Sitzposition Pilot (Passagiermaschine)

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Hallo,

in einem Flugzeug sitzt der Kapitän (PIC) immer links, der Copilot (COP) immer rechts. Dies hat sich über das Jahrhundert Fliegerei so entwickelt und gilt heute weltweit.

Beide haben die gleiche Instrumentierung vor sich. Der "Pilot flying" fliegt das Flugzeug, macht also Start und Landung und steuert von links nach rechts und hoch und runter. Der "Pilot not flying" macht den Funkverkehr, kümmert sich um das Wetter und fährt das Fahrwerk ein und aus und setzt die Klappen.

Die Zulassung zum Kapitän ist in der sog. EU-OPS geregelt, der EU-weiten Vorschrift für den gewerblichen Luftverkehr. Für die Ernennung ist ein Kapitänslehrgang zu absolvieren. Dazu muss man im Schnitt 6 bis 8 Jahre als COP geflogen sein.

Es kann aber auch vorkommen, dass auch rechts mal ein Kapitän sitzt. Das ist dann ein Flugkapitän mit einer Lehrberechtigung. Das ist ein TRI = Type Rating Instructor. Dazu ist eine Schulung erforderlich, die es ihm erlaubt, ein Flugzeug auch von rechts zu fliegen. Klar, er muss ja einen Copiloten im Kapitänstraining links fliegen lassen.

Und damit es nicht zu einfach ist, sitzt der PIC in einem Hubschrauber rechts!


allocigar78 
Fragesteller
 03.06.2012, 17:33

Vielen Dank für die ausführliche Info! Warum ist eine Schulung nötig um das Flugzeug von rechts zu fliegen? - du sagst doch, es ist auch keine andere Instrumentierung - und außerdem hat der Kapitän ja vorher irgendwann als COP ja auch schon öfter ein Flugzeug von rechts gesteuert...???

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rudim1950  03.06.2012, 21:08
@allocigar78

Hi, na ja, ganz so einfach ist das nicht. Bei modernen großen Verkehrsflugzeugen handelt es sich immer um Flugzeuge, die mit 2 Piloten geflogen werden müssen. Das sind die MPAs (Multi Pilot Airplanes). Der Ausbilder (TRI) übernimmt die dabei Aufgaben des Copiloten, weil es ja eine strikte Arbeitsteilung gibt.

Deshalb braucht er eine spezielle Schulung, um das Flugzeug von rechts fliegen zu können, obwohl er in seiner Funktion als Kapitän immer nur links sitzt. Ich habe deshalb mal die entsprechende Paragraphen der EU-OPS mit eingefügt. Sie ist die EU-weite Vorschrift für den gewerbsmäßigen Flugbetrieb.

Der Hinweis in der OPS, dass ein Kommandant die Aufgaben eines Copiloten übernehmen soll, ist für deutsche Airlines nicht relevant, aber es könnte es sein, dass in einigen Ländern ein PIC bei Airlinewechsel erstmal wieder ein paar Jahre als COP fliegen muss. Das ist aber Sache des Arbeitsvertrages.

"OPS 1.968 - Befähigung des Piloten zum Führen eines Flugzeugs von jedem Pilotensitz (siehe Anlage 1 zu OPS 1.968)

a) Der Luftfahrtunternehmer hat sicherzustellen, dass

  1. ein Pilot, der ein Flugzeug von jedem Pilotensitz aus führen soll, entsprechend geschult und überprüft wird und

  2. das Schulungs- und Überprüfungsprogramm im Betriebshandbuch festgelegt ist und den Anforderungen der Luftfahrtbehörde genügt.

Anlage 1 zu OPS 1.968

Befähigung des Piloten zum Führen eines Flugzeugs von jedem Pilotensitz

a) Kommandanten, die auch auf dem rechten Pilotensitz die Aufgaben eines Kopiloten wahrnehmen oder von dort aus Schulungen oder Überprüfungen durchführen sollen, müssen sich gemäß Betriebshandbuch, zusammen mit der Befähigungsüberprüfung durch den Luftfahrtunternehmer gemäß OPS 1.965 Buchstabe b, zusätzlichen Schulungen und Überprüfungen unterziehen. Diese zusätzlichen Schulungen müssen mindestens Folgendes umfassen:

  1. Triebwerkausfall während des Starts,

  2. Landeanflug mit einem ausgefallenen Triebwerk und Durchstarten und

  3. Landung mit einem ausgefallenen Triebwerk.

b) In einem Flugzeug dürfen Triebwerkausfälle nur simuliert werden."

Und es gibt durchaus Regeln in der Luft; dreimal rechts. Rechts wird geflogen, es wird rechts überholt, wer von rechts kommt, hat "Vorflug". Das stammt alles noch aus der guten alten Zeit, wurde aber meines Wissens nie verworfen. Und die besser motorisierten FLZ müssen den schwächeren ausweichen.

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allocigar78 
Fragesteller
 03.06.2012, 21:26
@rudim1950

das ist ja echt interessant! Danke! aber was ist denn genau anders, von rechts ein Flugzeug zu fliegen? - wenn es die gleichen Instrumente sind...???

und: welche Aufgaben hat denn IMMER der Kapitän (also egal, ob er als fly oder not fly fungiert) und welche IMMER der erste Offizier? - Ich dachte es geht nur darum, dass der Kapitän die Verantwortung für den Flug hat - z. B. bei wichtigen Entscheidungen o. ä.!?

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rudim1950  03.06.2012, 22:48
@allocigar78

Das ist mal eine wirklich gute Frage. Die Instrumentierung ist gleich, aber ... es gibt schon ein paar Unterschiede, z. B. wo sitzen nur einmal vorhandene Schalter und Hebel?

Bei Airbus steuert z. B. der PIC mit der linken, der COP mit rechten Hand. Hebel für Fahrwerk und Klappen sind auf der COP-Seite, ebenso die Vorwahl der Bremsverzögerung. Die Bedienknöpfe für den Autopilot sind jeweils von innen nach außen angeordnet, also genau andersherum. Da darf es unter Stress keine Fehlbedienung geben.

Du kannst ja mal hier schauen:

http://www.smartcockpit.com/data/pdfs/plane/airbus/A320/misc/A320_Flight_Deck_and_Systems_Briefing_For_Pilots.pdf

Interessant sind die Seiten 2.3, 2.8 - SideStick; 2.12 - Brake Pressure, Landing Gear Lever; 2.14- Brakes and Anti Skid; 2.16 Glarshield - Autopilot; 2.18 - Pedestral mit Speedbrake-, Flap- und Spoilerlever.

Und der Kapitän hat die Verantwortung und das letzte Sagen bezüglich Wetter, Loadsheet, Handys an Bord an oder aus. Er entscheidet über zusätzlich zu tankende Kraftstoffmengen und ist für seine Crew verantwortlich, z. B. bei der Einreise muss er dafür sorgen, dass alle Crewmembers sich an die Regeln halten usw.

Ich bin halt kein Pilot, sondern war bis zu meinem Vorruhestand lange Jahre in der Hauptabteilung "Trainingstandards und Crewtraining" einer Airline tätig. Falls ich mal einen Piloten treffen sollte und daran denke, frage ich mal nach dem wirklichen Unterschied. Am besten wäre, mir würde ein Checkkapitän über den Weg laufen. Der müsste es wissen!

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allocigar78 
Fragesteller
 03.06.2012, 23:25
@rudim1950

herzlichen Dank für die vielen Infos und den Link - den schaue ich mir die Tage mal genauer an.... - was ist den ein "Checkkapitän"?

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rudim1950  04.06.2012, 08:42
@allocigar78

Hi,

ein Checkkapitän ist ein Kapitän, der sowohl eine Lehrberechtigung hat, also als sog. TRI (Type Rating Instructor) tätig ist, als auch vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) eine Prüferberechtigung als sog. SFE (Synthetic Flight Examiner - Prüfer für Überprüfungen im Simulator) bzw. als TRE (Type Rating Examiner - Prüfer für Überprüfungen im Simulator UND im Flugzeug) ausgestellt bekommen hat.

Ein Prüfer darf also im Auftrag des LBA ein Typerating durchführen und andere Piloten checken. Zusätzlich gibt es noch die SENs (Senior Examiner), die im Auftrag des LBA andere Checker überprüfen (ob die pädagogisch und fachlich gute Prüfungen abhalten) und sich auch gegenseitig checken (müssen).

Ein Simulatorcheck findet alle 6 Monate statt und zusätzlich muss sich jeder Pilot, egal ob PIC oder COP, einmal im Jahr einem sog. Line Check unterziehen, wo sein Verhalten im tatsächlichen Flugbetrieb überprüft wird, also weniger das handwerkliche Tun als das Gesamtkonzept nach Vorgaben der Airline.

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allocigar78 
Fragesteller
 05.06.2012, 16:02
@rudim1950

und während solche Lehrflüge stattfinden - ist das während einem ganz normalen Passagierflug oder machen die Piloten das dann mit einer leeren Maschine oder im Simulator (also wenn einer z. B. vom 1. Offizier zum Kapitän aufsteigt)

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Hallo,

ich mach' mal hier eine neue Antwort rein, sonst wird der Thread zu lang.

".. und während solche Lehrflüge stattfinden - ist das während einem ganz normalen Passagierflug oder machen die Piloten das dann mit einer leeren Maschine oder im Simulator (also wenn einer z. B. vom 1. Offizier zum Kapitän aufsteigt)"

Also, bei LH gibt es vier "Simulatorereignisse" pro Jahr. Da ist einmal der LPC = Line Proficiency Check oder kurz auch FCL-Check (da er sich auf die Vorschriften der FCL = Flight Crew Licensing bezieht) genannt. Damit wird die Musterberechtigung (das Typerating) durch den Checker per Handeintrag auf der Lizenz verlängert.

Dann kommt 3 Monate später ein sog. "Refresher". Hier werden im SIM neue Verfahren geübt (z. B. Anflüge auf neue Landebahnen, Flüge zu schwierigen Flughäfen usw.) oder es werden Ausbildungsinhalte aufgefrischt. Wenn es jahrelang kein Feuer an Bord gegeben hat, sollte man es mal zwischendurch im SIM üben.

Als nächstes kommt der OPC = Operator's Proficiency Check. Wie der Name sagt, geht es darum, zu beweisen, dass man die vorgeschriebenen Verfahren des Operators, bei dem man arbeitet, kennt und abarbeitet. Allerdings sind die Inhalt an den FCL-Check angelehnt mit dem Unterschied, dass das Rating nicht verlängert wird.

Dann gibt es wieder einen Refresher und dann geht es wieder von vorne los.

Dazu kommt der erwähnte Linecheck. Und der wird auf einem normalen Linienflug durchgeführt, denn es soll ja überprüft werden, ob ein Pilot die Vorgaben der Airline im echten Leben umsetzen kann.

Dann gibt es noch Flugtrainings mit echten Flugzeugen, aber ohne Passagiere. Da werden die NFFs, die Nachwuchsflugzeugführer unter den wachsamen Augen der Checker gedrillt und müssen Starts und Landungen am laufenden Band und auch sog. Touch and Go's absolvieren.

Das ganze Training und die Weiterbildung sind ein hochkomplexes Thema, bei dem ja auch der normale Flugbetrieb weiterlaufen muss. Das alles wird von den Trainingsabteilungen zusammen mit der Einsatzplanung lange im voraus nach den Vorgaben der EU bzw. des LBA geplant.


allocigar78 
Fragesteller
 05.06.2012, 21:10

wenn man das so liest, fragt man sich ja, wann Piloten überhaupt mal Zeit haben, einen Linien- oder Charterflug zu absolvieren....

Danke Dir für die tolle Auskunft!

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Jeder hat seinen Platz - der Captain links, der F.O. rechts. Das ist unabhängig davon, wer das Flugzeug letztendlich fliegt - das geht von jedem Platz aus gleich gut. Man muss sich nur absprechen, wer jetzt fliegt.

Du hast schon recht: Der Kapitän sitzt immer links. Selbst dann, wenn er der "Pilot not fly" ist. Das ist international so geregelt. Die Fluginstrumente sind beidseitig gleich oder in der Mitte für beide Piloten zu erreichen. Guten Flug, Lucas


allocigar78 
Fragesteller
 03.06.2012, 14:00

ab wieviel Jahren ist es denn realistisch, Kapitän zu sein? gestern auf meinem Flug saß links ein Mann, der denke ich noch keine 30 war - dachte vielleicht, da es eine Air-Lingus Maschine war, dass es eben wie im Straßenverkehr dort anders herum ist...

und sind dann links mehr Instrumente?

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Harmonie2008  03.06.2012, 14:13
@allocigar78

Wenn man die Ausbildung zügig durchzieht und dazu noch ein talentierter Flieger ist, dann kann man auf dem Kapitänsstuhl mit 28 Jahren sitzen. Der Kapitän hat auf seiner Seite keine anderen oder extra Instrumente. Dir würde ich das zutrauen, so gut wie Du informiert bist. Viele Grüße, Lucas (Vielflieger)

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allocigar78 
Fragesteller
 03.06.2012, 14:31
@Harmonie2008

Danke für die Info und das Kompliment - aber bei mir ist dieser Zug mit fast 34 Jahren ohnehin abgefahren :-D

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Grundsätzlich bestimmt der Flugzeughersteller den Sitz des Flugzeugführers. Das gilt für kleine und für große Flugzeuge gleichermaßen. Allerdings sind moderne Cockpits heutzutage so gestaltet, dass das Flugzeuge von jedem der beiden Sitze gleich zu bedienen bzw. zu steuern ist. Es spielt also keine Rolle, auf welchem Sitz der Pilot flying sitzt. I.d.R. sitzt der Kapitän auf dem linken Sitz.

In der Luftfahrt gibt es keinen Links- oder Rechtsverkehr. Die Regeln sind international gleich.