Ungiftige Schlangen die sich als giftig tarnen?

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Es gibt verschiedene Formen der Nachahmung (Mimikry). Die bekannteste ist die Bates'sche Mimikry. Dabei imitiert eine ungefährliche Art eine gefährliche. Die völlig harmlose Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus) beispielsweise ähnelt in ihrem Aussehen einer giftigen Wespe (Vespula sp.). Die Mimikry basiert darauf, dass Fressfeinde die Wespe als giftig erkennen und daher auch die harmlose Schwebfliege meiden. Ihre Giftigkeit signalisiert die Wespe durch eine auffällige Warntracht (Aposematismus).

Darüber hinaus gibt es noch die Peckham'sche Mimikry. Dabei täuscht eine gefährliche Art vor eine harmlose zu sein, in der Regel um Fressfeinde anzulocken. Ein Beispiel dafür ist die Geierschildkröte (Macrochelys temminckii). Sie besitzt an der Zunge einen Fortsatz, der das Aussehen eines Wurms hat und mit dem sie Beutefische anlockt.

Als Paradebeispiel für ungiftige Schlangen, die Giftschlangen nachahmen, also eine Bates'sche Mimikry, werden oft die Königsnattern (Lampropeltis) genannt. Entgegen der landläufigen Meinung imitieren sie aber nicht die hochgiftigen Korallenottern (Micrurus). Es handelt sich vielmehr um eine Sonderform, die man Mertens'sche Mimikry (auch Emslay'sche Mimikry) nennt, bei der beide, ungiftige Königsnattern sowie hochgiftige Korallenottern, eine dritte mäßig giftige Schlange, nämlich die Falschen Korallenottern der Gattung Erythrolamprus, imitieren. Der Erfolg einer Warntracht hängt ja davon ab, dass der Fressfeind eine erfolgreiche Lernerfahrung macht, d. h. lernt die auffällige Färbung mit einer in der Vergangenheit gemachten schlechten Erfahrung zu verknüpfen und in Zukunft Tiere mit dem gleichen Aussehen zu meiden. Im Fall der Korallenottern würde das aber nicht funktionieren, da sie so giftig sind, dass ein Feind an einem Biss sterben würde und wer tot ist, bei dem kann es keinen Lerneffekt mehr geben, sodass es sich folglich auch bei der Färbung der Korallenottern um eine Form der Mimikry handeln muss. Die eigentliche Warntracht, also das Vorbild, lieferten die schwach giftigen Falschen Korallenottern.

Auch die vorwiegend in Südwesteuropa verbreitete Vipernnatter (Natrix maura) ähnelt in ihrem Aussehen sehr einer Giftschlange, nämlich der Kreuzotter (Vipera berus), mit der sie häufig verwechselt wird und deren Aussehen man als eine Form der Bates'schen Mimikry werten kann. Eng mit ihr verwandt und ebenfalls der Kreuzotter sehr ähnlich, ist die Würfelnatter (Natrix tessellata), die auch in Deutschland vereinzelt noch anzutreffen ist an Lahn, Mosel, Nahe und Elbe. Im Gegensatz zur Kreuzotter mit ihren ähnlich einer Hauskatze schlitzförmigen Pupillen haben die harmlosen Nattern aber runde Pupillen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Die Vipernatter (Natrix maura) benimmt sich (ihrem Namen entsprechend) manchmal schon so, als wenn sie eine gefährliche Giftschlange wäre.

Sie ist im Südwesten Europas beheimatet, etwa auf der iberischen Halbinsel, in Südfrankreich, in der Südschweiz und im nordwestlichen Italien. In Deutschland kommt sie freilebend nicht vor.

Die Vipernatter hat nicht nur äußerlich Ähnlichkeiten mit einer Giftschlange (manchmal ein richtiges Zickzackband auf ihrem Rücken) sondern sie benimmt sich auch häufiger mal so. Ihr Kopf ist für eine Natter auch relativ weit vom Hals abgesetzt. Eindeutig (als harmlos) erkennen kann man sie an ihren runden Pupillen.

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Bei Gefahr nimmt sie eine S-förmige Haltung ein und führt Scheinbisse aus. Keine Angst! Sie beißt nicht wirklich zu und ist völlig harmlos. Aber wenn man schon so ähnlich aussieht, wie eine Giftschlange, warum soll man sich dann auch nicht so verhalten? ;-)

Ich persönlich kenne keinen Menschen, der tatsächlich mal von einer Vipernatter gebissen wurde.