Schmelzpunkt

4 Antworten

Der Bindungstyp ist weniger entscheidend. Entscheidender ist vor allem die Teilchengröße und die Kräfte zwischen ihnen. Beim Schmelzen werden nämlich keine chemischen Bindungen aufgebrochen, sondern nur zwischenmolekulare Kräfte überwunden (sonst würde ja der Stoff chemisch verändert, also z.B. zersetzt). Feststoffe, die aus einer unendlichen Folge miteinander verbundener Atome bestehen, schmelzen in der Regel sehr hoch (Diamant), weil hier tatsächlich Bindungen überwunden werden müssen.


TUM1989 
Beitragsersteller
 09.07.2011, 18:26

Danke für die Antwort, jedoch geht es mir hauptsächlich um den Bindungstyp und dessen Auswirkungen auf den Schmelzpunkt.

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jobul  09.07.2011, 19:37
@TUM1989

Er hat halt keinen Einfluss auf den Schmelzpunkt. Es gibt von allen Bindungstypen (Ionen-, Atom- und metallische Bindung) Stoffe mit hohem oder niedrigen Schmelzpunkt.

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KHLange  10.07.2011, 20:49
@jobul

Sie haben schon viele gute Antworten gegeben. Leider ist diese ziemlich falsch

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Neben den von jobul genannten Punkten ist vor allem auch die Polymorphie einiger Stoffe miteinzubeziehen.

Schwefel kommt normalerweise alpha-Rhombisch vor. Bei höherer Temperatur verändert sich die Konfiguration zu Beta-Monoklinal. Der erwartete Schmelzpunkt sollte bei 114 °C sein, in Wirklichkeit ist er aber bei ca 119°C, weil alpha und beta Form immer im Gleichgewicht vorkommen.

Atomarer Sauerstoff kann keine intermolekolaren Wechselwirkungen ausüben und siedet daher schon bei extrem tiefer Temperatur.

Silizium zum Beispiel ist ein Halbleiter, wie einem auch das Bändermodell schon erklärt. Man kann also von einer metallischen Bindung ausgehen. Diese Bindungen zeichnen sich neben elektrischer Leitfähigkeit eben auch durch einen sehr hohen Schmelzpunkt aus.

Generell schmelzen ionische Verbindungen viel höher als Molekülverbindungen. Kleine oder hochgeladene Ionen halten fester zusammen als große, kommt aber auf die Kugelgrößen (Passform!) an. zB schmelzen Kaligläser niedriger als Natrongläser, noch höher schmelzen Borosilikatgläser.

Bei Molekülverbindungen ist die Polarität innerhalb des Moleküls bzw die Fähigkeit, das auszubilden, entscheidend: Stoffe, die Wasserstoffbrücken ausbilden können, schmelzen höher als andere (Extrem: Glyzerin(290°C unter Zersetzung) <=> Trioxan(114,5°C), beide fast gleiche Summenformel. Oder Methylformiat(31,5°C)<=> Essigsäure(~118°C)). Auch Wasser selbst siedet erst bei 100°C, H2S dagegen ist ein Gas, obwohl S doppelt so schwer ist wie O.

Daneben gibt es die Metallbindung, wo die Atomrümpfe sozusagen in einem Elektronensee schwimmen. Je weniger geladen und je schwerer (größer) das Metall, desto schwächer die Bindung, desto verformbarer und desto niedriger der Schmelzpunkt (K, Na, Blei, Zinn). Müssten sich aber mehr Ladungen auf ein kleineres Atom sammeln, dann bilden sich stattdessen Atombindungen aus (zB. beim Si dreidimensional vernetzt). Beim Kohlenstoff hast Du Mischformen (Graphit: zweidimensionale Schichten leicht verschiebbar, Diamant:3dimensional, extrem hart)

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Es gibt alle Übergänge, Du kannst das nirgends exakt ablesen, aber die Richtung erahnen.


Iamiam  10.07.2011, 14:22

sorry, bin ab Glycerin bis Metallbindung geistig in eine Siedepunktsbetrachtung gerutscht. Also Korrektur:

Wasser schmilzt bei 0°C, das über 4x schwerere Benzol auch schon bei 5°C.

Eisessig (wasserfreie Essigsäure) schmilzt bei 16,6°C, das gleich schwere, aber nicht zur Wasserstoffbrückenbildung befähigte Methylformiat (Ameisensäuremethylester) schon bei -99°C.

Entscheidend ist der Energiegewinn bei der Kristallbildung (Fortgeschrittene mögen mir die Unterschlagung der Entropie verzeihen). Der ist bei ionischen Substanzen sehr hoch, bei H-verbrückten Substanzen hoch, bei polaren Stoffen immer noch beträchtlich und nur bei unpolaren Verbindungen sehr niedrig.

Daneben spielt noch die geometrische Möglichkeit des Aufbaus eines möglichst kompakten Kristallgitters eine Rolle: symmetrische Substanzen meist besser als unsymmetrische. Je größer ein Molekül ist, desto schwerer lässt es sich natürlich wieder aus dem Kristallverband lösen, auch das zählt mit.

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Metalle: obige Betrachtung gilt für Elemente. Bei Legierungen kommt es auch noch auf das Größenverhältnis an: regelmäßige "Mulden" in einer Schicht wirken wie Haken, die die Schichten festhalten, die Legierung ist meist härter als jedes der beiden Reinelemente. Aber der Schmelzpunkt ist oft oder sogar meist niedriger!

siehe auch meine Antwort auf die Frage: http://www.gutefrage.net/frage/kann-mir-einer-ein-beispiel-fuer-eine-kuenstlich-hergestellte-legierung-nennen

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Der Bindungstyp hat einen entscheidenden Einfluss auf den Schmelzpunkt. Ordnen wir einmal die Bindungstypen nach ihrer Bindungsstärke aufsteigend an, dann ergibt sich: Edelgasartige Bindung < Reine Metallbindung < Ionenbindung < Atombindung.

Edelgasartige Bindung : Dies ist der Bindungstyp fester Edelgase bei tiefen Temperaturen, bewirkt durch London / van der Waals-Kräfte (schwache Anziehungskräfte zwischen unpolaren Molekülen und Atomen die durch spontane Polarisation eines Teilchens und dadurch induzierte Dipole in benachbarten Teilchen entstehen --> Wikipedia), die Polarisierungsmöglichkeit wächst naturgemäß mit der Oberfläche und damit auch dem Volumen des Teilchens, wie man an Hand der steidenden Schmelzpunktfolge von He (nur bei ca. >5 bar überhaupt zu verfestigen) bis hin zum Radon verfolgen kann. Hier gibt also es eine Korrelation der Schmelzpunkte und dem Atomvolumen.

Reine Metallbindung: Bei der reinen Metallbindung (praktisch nur in der 1. und teilweise auch 2.Hauptgruppe realisiert) wird die Bindung nach dem Elektronengasmodell durch ein System frei beweglicher (delokalisierter) Elektronen zwischen den positiv geladenen Atomrümpfen vermittelt. Nach der MO-Theorie lassen sich diese auch als eine Überlappungszone zwischen den Energieniveaux der Elektronen in den bindenden und antibindenden Elektronen darstellen. Die Lücke zwischen den Atomrümpfen ist umso größer, je größer die Atomrümpfe sind. Je mehr Lücken bei konstanter Leitungselektronenzahl vorhanden sind, umso niedriger ist die Festigkeit des Gitters, also auch der Schmelzpunkt, der von Lithium bis Francium stetig - aber nicht linear - sinkt.

Ionenbindung: Vergleicht man Na (Smp. 99°C) und NaCl (Smp. 801°C) miteinander, so kann man bei velgleichbarer Teilchengröße und ähnlichem Gittertyp einen großen Unterschied in der Gitterstabilität (Na wachsweich und duktil, NaCl hart und spröde) und damit auch im Schmelzpunkt feststellen. NaCl ist aus einem kubischen System von positven Na-Ionen und negativen Cl-Ionen aufgebaut, wobei jedes mit sechs gegengesetzt geladenen Partnern direkt koordiniert ist. Nahezu alle Elektronen sind im jeweiligen Ion eingebunden (lokalisiert). Gemäß dem Coulombschen Gesetz ist die Bindungsstärke dem Quadrat der Entfernung indirekt proportional (zu beachten sind jedoch "Störgrößen" wie die abstoßend-anziehende Wirkung von koordinieren Ionen zweiter, dreitter, ... n-ter Ordnung, ausgedrückt durch die Madelung-Konstante, bei der auch der Gittertyp eine Rolle spielt, der Ausdruck unterschiedlicher Ionenradien ist, sowie die Abschirmwirkung der inneren Schalen, ausgedrückt durch Slater-Faktoeren).

Atombindung: Im Gegensatz zu den Coulombkräften der Ionenbindung, die nach allen Seiten wirken, sind die Elektronenpaarbindungen, die nach der MO-Theorie durch Überlappung von Energieniveaux entstehen, räumlich gerichtet. Zur Erklärung dieses Phänomens hilft das Teilchenmodell sich einander abstoßender negativ geladener Elektrons nicht weiter, wohl aber deren Vorstellung als stehende Welle, deren Aufenthaltsraum (Orbital) nach der Schrödinger-Gleichung berechenbar wird, somit lassen sich auch die Wellengleichungen quadrieren (für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit ja-nein) und die Quadrate addieren, was zum LCAO (linear combination of atomic orbitals) -Modell führt. Da sich hier die Bindungskraft (Energieniveauaufspaltung in bindende und antibindende Niveaux und Besetzung der bindenden Niveaux) auf kleinstem Raum (eben dem Molekülorbital -MO) bündelt, sind diese Bindungen extrem stark, Paradebeispiel: Diamant)

**Übergangsformen (Auswahl) ** Zwischen allen Bindungsformen gibt es Übergangsformen. Die wichtigsten sind:

Edelgasartige Bindung + Ionenbindung --> Permanenter Dipol (Wasser, Ammoniak, ...)

Metallbindung + Atombindung --> Cluster: Diese Art der Bindung liegt dann vor, wenn wir Metalle mit extrem hohem Smp. haben wie W, Ta, Os, ... Diese sind dann auch in der Lage, Atombindungen miteinander und und mit anderen Atomen einzugehen. Ein nettes Beispiel ist hier das Nb3Cl9, bei dem drei Niobatome eine aus Atombindungen gebildete Insel bilden, an deren Ecken jeweils drei Chlor-"Palmen" stehen. Man nennt solche Metallcluster daher auch Inselstrukturen.

Atombindung + Ionenbindung --> Polarisierte Atombindung Die schon weiter oben genannten H2O und NH3 können auch hier eingeordnet werden, ebenso wie die übrigen Chalkogen-Wasserstoffe oder auch Halogenwasserstoffe. Wichtiger sind aber solche Salze, die sich in wasserfreier Form zum Beispiel bei der Umsetzung und Wasser durch exotherme Reaktion anders verhalten als ihre Verwandten mit Kristallwasser, Beispiele AlCl3, FeCl3, CrCl3, ....

Atombindung + van der Waals-Bindung --> Molekülbindung: Die schon in der Frage benannten Elemente S8 und O2 oder die homologe Reihe der Kohlenwasserstoffe sind hier zu nennen. Die Atome im Molekül sind durch Atombindungen verknüpft, die daraus resultierenden Moleküle aber durch van der Waals-Kräfte.