Stimmen die für Caesar überlieferten Ämterdaten?

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Die Frage zeigt Aufmerkamkeit. Denn Gaius Iulius hat tatsächlich die Ämter als Aedil (aedilis), Praetor (praetor) und Konsul (consul) 2 Jahre früher ausgeübt, als nach der Ämterlaufbahn (cursus honorum) in seiner Zeit anscheinend bestimmt war. Es gibt also eine echte Schwierigkeit, Caears überliefertes Geburtsjahr und sein Alter bei Bekleidung der Ämter mit den Bestimmungen über das erforderliche Mindestalter in Übereinstimmung zu bringen.

Caesar war:

Quaestor wahrscheinlich 69 v. Chr. (die Sache ist nicht völlig klar, die Alternative ist 68 v. Chr.)

Aedil 65 v. Chr.

Praetor 62 v. Chr.

Konsul 59 v. Chr.

Danach war er noch mehrfach Konsul und Diktator, aber dabei ist das Problem nicht das Mindestalter.

Ein Geburtsjahr 100 v. Chr. ergibt sich aus Sueton, Divus Iulius 88; Plutarch, Caesar 69, 1; Appian, Emphylia (Ἐμφύλια; Bürgerkriege, lateinischer Titel: Bella civilia) 2, 149 [620]; Velleius Paterculus 2, 41, 2.

Die Angabe bei Eutropius 6, 24, Caesar sei bei der Schlacht von Munda (Frühjahr 45 v. Chr.) im 56. Lebensjahr gewesen, führt durchgerechnet zu einem Geburtsjahr 102 oder 101 v. Chr. Eutropius ist aber ein spätantiker Autor mit sehr unzuverlässiger Datierung. So gibt beispielsweise Eutropius 6, 17 das 693. Jahr der Stadtgründung (Anno urbis conditae sexcentesimo nonagesimo tertio) als das Jahr an, in dem Gaius Iulius Caesar zusammen mit Bibulus Konusl war, also 61 v. Chr., richtig ist aber 59 v. Chr.

Theodor Mommsen hat das Problem zu lösen versucht, indem er 102 v. Chr. als tatsächliches Geburtsjahr Caesars ansetzte. Einen soliden Quellenbeleg hat er dafür nicht. Münzen mit der Angabe LII, was als Zeichen für ein 52. Lebensjahr gedeutet werden kann, müssen nicht so datiert werden, wie er es vorschlägt. Das einzige starke Argument für seine Annahme ist die Nichtübereinstimmung eines Geburtsjahres 100 v. Chr. mit den Bestimmungen über ein Mindestalter für Ämter in seiner Zeit.

Caesar hat offenkundig die Ämter nicht entgegen gesetzlichen Bestimmungen, die eine Kandidatur und Wahl nicht zuließen, erreicht. Denn es sind reichlich Beschuldigungen und Vorwürfe von Gegnern gegen ihn überliefert, aber darunter befindet sich keine Aussage, er habe in seiner Ämterlaufbahn gegen gesetzliche Bestimmungen über ein erforderliches Mindestalter verstoßen.

Bei einem Geburtsjahr 102 v. Chr. wäre schwer erklärlich, warum Caesar so lange mit einer Bewerbung um eine Quaestur gewartet hat. Auch ist dann eine Bemerkung, als er als Quaestor vonHispania ulterior bei einem Herakles-Tempel ein Bildnis Alexanders des Großen sah, in einem Alter nichts Denkwürdiges vollbracht zu haben, als Alexander schon den Erdkreis unterworfen hatte (Sueton, Divus Iulius 7), seltsam und wenig passend. Denn Alexander ist im noch nicht ganz vollendeten 33. Lebensjahr gestorben und bei einem Geburtsjahr 102 v. Chr. wäre Caesar damals bereits älter gewesen.

Der Inhalt von Gesetzen zur Abfolge der Ämter (leges annales) in der römischen Republik ist nicht genau und vollständig bekannt. Die Gesetzestexte selbst sind nicht überliefert. Unser Wissen ist also begrenzt.


180 v. Chr. gab es die lex Villia annalis, die ein Mindestalter für gewisse Ämter enthielt.

Lucius Cornelius Sulla hat als Diktator 81 v. Chr. Gesetze zur Ämterlaufbahn beschlossen. Unter anderem durften nur gewesene Quaestoren Praetor werden, nur gewesene Praetoren Konsul (Appian, Emphylia [Ἐμφύλια; Bürgerkriege, lateinischer Titel: Bella civilia] 1, 100 [466]).

Aus Äußerungen Ciceros, Ämter bzw. das Konsulat „in seinem Jahr“ (das heißt im frühestmöglichen Jahr nach den gesetzlichen Bestimmungen) erreicht zu haben (Marcus Tullius Cicero, De officiis 2, 59; Marcus Tullius Cicero, De lege agraria 2, 3; Marcus Tullius Cicero, Brutus 323), sind die Verhältnissse zu seiner Zeit bekannt (Aussagen auch bei Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad familiares 10, 25, 2 und Marcus Tullius Cicero, Orationes Philippicae 5, 47).

Quaestor konnte jemand werden, der bei Amtsantritt sein 30. Lebensjahr vollendet hatte, also ab 31 Jahre. Das Mindestalter, Aedil zu werden, betrug 37 Jahre, Praetor zu werden, 40 Jahre, Konsul zu werden, 43 Jahre.

Eine sich anbietende Lösung für Caesars Geburtsjahr und seine Ämterlaufbahn ist, eine Sonderegelung/Ausnahembestimmung anzunehmen, unter die er fiel und die in den erhaltenen unvollständigen Berichten über die gesetzlichen Bestimmungen nicht erwähnt wird.

Lily Ross Taylor, The Rise of Julius Caesar. In: Greece & Rome : G&R ; second series 4 (1957), S. 10 – 18, hält ein Geburtsjahr Caesars 100 v. Chr. für wahrscheinlich und nimmt an, Caesar sei wegen seiner corona civica eine Ausnahme von dem üblichen Mindestalter. Grundlage dafür war eine unveröffentliche Dissertation am Bryn Mawr College, Pennsylvania, 1950: Helen Elizabeth Russell, Advancement in rank under the Roman Republic as a reward for the soldier and the public prosecutor

Ernst Badian Cursus and the intervals between offices. In: Journal of Roman Studies : JRS 49 (l 959), S. 81 – 89 = Ernst Badian, Studies in Greek and Roman history. Oxford : Blackwell, 1964, S. 140 – 156 nimmt eine Sonderregelung für Patrizier an.

Eine Sonderregelung für Patrizier halte ich für sehr unwahrscheinlich. Eine solche Begünstigung ist für die Zeit der späten Republik schwer nachvollziehbar und eine allgemein für Patrizier geltende Sonderregelung müßte auch bei anderen in ihrer Ämterlaufbahn bemerkbar sein, was aber nicht der Fall ist.

Die corona civica (Bürgerkrone) kommt dagegen als Grund stark in Betracht. Marcus Minucius Thermus hat bei der Belagerung und Erstürmung der Stadt Mytilene auf der Insel Lesbos 80 v. Chr. Gaius Iulius Caesar mit der corona civica ausgezeichnet (Sueton, Divus Iulius 2). Casear hat offenbar eine hervorragende Leistung vollbracht. Die corona civica wurde für die Rettung des Lebens eines römischen Bürgers in einer Schlacht verliehen (vgl. Polybios 6, 39, 6; Plinius, Naturalis historia 16, 11 – 14; Gellius, Noctes Atticae 5, 6, 13).

über Caesars Geburtsjahr und das Problem:

Matthias Gelzer, Caesar : der Politiker und Staatsmann. Mit einer Einführung und einer Auswahlbibliographie von Ernst Baltrusch. Neudruck der Ausgabe von 1983. Stuttgart : Steiner, 2008 (Alte Geschichte), S. 3 Anm. 1

Helga Gesche, Caesar. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1976 (Erträge der Forschung ; Band 51), S. 11 – 13

kurz zur Ämterlaufbahn:

Christian Gizewski, Cursus honorum. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 3: Cl - Epi. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1997, Spalte 243 – 245

ausführlich:

Wolfgang Kunkel und Roland Wittmann, Die Magistratur. München : Beck, 1995 (Handbuch der Altertumswissenschaft, Abteilung 10: Rechtsgeschichte des Altertums ; Teil 3, Band 2: Staatsordnung und Staatspraxis der römischen Republik. Von Wolfgang Kunkel. Herausgegeben und fortgeführt von Hartmut Galsterer, Christian Meier, Roland Wittmann), S. 43 – 45 (Die magistratische Laufbahn)

S. 48. „Die sich aus Ciceros Äußerungen ergebenden Zahlen treffen auch für die Laufbahn anderer Persönlichkeiten der nachsullanischen Zeit zu, nur Cäsars erstes Konsulat ist nach ihnen um zwei Jahre verfrüht.“

S. 51: „Gewisse Ausnahmen von den Intervall- und Altersvorschriften scheinen übrigens die Annalgesetze selbst vorgesehen zu haben. Cicero (ac. 2, 1) berichtet nämlich, daß L. Licinius Lucullus nach langjährigem Aufenthalt als Quästor und Proquästor in Asien noch als Abwesender zum Ädil und schon für das nächste Jahr (78) zum Prätor gewählt wurde, weil ihm das Gesetz eine schnellere Laufbahn gestattete (licebat enim celerius legis praemio).“

S. 51 Anm. 59: „Auf eine solche Ausnahmebestimmung geht vielleicht auch Caesars verfrühte Zulassung zum Konsulat zurück.“

ac. = Marcus Tullius Cicero, Lucullus sive Academicorum priorum liber

zusammenfassend zu den Magistraturen der römischen Republik:

Jochen Bleicken, Die Verfassung der römischen Republik : Grundlagen und Entwicklung. Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh. 8. Auflage, 2000 (UTB für Wissenschaft: Uni-Taschenbücher ; Band 460), S. 97 – 119

Ingemar König, Der römische Staat : ein Handbuch. Stuttgart : Reclam, 2009 (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 18668), S. 56 – 84

Kurz gesagt: wir wissen es nicht!

Eine nachvollziehbare Lösung hat der berühmte Historiker Theodor Mommsen vorgeschlagen. Weil der Unterschied von 2 Jahren auffällig ist, ging er davon aus, dass Caesar nicht 100 v. Chr. sondern 102 v. Chr. geboren sei.

Vgl. die Ausgabe seiner Römischen Geschichte, sh. hier (ungefähr in der Mitte):  http://gutenberg.spiegel.de/buch/romische-geschichte-101/1

MfG

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.

Waterzzzz 
Beitragsersteller
 20.02.2016, 23:49

Danke Arnold du hast mir sehr geholfen. Ich weiß jetzt was ich der Klasse erzählen kann.

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