Preußen geht fortan in Deutschland auf

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Nach den Kämpfen in Berlin, während der Märzrevolution 1848, legte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. sein Schicksal in die Hände der Bürger, indem er Berlin nicht verließ, wohl aber seinen Bruder, den "Kartätschenprinz" und späteren Deutschen Kaiser, nach London schickte, wo dieser erst einmal aus dem Blickfeld verschwand.

Am 19. März erklärte er sich bereit, vom Balkon seines Schlosses, den Trauerzug für die gefallenen Aufständischen zu verfolgen. Als der König auf den Balkon trat, rief ein Mann von unten "Mütze ab", woraufhin der König die Mütze abnahm und sich vor den Gefallenen verbeugte. Seine Frau murmelte hinter ihm stehend, "Nun fehlt bloß noch die Guillotine." Für den König war das eine schlimme Demütigung.

In Berlin tauchten Plakate auf, in denen der König aufgefordert wurde, sich der deutschen Nationalbewegung anzuschließen. So gab der König am 21. März 1848 bekannt, die Bildung eines gesamtdeutschen Parlaments zu unterstützen. In der Proklamation verkündete er auch:

Preußen geht fortan in Deutschland auf.
http://www.documentarchiv.de/nzjh/preussen/1848/friedrich-wilhelmIV-volk-dt-nation_prkla.html

Anschließend ritt er mit den schwarz-rot-goldenen Farben geschmückt durch die Straßen von Berlin und hielt hier und da kurze improvisierte Reden, in denen er seine Unterstützung für die nationale Sache bekundete.

Nun könnte man sagen, dass diese Bekenntnis zu einem einigen Deutschland nur taktischer Natur gewesen wäre. Der Historiker Christopher Clark schreibt aber in seinem Buch "Preußen, Aufstieg und Niedergang":

Es wäre verfehlt, diese extravaganten Gesten als lediglich opportunistischen Versuch einer in die Ecke gedrängten Monarchie abzutun, die Massen hinter sich zu scharen. Friedrich Wilhelms Enthusiasmus für "Teutschland" war echt und erfüllte ihn schon lange vor Ausbruch der Revolution von 1848. In der Tat spricht sogar etliches für die Auffassung, dass er der erste wahrhaft nationalistisch gesinnte Monarch auf dem Hohenzollernthron war.

Clark führt weiter aus, wie sich Friedrich Wilhelm für die Vollendung des Kölner Doms eingesetzt hatte und 1842 in einer Rede auf den Feierlichkeiten zum Beginn des Weiterbaus den Geist der deutschen Einheit und Stärke lobte, den das Dombauprojekt verkörpere.

Friedrich Wilhelm schwebte aber kein bürgerlicher Nationalstaat vor, sondern eher eine Wiederauferstehung des alten Deutschen Reiches. In einem solchen gestärkten Reich, in dem ganz Preußen Bestandteil war, also auch die Teile, die vorher außerhalb des HRR lagen, sah er einen Platz für sich, vielleicht als deutscher König, der von den Fürsten gewählt werden würde. Eine solche Wahl hätte er sicher akzeptiert und nicht so abgelehnt, wie das Angebot deutscher Kaiser zu werden, durch die Kaiserdeputation der Frankfurter Nationalversammlung.


PeVau  20.02.2014, 22:04

Nachzulesen in: Christopher Clark, Preußen Aufstieg und Niedergang 1600-1947, ISBN 9783421053923

Preussen wird ein Teil Deutschlands.