Schöpfungslied analysieren?

3 Antworten

 

Hallo Lola,

unter dem Begriff „Historisch-kritische Methode der Bibelexegese“ findest du einiges zur Analyse von Bibeltexten (und das trifft dann auch auf Genesis zu). hier kannst du mal googeln.

Du könntest so vorgehen:

Textanalyse: Welche Struktur hat der Text, wie ist er gegliedert?

Redaktionsgeschichte: Welche Quellen hat der Autor benutzt? – Hier: Babylonisches Weltbild

Literarkritik: Was steht in diesen Quellen? – Vorstellung einer Art durchsichtiges Himmelsgewölbe über einer Scheibe, außen mit Wasser

Formgeschichte: Welche Textgattung liegt vor? – Hier Hymnus zur Verwendung im Gottesdienst, gegliedert nach der Sieben-Tage-Woche, sich wiederholende Formulierungen jeweils am Ende des Tages

Traditionsgeschichte: Frage nach vorausgehender mündlicher Überlieferung. – Welche Situation haben die Juden bei der Entstehung? – Frage nach dem Vergleich von polytheistischen Vorstellungen der Babylonier mit ihrem eigenen Monotheismus, Legitimation des Sabbats. 

Einige Einzelheiten dazu, wie ich sie schon früher mal bei einer ähnlichen Fragestellung gegeben hatte:

Zu Gen1,1 bis Gen 2,1a: Das berühmte Schöpfungslied der sieben Tage ist keine naturwissenschaftliche und auch keine historische Darstellung. Er ist aber auch kein Mythos sondern ein Hymnus. Darüber ist man sich heut in den großen Kirchen bei der Bibelexegese und in der wissenschaftlichen Theologie einig. 

Der Text ist etwa um das Jahr 520 v. Chr. entstanden. Die Situation: Die Oberschicht der Juden (die zu dieser Zeit z.Tl. noch mit Steinmessern die Beschneidung durchführten), befindet sich in der sog. Babylonischen Gefangenschaft. Das neubabylonische Reich hatte eine hohe Kultur (chemische Farben, Ziegelglasur, Lösung von Gleichungen mit drei Unbekannten, viele Götter, Zahlenwerte bis 2 Billionen, hohe Bau- und Waffentechnik, auch Mythen über die Entstehung der Welt, Kalender, umfangreiches Schrifttum, Berechnung von Mond- und Sonnenfinsternissen). 

Die Fragen der Juden an ihre Priester waren also etwa: Wenn wir uns da schon in einer so hohen Kultur bewegen: Ist die Sonne ein Gott, gibt es mehrere Götter, müssen wir Angst vor Mond-, Fluss-, Berg-, Naturgöttern haben, dürfen wir hier Forschung betreiben. bestimmen die Sterne unser Schicksal, welche Stellung haben Mann und Frau und schließlich – sehr wichtig – haben wir einen Anspruch auf einen freien Tag pro Woche?

Die theologische Antwort wäre: Nein, ihr müsst vor nichts Angst haben, dürft forschen, alles ist Schöpfung Gottes, sie ist nicht böse, sondern gut, Mann und Frau sind gleich, eure innere Uhr, der Sabbat, ist gottgewollt, und ihr braucht euch nicht durch die Babylonier zur Arbeit zwingen zu lassen. 

Aber der Orientale erzählt und dichtet: Als Muster nimmt er die bereits bestehende Siebentagewoche und den neubabylonischen Schöpfungsmythos und verfasst einen Hymnus der im Gottesdienst eingesetzt wurde. Diese Schöpfungsgeschichte wird deshalb auch mit dem Begriff „Priesterschrift“ bezeichnet. Dass es ein Gedicht ist, sieht an verschiedenen Dingen: Der Stil ist feierlich-rhetorisch, es gibt listenartige Aufzählungen. Es gibt einen Refrain (Kehrvers) in Formulierungen: „Es ward Abend und es ward Morgen, erster Tag …“ und es gibt sich wiederholende Formen wie Und Gott sprach: Es werde …. „ - „Gott sah, dass es gut war“ (Gemeint ist übrigens nicht, dass es perfekt war, sondern, dass es eben nicht böse war.). 

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Lola2380 
Beitragsersteller
 04.01.2019, 10:25

Vielen Dank für die ausführliche Antwort! :-)

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1.) Das ist der erste Schöpfungsbericht.

2.) Versuche zunächst einmal, den Text zu gliedern. In welcher Reihenfolge werden die Dinge geschaffen? Wie sind die Verse aufgebaut? Was macht Gott? - Was passiert dann? Wie kann man sich die Welt vorstellen, die da geschaffen wird?

3.) Viel Spaß und Erfolg!

Woher ich das weiß:Hobby – Vielleser

Lola2380 
Beitragsersteller
 04.01.2019, 10:26

Dankeschön :)

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Am besten, du erklärst, was an den einzelnen ,,Tagen" passiert ist:

1. Tag: Entstehung von Raum, Zeit und Materie; Das Brüten des ,,ruach elohim" bewirkt die Entstehung erster Zellen und einfachster Lebensformen. Erstes diffuses Tageslicht zur dringt zur Erde, was die Unterscheidung zwischen Tag und Nacht ermöglicht.

2. Tag: Eine dünne Luftschicht bildet sich und trennt das Wasser unterhalb (Ozean) vom Wasser oberhalb (Wolken). Vorher ging alles chaotisch ineinander über, das Meerwasser war als Dampf in der Höhe.

3. Tag: Das Festland erhebt sich aus dem Meer und wird von allerlei Pflanzen bewachsen.

4. Tag: Weitere Veränderungen der Atmosphäre bewirken, dass das Licht der Himmelskörper voll wahrnehmbar und wirksam wird.

5. Tag: Daraufhin explodiert das Leben im Meer geradezu - höheres Leben (,,Seelen") mit Blutkreislauf, Nervensystem und der Fähigkeit zu willkürlichen Bewegungen entsteht in verschiedensten Ausformungen und vermehrt sich.

6. Tag: Tiere aus dem Meer gehen an Land, spalten sich ihrerseits in Arten auf und erobern den neuen Lebensraum. Eine Gruppe von ihnen wird schließlich zu einer menschlichen Gestalt modifiziert und mit kognitiven Fähigkeiten in einzigartiger Konzentration (Gottebenbildlichkeit) ausgestattet. Daraufhin breitet sie sich kraft ihres Fortpflanzungstriebs über die ganze Erde aus und lernt sie zu nutzen und zu dominieren.

7. Tag: Mitten in der Jungsteinzeit, im Fruchtbaren Halbmond, treten zwei Individuen aus der prähistorischen Menschheit in den historischen Vordergrund. Sie schwören der Nahrungsaneignung ab und wechseln zur Nahrungsproduktion. Dieser ,,Tag" dauert bis heute an und gehört nicht zum eigentlichen Schöpfungsgeschehen. Statt der biologischen Evolution rückt die kulturelle Evolution des Menschen in den Fokus.

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