfsangebote". Das ist sicher dererseits meistens nicht böse gemeint aber natürlich nicht hilfreich. Also danke Dir für die Frage! :)


MainSenfdazu  15.09.2024, 18:48

Dankeschön für den Stern =)

Wer seit der Kindheit traumatisiert ist und nicht daran arbeitet, dann tendiert dieser Mensch seine negativen Erfahrungen mit seinem Partner zu wiederholen. Viele wissen nicht, dass sie vieles von den Eltern in die Partnerschaft mitbringen..

Die ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht und gleichen Geschlecht macht man mit seinen Eltern. Es hängt also sehr viel davon ab wie man aufgewachsen ist.

Erziehung (wenn man mit dem mindset aufgezogen wrude das man sich zu fügen hat, das man erdulden und ertragen muss zum Wohle von den Kindern/ zum Wohle des Ansehens der Familie, das das eben so läuft in einer Ehe und man es nicht ändern kann, das es andere Leute schlimmer haben und man nicht jammern darf, Scheidung ist böse und gegen den Glauben, niemand will jemanden der bereits geschieden wurde, man wird zum gesellschaftlichen Aussenseiter, der Nachwuchs wird zum Aussenseiter.... etc)

Sozialer Druck (durch Familienmitglieder, Verwandte, Leute aus der Wohnumgebung/ Gemeinschaft/ Glaubensgemeinschaft..... siehe "Erziehung").

finanzielle Abhängigkeit (manche heiraten früh, ohne vorherige berufliche Sicherung aufzubauen, oder sind seit Jahren und Jahrzehnten aus dem Berufsleben raus, oder stecken innerhalb der Ehe so tief in Schulden fest das sie Angst haben auf der Straße zu sitzen wenn sie gehen)

Emotionale Abhängigkeit (negative Beeinflussung/ Manipulation durch den Ehepartner/ die Ehepartnerin a la "ohne mich bist du nichts, dich will sonst niemand, du Versager kannst froh sein das du mich hast.... etc)

Co-Abhängigkeit (so wie bei Partnern von Alkoholikern) - (Man tarnt und vertuscht und versucht alles gut zu reden, um das aufgebaute Image nach aussen nicht zerbröckeln zu sehen. Man redet es sich selbst so lange schön und nichtig, bis man davon überzeugt ist)

Häusliche Gewalt üben autoritäre Partner aus. Wer sich mit jemandem einlässt, der autoritäre Umgangsformen an den Tag legt, kennt solche Manieren aus dem Elternhaus - ist es also gewohnt zu spuren, hat dadurch ein geringes Selbstwertgefühl und weiß sich nicht zu wehren.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Pädagogin, Mutter und Großmutter

Das nennt sich emotionale Abhängigkeit. Im Prinzip geht das mit (fast) jedem Menschen, ein bestimmter Typ hat aber auch ne Veranlagung dazu und oft werden diese gezielt gesucht.

Es ist im Prinzip eine Mischung aus Hoffnung, dass es besser wird, Angst vor dem Alleinsein und der Überzeugung, dass es ohne diese Person einfach nicht geht. Erfahrene Täter zeigen ihr wahres Gesicht erst, wenn ihr Opfer da drin hängt.