Stumpft man emotional ab, wenn man viele Menschen am Sterbebett begleitet?


13.05.2022, 12:10

*Ich mache hier keine moralischen Implikationen, bzw diese sind nicht Teil der Frage, also geht bitte auf die Frage ein ohne irgendwelche Vorwürfe

13 Antworten

Ich kann mir vorstellen, was du meinst. Abstumpfung ist negativ belegt. Derjenige, der abstumpft, empfindet nicht mehr. Aber das ist bei Sterbebegleitern bestimmt nicht der Fall. Diese Tätigkeit ist eine Berufung, die aus innerem Verrlangen heraus ausgeübt wird.

Ich denke eher, dass das Verständnis von Geburt - Leben - Sterben ein natürlicheres, unaufgeregteres ist. Das ist der Lauf der Dinge und nicht aufhaltbar. Und es kann sogar etwas sehr Schönes haben, einen Menschen in die Erlösung zu geleiten, bei ihm zu sein in diesen letzten Momenten.

Sterbebegleiter müssen seelisch stabil sein, um den Sterbenden eine gute Stütze sein zu können. Ich glaube nicht, dass das Kälte ist, sondern eher eine Kombination zwischen Emotion und Nüchternheit. Am Ende müssen sie auch funktionieren. Ich bewundere diese Menschen dafür.


7261user2618 
Beitragsersteller
 13.05.2022, 12:23
Ich kann mir vorstellen, was du meinst. Abstumpfung ist negativ belegt.

Was meinst du mit negativ belegt? Laut Duden ist das ein sachlicher Begriff ohne normative Implikationen

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isilang  13.05.2022, 12:26
@7261user2618

Wir selbst bewerten diese Begriffe nicht nach Duden. Wenn jemand abgrstumpft ist, dann bedeutet das meist nichts Positives. Denn ein Gefühl, das einst vorhanden war, ist es nun nicht mehr. Es ist ein Gefühlsverlust.

Schade, das ausgerechnet das deine Reaktion auf meine Zeilen war.

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7261user2618 
Beitragsersteller
 13.05.2022, 12:30
@isilang
Wir selbst bewerten diese Begriffe nicht nach Duden

Und im Duden steht, wie wir es normalerweise „bewerten“

Wenn jemand abgrstumpft ist, dann bedeutet das meist nichts Positives.

Ok? Sollte man jetzt in der Medizin auch „Schmerzen“ vermeiden, weil man das mit Negativem assoziiert? Das ist doch absurd

Außerdem lässt darüber streiten, ich könnte meinen, dass es gut ist, wenn man abstumpft, damit man seinen Job machen kann oder damit man selbst nicht leidet und Eigenverantwortung auch wichtig ist

Schade, das ausgerechnet das deine Reaktion auf meine Zeilen war.

Ich wollte erst mal den Anfang geklärt haben, ich lese die Antwort später nochmal

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isilang  13.05.2022, 12:42
@7261user2618

Das bedeutet für mich Abstumpfung. Denn geht um Gefühle und nicht um tote Worte im Duden, Definitionen.:

Abstumpfung - was ist das? Wie geht man damit um? Abstumpfung bedeutet Verlust von Feinfühligkeit und Verletzlichkeit. Abstumpfung führt zu mangelndem Engagement und zum Verlust des moralischen Kompasses. Abstumpfung kommt zunächst aus der Geologie und der Biologie: Ein spitzer Stein wird im Lauf der Zeit durch Regen und Wind abgestumpft. Ein Baumstamm, der im Sturm umstürzt und voller Splitter ist, wird zum Baumstumpf. So werden Spitzen im Lauf der Zeit stumpf. Auch ein Messer wird stumpf. Wer durch schlimme Erfahrungen oder Gewöhnung abstumpft, der verliert seine Moralität, sein Engagement, seinen Enthusiasmus. Hier gilt es, wieder neue Energie und Lebensfreude, auch Engagement und Durchsetzungsvermögen zu kultivieren.

https://wiki.yoga-vidya.de/Abstumpfung

Ich bin weg hier. Ich bin noch nicht abgestumpft. Das fühlt sich hier nicht gut an. Ich habe versucht zu erklären, dass ich glaube, dass Sterbebegleiter entgegen obiger Definition nicht abstumpfen

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tomkaller  13.05.2022, 13:19
@7261user2618

Schmerzen - Medizin, ja genauso wird es gemacht zumindest in 80% aller Fälle.

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Ich denke eher anders rum. Man lernt viel Einfühlungsvermögen, was es heißt anderen beizustehen ohne was gegen den Grund tun zu können und Würde behalten und schützen. Zumindest, wenn man es richtig macht. Abstumpfen passiert eher wenn man sich reality TV rein zieht um über die assis zu lästern oder dergleichen. Aber doch nicht bei wahren menschlichen Begegnungen.


JonasVjonas2  13.05.2022, 12:17

Nachtrag. Natürlich wird man eine andere Einstellung zu Tod und sterben entwickeln. Es wird nicht der Schrecken der Menschen bleiben sondern als das, was es ist, gesehen. Ein unabdingbarer teil vom Leben. Aber das sehe ich nicht als abstumpfen.

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Nein - ich denke eher, ganz im Gegenteil !

Menschen beim Heimgehen zu begleiten, kann eine intensive und befreiende Bewusstseinserweiterung darstellen - und somit die (eventuell vorhandene) eigene Furcht vor dem "Tod" nehmen...

Der Tod ist nicht das Ende !

Emotional abstumpfen tut man glaube ich rein vom Grundsatz her nicht, da das Spektrum der Emotionen doch recht groß und facettenreich ist.

Von daher können auch Krankenschwestern, Rettungssanitäter, Ärzte ( also Personen, die nahezu jeden Tag mit dem "Tod" konfrontiert werden ) trotzdem noch Freude haben, Abends mit Freunden lachen , Party machen/Feiern und das Leben genießen.

Zum Tod an sich haben diese Personen allerdings ein eher "rationales" Verständis entwickelt, da er eben zum Alltag bzw. zum Beruf gehört. Für uns "Normalos" , die nicht so einen Beruf haben, ist der Tod jedoch etwas besonderes/schlimmes, da wir allenfalls irgendwann einmal durch den Tod unserer Großeltern, Eltern / Freunden damit konfrontiert werden. ( alle paar Jahre/Jahrzehnte mal ) .

Ist persönlichkeitsabhängig. Kommt natürlich auch darauf an, wer vor dir liegt.

Ich arbeite im Krankenhaus und war mittlerweile bei einigen Sterbebegleitungen und Leichenversorgungen dabei. Du fängst irgendwann an aufjedenfall viel zu reflektieren und ein ganz neues Gefühl für's Sterben zu bekommen, aber schlussendlich ist es eine Frage der Beziehung. Hattest du wenig mit dem Menschen zu tun, wird es dich wenig mitnehmen. Kennst du diese Person länger und besser, wirst du vielleicht eine gewisse Verarbeitungszeit brauchen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung