Startschwierigkeiten im 1.Semester (Studium), was tun?
Hallo,
ich studiere derzeit Wirtschaftsingenieurwesen an einer Universität. Ich habe irgendwie in zwei Modulen extreme Probleme, da es so unglaublich schnell vorangeht, sodass man kaum Zeit hat wirklich intensiv zu lernen.
Versteht man was nicht, dann gibt es keinen wirklichen Ansprechpartner, es ist ziemlich deprimierend. Spricht man mit seinen Kommilitonen darüber, dann ist man irgendwie die dumm die nix versteht.
Ich hab das Gefühl, dass in meinem Studium (insg. 10 Kommilitonen) niemand wirklich zugeben will, dass er was nicht versteht. Ich habe zwei Zulassungstestate nicht bestanden, man benötigt diese um zur Prüfung zugelassen zu werden.
Ich finde dieses Prinzip einfach nur dumm, normalerweise schreibt man am Ende des Semesters eine Prüfung, bei uns wird man erst gar nicht zugelassen, wenn man den Zulassungstest nicht bestanden hat. Sollte ich vielleicht das Studium abbrechen? Wie soll es bloß weitergehen?
6 Antworten
Hallo,
ich habe auch ein paar ältere Fragen von dir gelesen. Du bist ja ziemlich am kämpfen, das tut mir leid, das ist sicher nicht einfach. Ich bin mir aber sicher, dass du damit nicht alleine bist. Meine Erfahrung früher war (mein Studium liegt etwas weiter zurück), dass die meisten nicht gerne zugeben, dass sie etwas nicht verstehen oder dass sie Probleme haben. Erst, wenn man mit jemandem gut befreundet ist oder ein Vertrauensverhältnis besteht, spricht man darüber.
Hast du mal versucht, mit Leuten aus der Fachschaft zu sprechen? Die sollten motiviert sein, Studenten zu helfen. Zu meiner Zeit war es so, dass die Leute aus der Fachschaft mit Verständnis reagierten, wenn man mit ihnen über Studienprobleme sprach.
Das Fach Wirtschaftsingenieurwesen (WiW) kann ich kaum einschätzen (ich komme aus der Mathematik). Würdest du sagen, dass WiW eher ein Lernfach oder ein Verstehfach oder eine ausgewogene Mischung aus beiden ist?
Ich erinnere mich an ein Interview, in dem ein theoretischer Physiker erzählt hat, warum er sich für sein Fach entschieden hat. Er sagte, dass er sich grundsätzlich für Naturwissenschaften interessiere, aber ein schlechtes Gedächtnis habe. Deshalb wären für ihn Biologie, Chemie oder Medizn als Studienfach nicht in Frage gekommen. Bei Mathematik und Physik müsse man sich wenig merken (im Sinn von 'wenig auswendiglernen'), deshalb hätte er sich für theoretische Physik entschieden.
Ich fand seine Aussage im ersten Moment erstaunlich, konnte es dann aber nachvollziehen. Vor allem geht es mir ähnlich: ich habe schon immer ein schlechtes Gedächtnis gehabt, es ist mir in der Schule schwergefallen, mir Geschichtsdaten, Texte, Sachverhalte aus Erdkunde zu merken; meine Noten waren dementsprechend. Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich mir in der Mathematik tatsächlich nur wenig merken musste, vor allem, wenn ich ein Konzept, einen Beweis, eine Idee verstanden hatte. In dem Fall sind die Sachen wie von selbst im Kopf haften geblieben.
Es ist so, dass mein Gehirn Sachen, die ich spontan als uninteressant einstufe, einfach zu verdrängen scheint, so dass ich mir richtig Mühe geben muss, wenn ich sie mir trotzdem merken will. Es macht mir auch keinen Spaß, mir diese Sachen in den Kopf zu trichtern.
Was mir beim Lernen und beim Verstehen hilft, ist, die grundlegenden Ideen eines Themas mit eigenenen Worten zu formulieren und aufzuschreiben. Das Stellen in Zusammenhänge und die Tätigkeit des handschriftlichen Schreibens helfen mir persönlich, diese Sachen ins Langzeitgedächtnis zu befördern. Deine für dich geeignete Art zu lernen und zu verstehen musst du wahrscheinlich noch herausfinden, also würde ich dir raten, dich über verschiedene Lernformen zu informieren und sie auch mal auszuprobieren.
Dann brauchst du wahrscheinlich ein paar Hinweise, um das Semester einfach "zu überleben", also die Klausuren zu bestehen.
Hilfreich ist, wenn man Klausuren aus früheren Semestern durcharbeitet. Wenn du Glück hast und der gleiche Prof die gleiche Vorlesung mehrere Semester lang gehalten hat, ist es wahrscheinlich, dass die nächste Klausur ähnlich ausfallen wird. Da kann dir hoffentlich die Fachschaft helfen. Du solltest auch die Aufgaben, die in den Übungen besprochen worden sind, nacharbeiten, so dass du in der Lage bist, die Aufgaben zu lösen, die du vor der Übung alleine nicht geschafft hast. Das wird dir bei ähnlichen Aufgaben dann helfen.
Dann würde ich dir raten, dem Stoff, der gelehrt wird, so viel wie möglich Interesse abzugewinnen. Wenn man etwas interessant findet, merkt man sich das leichter und die Motivation ist da, um daran zu arbeiten.
Ein nicht zu vernachlässigender Teil ist, die Nerven zu behalten, wenn es eng wird.
Das schreibt sich leicht hin, ist aber nicht leicht zu realisieren. Ein Misserfolg, also eine vergeigte Klausur ist nicht das Ende der Welt, sondern eine Banalität.
Ansonsten gibt es an den Unis und Hochschulen Psychologen und Beratungsstellen, bei denen man form- und kostenlos vorsprechen kann. Solche Angebote würde ich, wenn Bedarf besteht, auf jeden Fall nutzen! Das kann den Druck rausnehmen, helfen Probleme zu relativieren und neue Strategien zu entwickeln. Die Zeiten sind Gott-sei-Dank vorbei, wo noch getuschelt wurde, wenn man zu einem Psychologen ging.
Der Sohn eines Freundes studiert gerade Physik und hat zweimal eine Erstsemesterklausur nicht geschafft. Wenn er sie beim dritten Mal nicht geschafft hätte, hätte er das Fach nicht weiterstudieren können. (Er hat die Klausur beim dritten Mal geschafft.) Auf dem Gymnasium galt er als sehr schlau, weil er ohne groß was zu tun Mathe und Physik immer verstanden hat und sehr gute Noten hatte. Natürlich war er am Anfang geschockt, dass ihm sein "Geniestatus" plötzlich abhanden gekommen war.
Als letzten Punkt möchte ich dir noch sagen, dass man nicht dumm ist, wenn man ein Studium nicht schafft oder sich für etwas anderes entscheidet, sei es ein anderes Studium oder für einen anderen Weg. Das bedeutet nur, dass dieses Fach in der Art der Wissensvermittlung nicht das Richtige für einen ist. Man weiß nicht immer sofort, welcher Bereich zu einem passt. Manche haben das Glück es früh zu wissen, andere müssen suchen und ausprobieren. Aber dieser Gedanke sollte erst ganz am Ende stehen. Der Anfang des ersten Semesters ist noch viel zu früh, ein Studium in Frage zu stellen, wenn man sich grundsätzlich für das Fach interessiert.
Beim Schreiben merke ich, dass es zu Beginn eines Studiums verdammt viele Sachen zu beachten und zu bedenken gibt. Ich finde, dass man sich da Zeit zugestehen kann, in dem Geflecht seinen Weg zu finden. Dabei wünsche ich dir alles Gute!
Vielen Dank für deine Antwort. Ich kann mich mit dem was du schreibst sehr gut identifizieren, sollte wirklich mal ein Psychologen an der Universität aufsuchen. Ich würde mich gerne viel mehr mit anderen Kommilitonen austauschen, leider sind wir nur insg. 10 Leute, es ist dadurch sehr schwer Lerngruppen zu bilden, da ein sehr großer Teil einfach nicht bereit ist so etwas zu tun. Ich hoffe, dass ich nochmal die Kurve bekomme.
Hallo ilovemusic,
ist Wirtschaftsingenieurwesen ein Studium, das dich nach wie vor interessiert? Ich spreche nicht davon, dass alle Seminare Spaß machen ;) Es gibt in jedem Studium und in jedem Job Dinge, die keinen Spaß machen und durch die man sich einfach durchbeißen muss. Aber bringt dich dieses Studium dorthin, wo du später einmal sein willst? Wenn dies der Fall ist, dann wirst du auch Mittel und Wege finden, dein Studium erfolgreich abzuschließen.
Selbstzweifel sind im Studium etwas ganz normales. Sich überfordert fühlen ist, gerade in den ersten Semestern, ebenfalls etwas normales. Und leider leider ist auch das Verhalten deiner Kommilitonen, die vermutlich ebenfalls ihre Schwierigkeiten haben und dies sich und anderen gegenüber nicht zugeben wollen, nicht ungewöhnlich. So etwas wir meist erst thematisiert, wenn man sich besser kennt und ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut hat. Ich habe in all den Jahren an der Uni (als Studentin und als Dozentin) nie jemanden kennen gelernt, der nicht das Potential gehabt hätte sein Studium erfolgreich zu beenden.
Wenn ein Studium abgebrochen wurde, dann hatte dies i.d.R. entweder mit mangelndem Interesse zu tun, mit tief sitzenden Selbstzweifeln, die denjenigen blockieren und/ oder (aber oft eng mit dem letzten Punkt verbunden) mit falschen Lernstrategien.
Mein Rat an dich:
Sag dir als aller erstes Selbst, dass du es kannst. Das mag lapidar klingen, aber Autosuggestion funktioniert und es macht einen riesen Unterschied, ob du vor deinen Skipten sitzt und dir selbst sagst "das ist zu viel, das schaffe ich nie" oder ob du dir sagst "ich habe in der Vergangenheit auch alles geschafft, ich packe das hier auch".
Als nächstes versuche das zu lernende zu strukturieren. Das einem das Tempo an der Uni in den ersten Semestern extrem schnell vorkommt ist normal. Das bessert sich mit der Zeit. Aber ja, es ist immer mal wieder so, dass nicht die Zeit bleibt, um wirklich alles akribisch zu lernen. Mut zur Lücke gehört manchmal auch dazu. Daher ist es wichtig zu wissen was wirklich relevant ist und Prioritäten zu setzen. Sprich hierzu bitte einfach mal mit den jeweiligen Dozenten. Das ihr "Zulassungstests" schreibt ist eigentlich super, denn sie helfen dir selbst zu sehen was du kannst, was relevant ist und was du nicht kannst. Und darauf kannst du dich fokussieren. Wenn Unklarheiten bestehen, dann frage deine Dozenten! Geh in ihre Sprechstunde und bitte um ein Nachgespräch zu deinen bisherigen "Zwischenprüfungen". Keine Scheu, wir Dozenten beißen i.d.R nicht und manche von uns erinnern sich sogar noch daran wie es war im ersten Semester zu sein. :D
Versuche eine gemeinsame Lerngruppe mit deinen Kommilitonen zu organisieren oder häng dich an jemanden ran, der in den Prüfungen gut abgeschnitten hat. Meistens sind Kommilitonen gerne bereit zu helfen.
Überlege dir, ob deine bisherigen Lernstrategien (für dich und die jeweilige Klausur) die richtigen sind. Es macht einen großen Unterschied, ob du für eine multiple-choice Klausur lernst, ob exakte Definitionen abgefragt werden, oder ob es darum geht Wissen anzuwenden. Du findest im Internet zahlreiche Tipps zu Lernstrategien. Experimentiere ein wenig was dir tatsächlich hilft.
Don't beat yourself up. Vor allem, wenn du eine Klaurur nicht bestehen solltest. Dann klappt es eben beim nächsten mal. Analysiere woran es lag und nimm die Herausforderung an es besser zu machen. Es ist auch keine katastrophe, wenn du das Studium nicht in der Regelstudienzeit abschließt. Das soll nicht (!!!) heißen, dass du von vor herein alles auf die lange bank schieben sollst, aber wenn etwas daneben geht, dann holst du es im nächsten Semester oder im nächsten Jahr eben nach.
Und zu guter Letzt, zum richtigen Lernen gehört auch nicht zu viel und zu lange am Stück zu lernen. Du brauchst einen Ausgleich, wenn du effektiv lernen willst. Schaffe dir diesen!
Ich wünsche viel Erfolg!
Lg Susan
Vielen Dank:). Wie gerne hätte ich so eine Kommilitonin wie dich. In meinem Studiengang habe ich leider keine großen Chancen Lerngruppen mit meinen Kommilitonen zu organisieren, da sie einfach nicht wollen. Habe schon einiges versucht, aber niemand will sich der Lerngruppe anschließen. Es heißt immer, alleine kann ich besser lernen,....Sorry, keine Zeit...usw... Ich versteh nicht, warum sich meine Kommilitonen so abwertend gegenüber mir benehmen, es wird sehr stark gelästert.... Einmal kam ich zu einer Übung, als ich im Saal war, haben drei Kommilitonen sofort angefangen mich Schlacht zu reden. Es kam der Spruch, raffst du überhaupt was? oder wie hast du es auf die Uni geschafft? usw irgendwie sehr organisierte Mobbing Attacken, kann dagegen leider nichts tun. Es liegt vielleicht daran, dass ich Probleme mit dem Lernstoff habe..
Du schätzest deine Situation sehr realistisch ein. Je näher eine Prüfung ist, desto weniger sind Mitbewerber bereit, ehrlich zu antworten.
Dabei ist es in einer relativ kleinen Gruppe meist durchaus möglich, nach einer genaueren Erklärung zu fragen und diese auch zu bekommen.
Wenn du dich momentan unsicher fühlst, so überlege doch einmal, zu einem Prof. in die Sprechstunde zu gehen, von dem du meinst, dass er dir am ehesten helfen könnte, transparenter zu sehen. Es geht nichts über den direkten Kontakt.
Wenn dir deine Probleme über den Kopf zu wachsen drohen, würde ich es eher mit einer guten, professionellen Nachhilfe versuchen und nicht aufgeben, was dir später vielleicht leid täte. - Deine Kommilitonen sind nicht klüger als du, möglicherweise haben sie bereits Nachhilfe, würden dies aber kaum zugeben, leider Mitstudierende, die eine Frage haben, eher gezielt auf`s Glatteis führen.
Lasse dich nicht fortdrängen, sondern tu, was du kannst. Wiederhole und fülle Lückenhaft vorhandene Kenntnisse, auch wenn es dich das eine oder andere Zusatzsemester kosten würde. Viel Erfolg!
Würde dann eine Fachhochschule nicht eher zu dir passen?
Sag mal, du willst nicht zufällig noch x andere Sachen zu deinen Erfahrungen hinzuschreiben? xD
Naja, wenn du den Zulassungstest nicht schaffst, dann schaffst du auch die Prüfung nicht. Da solltest du dir also mal Gedanken machen anstatt sich darüber zu beschweren.
Abgesehen davon ist es im Studium normal, dass es sehr schnell voran geht. Nur in der VL lernt man nicht alles bzw. eigentlich kaum etwas! Lernen tut man den Stoff irgendwann danach.
Aus eigener Erfahrung weiß ich Fachhochschulen sind auch nicht gerade das gelbe vom Ei. Zumindest waren es die beiden Fhs wo ich ging nicht. ;)