Ursachen für das Versiegen Golfstrom?

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Der Nordatlantikstrom (so heißt die für uns relevante Fortsetzung des Golfstroms eigentlich) ist eine vergleichsweise warme Meeresströmung, deren Wasser bedingt durch einen hohen Salzgehalt und durch die Abkühlung auf dem Weg nordwärts ein so hohes spezifisches Gewicht erreicht, dass es in die Tiefe des Ozeans absinkt. Dies ist ein Schlüsselelement der sogenannten thermohalinen Zirkulation (THC), die alle Weltmeere umfasst und ein Zirkulationssystem aus Tiefen- und ausgleichenden Oberflächenströmungen darstellt. Die thermohaline Zirkulation, zu der der Nordatlantikstrom gehört, ist also ein sehr komplexes System, das durch eine fein abgestimmte Balance von Temperatur und Salzgehalt angetrieben wird.

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Nordatlantikstrom - Wikiwand

Ein Versiegen oder Abschwächen des Nordatlantikstroms kann somit durch eine Verringerung der Salzkonzentration im Meerwasser verursacht werden, die durch das Schmelzen der Polare (und Gletschern) infolge der globalen Erwärmung verursacht wird. Dieser Prozess verringert die Dichte des Meerwassers, was das Absinken des Wassers verhindert. Wie bereits gesagt, ist dies ein Schlüsselprozess für die Aufrechterhaltung der thermohalinen Zirkulation. Jedoch ist der Salzgehalt nicht die einzige Ursache, die zu einer Abschwächung führen kann. Wärmeres Wasser hat z.B. eine geringere Dichte als kälteres Wasser, was bedeutet, dass es weniger wahrscheinlich ist, dass dieses absinkt. Wenn sich die Ozeane also erwärmen, kann dies dazu führen, dass weniger Wasser absinkt, was wiederum die Stärke der thermohalinen Zirkulation verringert.

Eine Studie mit dem Titel "Revealing the Impact of Global Heating on North Atlantic Circulation Using Transparent Machine Learning" hat zudem gezeigt dass bei einer abrupten Vervierfachung des CO2-Gehalts die Zirkulation aufgrund einer Verschiebung der Tiefenwasserbildungsregionen, einer nordwärtigen Verschiebung des Golfstroms und einer ostwärtigen Verschiebung im Nordatlantikstrom abschwächt. Natürlich ist es wichtig, dass man weiß, dass diese ganzen Prozesse nicht isoliert voneinander stattfinden, sondern sich alle gegenseitig beeinflussen.

Ein kleiner Zusatz:

Diesen THC gibt es erst seit dem das heutige Nord- und Südamerika vor etwa 4,5 Millionen Jahren, durch tektonische Plattenbewegungen verbunden wurden. Dieses Ereignis wird in der wissenschaftlichen Literatur als eines der Schlüsselelemente zur Einleitung des aktuellen Eiszeitalters betrachtet. Davor war der Nordatlantik nämlich kälter, was dazu führte, dass weniger Verdunstung stattfand und somit aufgrund Schneemangels eine Vergletscherung ausblieb. Global gesehen war dadurch vor diesem Ereignis das Klima aber sehr viel wärmer, denn durch die Rückstrahlung von Sonnenenergie durch das Eis wurde letztlich das aktuelle Eiszeitalter eingeleitet. Ich weiß, kann sich etwas paradox anhören.

Ein Aussetzen des Stroms würde in Mittel- und Westeuropa zu einer relativen Abkühlung führen. Insgesamt (Global) gesehen, wäre es aber eher ein erwärmender Effekt: Im Nordatlantik wird nämlich im Meerwasser gelöstes CO2 für Jahrhunderte in die Tiefsee verlagert, kann also bei einer weiteren Erwärmung der Meeresoberfläche nicht an die Atmosphäre abgegeben werden. Derzeit macht das fast die Hälfte des CO2 aus, welches die Meere insgesamt aufnehmen. Schaut man sich die Quellen und Senken (+/-) des CO2 an, so kann man erkennen, dass ein Aussetzen der THC den in der Atmosphäre verbleibenden ("residual") Anteil unserer Treibhausgasemissionen bis um ca. 30 % steigern könnte.

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Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Bachelor of Science in Earth and Climate Sciences
 - (Geografie, Klimawandel, Erderwärmung)  - (Geografie, Klimawandel, Erderwärmung)

mia12kndt 
Beitragsersteller
 13.06.2023, 20:29

Vielen Dank, sehr ausführlich!

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Durch die globale Erwärmung schrumpfen die Eisschilde von Grönland, der Antarktis sowie viele Gletscher auf der Erde. Dies führt zu einer Abnahme des Salzgehalts im Meerwasser und senkt damit dessen Dichte. Ein relativ hoher Salzgehalt im Nordatlantik ist aber Voraussetzung dafür, dass die dortige Tiefenströmung bestehen bleibt, die zum globalen Förderband gehört. Eine Folge des abnehmenden Salzgehalts ist die Verlangsamung des atlantischen Teils des globalen Förderbands. Zwischen Mitte des 20. Jahrhunderts und dem Jahr 2018 hat sich die Fließgeschwindigkeit nach einer Veröffentlichung von Stefan Rahmstorf und Kollegen um 15 % verringert,

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