Senecas Stoika: was bedeutet Zufall, was Schicksal?

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Seneca ist Stoiker, aber einer, der z.B. durchaus Lebensweisheiten Epikurs in seine Betrachtungen einbezieht. Um einen Stoiker zu verstehen, sollte man ihre Logos-Lehre kennen, die sie z.B. von den Epikureern unterscheidet. Für Epikureer ist die Welt ein offenes System, für die Stoiker ein geschlossenes. Für Stoiker ist die Welt ein Kosmos, ein geordnetes Ganzes. Diese Ordnung führt der Logos herbei, eine Art vernünftiger Weltengeist. Philosophisch klug handeln bedeutet für den Stoiker, die Ordnungsstrukturen des Logos zu ergründen und ihnen gemäß zu handeln. Sein Schicksal, die Ordnung des Logos, anzunehmen, es zu ergründen und ihm gemäß zu leben im Einklang mit einem erkannten höheren Willen des Logos, das ist die wahre Seelenruhe des Stoikers.

Zufall ist die nicht ergründete Zukunft, erst recht, wenn sie von falschen Hoffnungen und Erwartungen genährt wird. Hier lehnt sich Seneca an Epikur und seine Ausführungen vom "natürlichen Leben" an. Wie wir leben sollen, das lehrt uns die Natur und da brauchen wir nicht viel. In diesem "natürlichen Leben" steckt für Seneca der leicht erkennbare Wille des Logos, der sich ja auch in den Naturgesetzen ausdrückt. Aber irreale Wünsche nach Reichtum, nach Überfluss und Macht lassen leicht falsche Hoffnungen in uns aufkommen und der Zufall schlägt zu: Es kommt alles anders als wir es uns ausgemalt haben. Da klingt ein wenig die Lebensgeschichte des Seneca durch, der als Erzieher und Vertrauter von Kaiser Nero sich auf dessen Spielchen eingelassen hat und nun Opfer der Denunziation geworden ist.

Schicksal ist also Ausdruck eines ordnenden Willens des Logos. Schicksal ist etwa Gutes, das wir ergründen sollen. Zufall dagegen ist Ausdruck der Schlingfallen unserer selbstgestrickten falschen Hoffnungen, unserer blinden Gier.