Warum befinden sich in der linken Szene kaum noch Arbeiter/Bedürftige?

6 Antworten

Weil es einfach ist sich etabliert und gut situiert althruistisch zu gebärden und sich vermeintlich für die Interessen geringer Gestellter einzusetzen - solange es beim Reden bleibt und man sich nicht die Hände mit (igitt) ARBEIT schmuzzig machen muss.

Das Phänomen ist durchaus nicht neu.

Meine Großtante, Schwester meiner Großmutter war wohlhabende Witwe und selbsternannte "Edelkommunistin". Sie lief vor '33 mit rotem Fähnchen bei Bolschewiken -Demonstrationen mit. Ob ihre Bediensteten, die Köchin, die Haushälterin, der Gärtner, der Zugehmann und das Mädchen für alles das auch so edel fanden ist mir nicht überliefert.

Das liegt daran, dass die Arbeitnehmerschaft heutzutage keine Veränderung der kapitalistischen Zustände mehr will. Das liegt wiederum teilweise daran, dass die marktwirtschaftliche Ideologie zusammen mit der Konsumgesellschaft die Menschen mittlerweile so stark durchdrungen hat, dass sich kaum noch einer ein freies, nicht entfremdetes Leben vorstellen kann. Vor allem aber liegt es daran, dass es keine Vision gibt von einem besseren Leben. Kaum ein "Linker" hat eine hinreichende Vorstellung davon, wie eine bessere Gesellschaft aussehen könnte. Nur ganz wenige haben Marx, dessen Anliegen die Emanzipation der Menschheit von den Sachzwängen und der Entfremdung im Kapitalismus war, gelesen, noch viel weniger ihn verstandden. Darum kämpfen die Linken nicht etwa für eine Aufhebung der Lohnarbeit, was Marx gefordert hatte, sondern nur für eine bessere Bezahlung der Lohnarbeit. Das hat zwar auch seine Berechtigung, stößt aber schnell an Grenzen. Denn im Kapitalismus ist eine Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiterschaft eben daran geknüpft, dass die Kapitalverwertung funktioniert. Wenn man die Lohnarbeit stärken will, muss man also gleichzeitig das Kapital stärken. Da sagen sich viele Arbeiterinnen und Arbeiter dann zu recht, dass es vielleicht keine schlechte Idee ist, diejenigen zu wählen, die eine starke Wirtschaft versprechen. Als Arbeitnehmer muss ich mir wünschen, dass es des Kapital gut geht, wenn ich keine Perspektive habe, ohne das Kapital überleben zu können. Und die kläglichen Versuche der "Linken", das Kapital abzuschaffen aber die Lohnarbeit zu retten (DDR, UdSSR) und die daraus folgende schlechtere Situation der Lohnarbeiter in "linken" Ländern iist uns allen noch in Erinnerung.

Ich denke, zumindest den Arbeitern, die einen Beruf erlernt haben, geht es hierzulande vergleichsweise gut.

Wenn diese nun ihren Status (und ihre Möglichkeiten sowie persönliche Freiheit) mit dem eines Arbeiters in den ehemaligen (oder auch noch existierenden) sozialistischen Staaten vergleichen, dann dürfte deren Bedarf nach sozialistischen Experimenten sehr gering sein. Viel wichtiger sind ihnen faire Löhne im bestehenden System.

Im Sozialismus sind alle gleich. Und langfristig alle gleich arm.


Deutschlandist 
Beitragsersteller
 23.01.2024, 21:57

besonders arm waren sie nicht, und fair werden arbeiter hier nicht bezahlt.

Das war ja schon im 19. Und frühen 20. Jahrhundert der Fall, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Karl Marx, Friedrich Engels… fast alle wichtigen Protagonisten der linken Ideologie war aus dem Bildungsbürgertum und co.

Den ärmeren Menschen fehlt oft die Bildung und sie lassen sich von den süßen Versprechungen der rechten locken, da diese ihnen auch noch ein Feindbild andrehen, warum alles für sie so schlecht sei („Die Ausländer nehmen euch die Jobs weg“…). Andere haben schlichtweg keine Zeit sich mit Politik zu befassen. Das sind zumindest meine Erfahrungen, die ich in diesen Kreisen gesammelt habe.

Leider tritt man in Deutschland gerne nach unten.

Und sobald man ein einigermaßen gutes Gehalt und/oder Wohneigentum hat, hält man sich schon gleich für ein Mitglied der besitzenden Klasse.

Das war übrigens auch der Plan von Margaret Thatcher im GB der 80er. Die Eigentümer-Quote erhöhen um stabile Mehrheiten für die Konservativen zu schaffen.

Presseerzeugnisse wie "BILD" tun ihr übriges um die untere Mittelschicht gegen die ganz unten auszuspielen. Natürlich mit dem gleichen Ziel: Mehrheiten für die Konservativen/Vertretung der wirklich Reichen zu schaffen und zu halten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjährige Erfahrung in der Parteipolitik und als Reporter