Popularen und Optimaten im Antiken Rom

3 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Es kann nicht einfach schematisch an den Begriffen »Popularen« und »Optimaten« festgemacht werden, wer gut und schlecht bzw. böse gewesen ist.

Grundsätzlich kann Zweifel bestehen, ob eine Einordnung, die eine schlichte Entgegenstellung zwischen »Guten« und »Schlechten« bzw. »Bösen« vornimmt, sachlich angemessen ist.

Außerdem beruht die Unterscheidung zwischen »Popularen« und »Optimaten« in einem starken Ausmaß auf der von ihnen verwendeten politischen Methode. Die dabei auftretenden Handlungsweisen, inhaltlichen Maßnahmen, Ergebnisse und Ziele einer Vielzahl von Politikern müssen nicht unbedingt alle gleich bewertet werden.

Die Einordnung ist eine Frage der Bewertung aufgrund einer mehr oder weniger gut gelingenden Rekonstruktion des Geschehens und aufgrund herangezogener Maßstäbe.

Zu Caesar gibt es keine einheitliche Bewertung und es hat auch in der Vergangenheit meistens keine durchgehende grundsätzlich einheitliche oder weitgehend einheitliche Bewertung gegeben.

Vorbehaltlose Bewunderung ist heutzutage eher selten. In geschichtswissenschaftlichen Darstellungen werden üblicherweise Bedenken berücksichtigt.

Popularen und Optimaten

Die Optimaten sind Vertreter und Anhänger einer auf den Senat gestützten Politik mit Vorherrschaft der Nobilität (politische Führungsschicht aus vornehmen Familien). Die Bezeichnung »Optimaten« gibt wieder, daß sie sich selbst für »die Besten« halten (ähnlich ist der Ausdruck boni = die Guten, die Gutgestelltem, die Gutgesinnten). Die entgegengesetzte Richtung, Vertreter und Anhänger einer Politik, die dem Volk etwas mehr Gewicht geben möchte, wird Popularen genannt (populus = Volk; popularis = volkstümlich).

Marcus Tullius Cicero ist eine wichtige Quelle für die Begriffe. Marcus Tullius Cicero, Pro Sestio 97 (vgl. auch 138) dehnt den Begriff »Optimaten« aus und gibt ihm einen sehr umfassende Bedeutung, indem unabhängig von der gesellschaftlichen Herkunft alle zu den Optimaten gerechnet werden, die als ehrenhafte/moralisch gute Bürger die römische Republik der Vorfahren bewahren und verteidigen wollen. Marcus Tullius Cicero, De officis 1, 85 hält eine Nichtbeachtung /Vernachlässigung eine Teils der Bürger für verderbenbringend, weil dies zu Aufruhr und Zwietracht führt, einige erscheinen als Popularen, andere als Optimaten, wenige als Vertreter aller (der Gesamtheit). Sallust verwendet in seinem Geschichtswerk nicht diese Begrifflichkeit, sondern andere Ausdrücke (z. B. pauci potenti [„wenige Mächtige“] für die Optimaten).

Beide Richtungen sind keine Partien im modernen Sinn (mit festgefügter Organisation und politischem Programm) gewesen. Die führenden Vertreter beider politischer Richtrungen waren Angehörige der Nobilität.

Populare Themen waren:

  • Sicherung und Erweiterung der Freiheitsrechte des Volkes
  • Sicherung bzw. Besserstellung der materiellen Existenz des Volkes

Inhalt der Politik der Popularen waren typischerweise Gesetze zum Provokationsrecht, Einführung geheimer Abstimmungen bei Volksbeschlüssen oder Gerichtsverfahren, Gesetze zur Beteiligung des Volkes an Priesterwahlen und Gesetze gegen die Mißachtung von Gesetzen und Volkstribunen durch Magistrate.

zu Optimaten und Popularen (mit Literaturhinweisen):

Leonhard Burckhardt, Optimates. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Band 6: Mer – Op. Stuttgart ; Weimar, Metzler, 2000, Spalte 1270 – 1273

Jürgen von Ungern-Sternberg, Populares. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 10: Pol - Sal. Stuttgart ; Weimar, Metzler, 2001, Spalte 151 - 154


Albrecht  23.06.2014, 09:50

Bei der Konsulatswahl 64 v. Chr., um im Jahr 63 v. Chr. Konsul zu werden, kam es zu einem Zusammengehen (coitio) von Lucius Sergius Catilina und Gaius Antonius, der sich ebenfalls bewarb. Unterstützt wurden sie nach Marcus Tullius Cicero unter anderem von Gaius Iulius Caear und Marcus Licinius Crassus. Bei der Wahl war Cicero, obwohl nicht zur Nobilität gehörend, sondern eine Neuling/Aufsteiger (homo novus) erfolgreich. Er war ein fähiger Redner und hatte in seiner bisherigen politischen Laufbahn geschickt, weithin auf vielfältige Weise Wohlwollen anzusammeln. Anscheinend haben ihn letztlich auch viele aus der Nobilität anderen Kandidaten vorgezogen, weil darauf vertraut werden konnte, Cicero werde die republikanische Ordnung mit einer Führungsrolle der Nobilität wahren. Gaius Antonius lag bei der Abstimmung knapp vor Catilina.

Catilina kandidierte noch einmal 63 v. Chr. für das Amt eines Konsuls im Jahr 62 v. Chr., aber sein Rückhalt wird wohl abgenommen haben. Seine Vorschläge eines Schuldenerlasses (»neue Tafeln«; tabulae novae), mit dem er sich Unzufriedenen in der Bevölkerung annäherte (vgl. Marcus Tullius Cicero, Orationes in Catilinam 2, 17 – 24; Sallust, De coniuratione Catilinae 36 – 39) und mit dem er schwindenden Rückhalt vielleicht ausgleichen wollte, wurden von Cicero als sozialrevolutionäre Umtriebe hingestellt, polemisch als auf eine allgemeine Schuldentilgung hinauslaufend gedeutet. Tatsächlich forderte Catilina eine Reduktion der Zinsen und Rückzahlungserleichterungen in einer Liquiditätskrise.

In Büchern gibt es Informationen zu Catilina, z. B.:

Jürgen von Ungern-Sternberg, Catilina. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 2: Ark – Ci. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1997, Spalte 1029 – 1031

Ulrich Heider, Lucius Sergius Catilina – ein Verbrecher aus verlorener Ehre? In: Von Romulus zu Augustus : große Gestalten der römischen Republik. Herausgegeben von Karl-Joachim Hölkeskamp und Elke Stein-Hölkeskamp. 2. Auflage, unveränderter Neudruck. München : Beck, 2010, S. 268 - 278

Stephan Schmal, Sallust. 2. unveränderte Auflage. Hildesheim ; Zürich ; New York : Olms, 2009 (Studienbücher Antike ; Band 8). ISBN 3-487-11442-9

1
Testnick  04.12.2014, 17:40
@Albrecht

Haste das spontan zwischendurch gemacht oder irgendwoher kopiert?'-'

0
Testnick  04.12.2014, 20:36
@Albrecht

Ziemlich viel Aufwand für die Beantwortung einer Frage :D Aber danke, gut fürn Geschichtsunterricht gerüstet

0
Albrecht  23.06.2014, 09:46

Catilina

Catilina hatte zu den Optimaten gehört.

Möglicherweise hat er bei seinen Bemühungen, Konsul zu werden, schließlich auch einige eher popular wirkende Äußerungen vorgetragen.

Polemik gegen Marcus Tullius Cicero, die ihn als »Neuling« (homo novus) angreift und herabzusetzen versucht, ist ein Verhalten eines Nobilis aus patristischer Familie.

Bei der Verschwörung ergab sich ein Gegensatz zu den Optimaten schon einfach daraus, daß diese diese die politische und gesellschaftliche Ordnung bewahren wollten und sie einen großen Teil der Führungspositionen einnahmen, Catilina und seine Mitverschwörer aber selbst an die Spitze kommen wollten. Dies erforderte eine Ausschaltung von Optimaten.

Cicero hat Catilina als verbrecherisch dargestellt.

Sallust (Crispus Gaius Sallustius) gibt in seinem Geschichtswerk eine Darstellung Catilinas mit einer bestimmten Deutung. Dazu gehört unter anderen, als Hauptursachen eines Wandels in der Geschichte Roms Ehrgeiz (ambitio) und Habgier (avaritia) anzunehmen und Catilinas Verschwörung als Folge der Verderbnis und Erscheinungsform des eingetretenen schlechten Zustandes aufzufassen (Sallust, De coniuratione Catilinae 5, 8; 14, 1 - 7).

Catilinas Rede in einer Versammlung, die im Geheimen stattfindet, ist keine Dokumentation einer tatsächlich gehaltenen Rede, sondern eine darstellende Gestaltung Sallusts, mit der er das Geschehen deutet und Catilina charakterisiert (Sallust, De coniuratione Catilinae 20 – 22). Catilina betreibt Agitation, stimmt seine Anhänger darauf ein, seine Bewerbung um das Konsulat und die Verschwörung zu unterstützen. Motivation ist ein wesentliches Ziel. Diesem dient eine Entgegenstellung weniger Mächtiger mit eigenem Wohlergehen, Machtfülle, ausschweifendem Luxusleben und der eigenen Gruppe (nos [„wir“], die der Freiheit beraubt, unterdrückt, mit Nachteilen belastet und in Elend gebracht sei. Catilina verwendet in der Rede zu Schlagwörtern der Popularen. Sallust stellt dies aber als Rhetorik dar, die das tatsächliche Bestreben bemäntelt, selbst zu Macht und Reichtum zu kommen.

Catilina hatte sich im Bürgerkrieg auf die Seite Sullas und der Optimaten gestellt. Nach Sallust geht es ihm nicht wirklich um eine Änderungen des politischen und gesellschaftlichen Systems. Eigene Herrschaft (Sallust, De coniuratione Catilinae 20, 2 dominatio) ist ein Ziel. Er will sich mit seinen Anhängern an die Stelle der Optimaten setzen, selbst Macht und Reichtum gewinnen. Catilina verspricht Schuldenerlaß (vornehme Leute wie selbst, die sich hoch verschuldet hatten, hätten davon Nutzen gehabt), Ächtung (Proskription) der Begüterten (so etwas hatte nach Sullas Sieg nicht allgemein gegenüber Begüterten, aber gegenüber einigen seiner Gegner gegeben), Ämter, Priesterwürden, Raub/Plünderung und alles, was Krieg und Begierde der Sieger mit sich bringt (Sallust, De coniuratione Catilinae 21, 2). Angeblich wünschten die meisten Soldaten Sullas, nachdem sie allzu freigebig ihren Besitz ausgegeben und ihre Güter verloren hatten, in Erinnerung an den alten Sieg einen Bürgerkrieg herbei (Sallust, De coniuratione Catilinae 16, 4).

Catilina war Ende der 80-er Jahre ein Legat (Unterfeldherr; legatus) Sullas (Sallust, Historiae 1, 46). 68 v. Chr. war er Praetor. Danach (67 v. Chr.) wurde er Statthalter der römischen Provinz Africa, wobei er sich in einem starkem Maß bereicherte. Dies führte zu einem Repetundenprozeß (gerichtliches Verfahren wegen zurückzuzahlender Gelder). Catilinas Kandidatur für das Amt eines Konsuls im Jahr 65 v. Chr. wurde zurückwiesen, wegen des drohenden Repetundenprozesses (Quintus Asconius Pedianus 85; 89 Clark) bzw. wegen einer schon erfolgten Anklage, aufgrund derer er seine Kandidatur nicht mehr rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist anmelden konnte (Sallust, De coniuratione Catilinae 18, 3). Cicero überlegte, Catilina im Repetundenprozeß Mitte des Jahres 65 v. Chr. zu verteidigen (Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad Atticum 1, 2, 1), obwohl er von dessen Schuld überzeugt war (Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad Atticum 1, 10,1), unterließ dies aber offenbar (Quintus Asconius Pedianus 85 Clark). Catilina wurde freigesprochen ebenso bei einer Anklage wegen Teilnahme ab der sullanischen Proskription, wobei in diesem Verfahren Gaius Iulius Caesar Vorsitzender des Gerichtshofes war und als solcher nicht direkt am Urteilsspruch beteiligt (Quintus Asconius Pedianus 90/91 Clark; Cassius Dio 37, 10, 3).

1
Albrecht  23.06.2014, 09:45

Caesar ist durch einen sich zuspitzenden Konflikt mit einer Gruppe von Optimaten unter Druck gekommen. Caesar ist rechtswidrig in den Bürgerkrieg eingetreten. Zuvor haben allerdings seine Gegner in dessen Vorfeld den ersten Rechtsbruch begangen. Am 7. Januar 49 v. Chr. erklärte der Senat (in einem sogenannten Senatus consultum ultimum) den Staatsnotstand und stellte ein Ultimatum an Caesar, bei dessen Nichterfüllung er als Staatsfeind behandelt werden sollte. Ein Einspruch (Veto) der Volkstribunen Marcus Antonius und Quintus Cassius Longinus, die Caesar unterstützen, wurde nicht zugelassen und ihnen mit Gewalt gedroht (sie flohen danach aus Rom zu Caesar). Zur Verfassung der römischen Republik gehörte das Recht der Volkstribunen auf ein Dazwischentreten (Interzession [intercessio]) mit einem Einspruch (Veto) und ihre Unverletzlichkeit/Unantastbarkeit (sacrosanctitas). Dies gab Caesar rechtlich allerdings nicht eine Erlaubnis zum illegalem militärischen Vormarsch.

Als Caesar im Bürgerkrieg 49 v. Chr. Geld aus dem Staatsschatz in Rom entnehmen wollte, versuchte er Volkstribun Lucius Caecilius Metellus dies zu verhindern, aber Caesar ließ ihn mit Gewalt entfernen.

Caesar hat im Bürgerkrieg mehrfach Milde (clementia) gezeigt, Gegner am Leben gelassen und begnadigt (wobei die dabei eingenommene Höherstellung für die Angehörigen der Nobilität problematisch sein konnte). Anders als Lucius Cornelius Sulla hat er keine Proskriptionen durchgeführt.

Caesar hat als Sieger im Bürgerkriege traditionelle Institutionen der Republik durch Eingriffe und Mißachtung zum Teil ausgehöhlt (Erhöhung der Zahl der Magistrate; Aufnahme zusätzlicher Leute, vor allem Anhänger Caesar, in den Senat; Einflußnahme auf die Wahlen, indem Caesar in der Praxis bei vielen Ämtern durch Befürwortung bestimmend war; sehr weitgehende Ehrungen für eine einzelne Person). Vom Senat ließ sich Caesar bei den tatsächlichen Entscheidungen kaum hineinreden.

Eine Begeisterung für Kriegsleistungen hat in Deutschland nach Erfahrungen mit Diktatur und Zweitem Weltkrieg abgenommen.

eine ausführliche Darstellung zu Sichtweisen auf Caesar und zu Caesars Beurteilung bis Dede des 20. Jahrhunderts:

Karl Christ, Caesar : Annäherungen an einen Diktator. München : Beck, 1994. ISBN 3-406-38493-5

einige weitere Bücher:

Ernst Baltrusch, Caesar und Pompeius. 3., bibliographisch aktualisierte Auflage. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2011 (Geschichte kompakt). ISBN 978-3-534-24354-9

Karl Christ, Krise und Untergang der römischen Republik. 8. Auflage (unveränderter Nachdruck der 7. Auflage). Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt, 2010. ISBN 978-3-534-26018-8

Werner Dahlheim, Julius Caesar : die Ehre des Kriegers und die Not des Staates. Paderborn ; München : Wien ; Zürich : Schöningh, 2005. ISBN 3-506-71981-5

Hartmut Galsterer, Gaius Iulius Caesar - der Aristokrat als Alleinherrscher. In: Von Romulus zu Augustus : große Gestalten der römischen Republik. Herausgegeben von Karl-Joachim Hölkeskamp und Elke Stein-Hölkeskamp. 2. Auflage, unveränderter Neudruck. München : Beck, 2010, S. 307 - 326

Matthias Gelzer, Caesar : der Politiker und Staatsmann. Mit einer Einführung und einer Auswahlbibliographie von Ernst Baltrusch. Neudruck der Ausgabe von 1983. Stuttgart : Steiner, 2008 (Alte Geschichte). ISBN 978-3-515-09112-1

Martin Jehne, Caesar. Originalausgabe. 4., aktualisierte Auflage. München : Beck, 2008 (Beck'sche Reihe : C. H. Beck Wissen ; 2044). ISBN 978-3-406-41044-4

Martin Jehne, Der große Trend, der kleine Sachzwang und das handelnde Individuum : Caesars Entscheidungen. Originalausgabe. München : Deutscher Taschenbuchverlag, 2009 (dtv ; 24711 : Premium). ISBN 978-3-423-24711-5

Christian Meier, Caesar. Ungekürzte Ausgabe. 3. Auflage. München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1993 (dtv : Wissenschaft ; 4596). ISBN 3-423-04596-5

Wolfgang Will, Caesar. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft , 2009 (Gestalten der Antike). ISBN 978-3-534-15417-3

Wolfgang Will, Julius Caesar : eine Bilanz. Stuttgart ; Berlin ; Köln, Mainz : Kohlhammer, 1992 (Urban-Taschenbücher ; Band 448). ISBN 3-17-009978-7

Wolfgang Will, Caesar I. Historisch. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band, 2: Ark – Cis, Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1997, Spalte 908 – 916

Wolfgang Will, Caesar III. Wirkungsgeschichte. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 2: Ark – Cis. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1997, Spalte 920 - 923

1
Albrecht  23.06.2014, 09:42

Beurteilung Caesars

In der Geschichtswissenschaft geht es um eine Rekonstruktion der Vergangenheit, eine annähernde Ermittlung von Ereignissen, Entwicklungen, Zuständen und Strukturen. Darauf aufbauend sind Bewertungen aufgrund politischer und ethischer Kriterien möglich. Dabei ist ein Bemühen um gründliches, sorgfältiges Abwägen wichtig. Ausgewogenheit eines Urteils sollte angestrebt und erreicht werden. Deutliche Bewertungen sind damit nicht ausgeschlossen. Sehr einfach gestrickte verallgemeinernde Aussagen mit moralischen Begriffen sind aber oft unpassend.

Zu Gaius Iulius Casear sind in der heutigen Geschichtswissenschaft die Bewertungen nicht einheitlich.

In guten Darstellungen werden aber viele Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht einfach Casear nur für insgesamt gut oder schlecht bzw. böse erklärt.

Handlungen, Eigenschaften, Fähigkeiten, Leistungen, Motive und Ziele sind zu bedenken.

Bei seinen Gesetzen hat es sachlich sinnvolle Maßnahmen gegeben (z. B. Versorgung von Veteranen und Armen mit Land, als Sieger im Bürgerkrieg die Regelung des Problems privater Verschuldung durch ein stabilisierenden Kompromiß, die Einführung eines Kalenders, der mehr Ordnung brachte). Der Einsatz für Freiheitsrechte wie das Provokationsrecht (Anrufung des Volkes bei Gefahr für Leib und Leben) war ein Verhalten, für das gute Gründe angeben werden können.

Caesar war vielfältig begabt, hatte große Fähigkeiten auf verschiedenen Gebieten.

Er hat harte Machtpolitik betrieben.

Caesar hat nach damaligen römischen Maßstäben große Leistungen vollbracht, aus denen er einen Anspruch auf eine ehrenvolle, hohe Stellung in Politik und Gesellschaft ableiten konnte.

Caesar hat in Gallien einen Angriffs- und Eroberungskrieg geführt, der nach heutigen Maßstäben völkerrechtswidrig ist.

Der Krieg in Gallien (mitsamt Abstechern nach Germanien und Britannien) war aufgrund der römischen Gewohnheiten und Mentalität für die große Mehrheit der damaligen Römer in Ordnung und für den eigenen Staat vorteilhaft. Caesar ließ Gesandte der germanischen Stämme der Usipeter und Tenkterer festnehmen und griff dann die führerlosen Stämme an. Sein politischer Gegner Marcus Porcius Cato, so wird erzählt, hat im Senat Caesars Auslieferung an die Stämme verlangt. Eine Mehrheit verhielt sich anders. Der Senat hat mehrfach Dankfeste beschlossen.

Caesar wurde durch Beute sehr reich. Der Krieg war vielfach mit Brutalität verbunden. Die Gallier verloren Freiheit/Unabhängigkeit, viele wurden getötet, Menschen als Sklaven verkauft, das Land an vielen Stellen verwüstet, es gab Hungersnot. Als Alte, Frauen, Kinder aufgrund von Nahrungsmittelknappheit aus dem belagerten Alesia hinausgeschickt wurden, ließ Caesar sie nicht durchziehen und sie mußten zwischen den Fronten verhungern.

Caesar war offensichtlich ehrgeizig. Er hatte aber nicht von Anfang an das Ziel,e ein Alleinherrschaft zu errichten und Diktatur bzw. Herrscher zu werden. Caesar ist auf legalem Weg in seine Ämter gekommen, nur das Amt des Diktators, wie er es führte, war nicht wirklich im Einklang mit den republikanischen Verfassungsgrundsätzen (nach dieser war die Diktatur ein Ausnahmeamt in einer Notlage und dessen Amtszeit nicht länger als 6 Monate). Das dritte und vierte Konsulat war unter dem Gesichtspunkt der Legitimität anfechtbar, weil dies zu den Prinzipen der Annuität (Begrenzung der Amtszeit der Magistrate auf 1 Jahr) und Vermeidung der Iteration (Wiederholung; es gab dabei allerdings einige Ausnahmen) in Gegensatz stand.

In seinem Konsulat 59 v. Chr. hat Caesar zuerst versucht, den Senat in seine Gesetzesvorhaben einzubeziehen und sachlich konstruktive Vorschläge bei einer Erörterung im Senat zu berücksichtigen. Die Optimaten weigerten sich aber, nahmen eine ganz und gar ablehnende Haltung ein und betrieben einen Versuch völliger politsicher Blockierung. Caesar hat sich dann mehrfach auf harte Weise durchgesetzt, Versuche, das Beantragen von Gesetzen und Abstimmungen darüber zu verhindern, scheitern lassen, und Gegnern von ihnen als demütigend empfundene Niederlagen zugefügt.

Durch den Bürgerkrieg kam die Republik zu Fall. Die Bewertung ist auch vom Urteil über die Republik und ihren Zustand abhängig. Zu berücksichtigen ist bei dem Urteil, daß in dieser Republik eine Aristokratie /Oligarchie die Vorherrschaft hatte. Die Alleinherrschaft war aber ein Verlust an Freiheit und Teilhabe.

1
Albrecht  23.06.2014, 09:38

Die Überlegung in der Fragebeschreibung ist offensichtlich, die Popularen mit einer auf die Zustimmung des Volkes ausgerichteten Politik, einer Politik mit Hilfe des Volkes (auf das Volks gestützt) und zugunsten des Volkes (für seinen Interessen und Mitspracherechte), von einer demokratischen Einstellung aus als gut zu beurteilen.

Für eine Einschätzung der Demokratie als verhältnismäßig beste und an Wert höchststehende Staats- und Regierungsform sind (vor allem bei Verbindung der Demokratie mit Prinzipen wie Grundrechten, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatsprinzip) gute Argumente möglich (z. B. Verwirklichung von Beteiligung/Mitwirkungsrechten aller, verhältnismäßig beste Chance auf Herausfinden des Richten und Berücksichtigung der Interessen aller infolge freier Beteiligung aller). Demokratie ist aber nicht frei von Schwächen und Auffälligkeiten und es kommen nicht unter allen Umständen die besten Ergebnis heraus. Beim Volk kann es Bildungsmängel geben, das Volk kann manipuliert werden, es kann von bedenklichen Weltanschauungen geprägt sein.

Die Politik der Popularen zielte allerdings nicht auf echte Einführung einer Demokratie, sondern nur eine Stärkung eines demokratischen Elements der Verfassung.

Dafür kann Sympathie empfunden werden, aber dies muß nicht dazu führen, alle Maßnahmen und Absichten aller Popularen als gut zu bewerten.

Es gibt im Einzelnen auch Beurteilungen zu einem Vorgehen als demagogisch und unruhestiftend. Eine Frage ist, ob die römische Republik (in der eine Aristokratie/Oligarchie die Vorherrschaft hatte) als Rahmen genommen wird, wozu dann auch eine wichtige Rolle des Senats und eine Autorität Führungsschicht gehört, und dann bestimmte Handlungsweisen als störend beurteilt werden.

zu Demokratie/demokratischem Element im antiken Rom:

Martin Jehne (Hg.), Demokratie in Rom ? : die Rolle des Volkes in der Politik der römischen Republik. Stuttgart : Steiner, 1995 (Historia : Einzelschriften ; Heft 96). ISBN 3-515-06860-0

Zu untersuchen ist, inwieweit populare und optimatische Politiker in Wahrheit eigene Macht und persönlichen Vorteil anstrebten.

Tiberius Sempronius Gracchus und Gaius Sempronius Gracchus wollten wohl tatsächlich in der Sache etwas für das Volks erreichen.

Bei anderen auf beiden Seiten kann womöglich Machtpolitik und Verfolgen des eigenen Nutzens im Vordergrund gestanden haben.

Sallust, De coniuratione Catilinae 38, 3 urteilt für eine bestimmte Zeitphase der späten römischen Republik, alle Politiker hätten unter ehrenvollen Bezeichnungen, das Allgemeinwohl vortäuschend, tatsächlich einen Wettkampf um Macht geführt.

1

Deine Wertung musst du selbst dir basteln, genauso wie die von Merkel und Putin. Du fragst aber mit einer Alternativfrage nach der heutigen Sich auf Cäsar: " Wird Cäsar heutzutage als gut oder böse gesehen?"

Cäsar zielte darauf, die alten Vorrechte der Senatoren (vgl. Optimaten) einzuschränken. Er tat das, um genügend Unterstützer zu finden, so dass er Ämter bekam, die ihm den Weg zur Diktatur ebneten. Als Diktator hat er den Weg zur endgültigen Beseitigung der Republik geebnet, zunächst den zum Prinzipat von Augustus. Das war die Voraussetzung für das römische Kaisertum, das im Westen knapp 500 Jahre, im Osten knapp 1000 Jahre bestand.

Die Gesamtheit der Historiker beurteilt historische Sachverhalte nie einheitlich.

Zu deiner Frage: "Wird Cäsar heutzutage als gut oder böse gesehen?" Historiker bemühen sich in der Mehrheit darum, ausgewogene Urteile zu finden, nicht moralische Pauschalurteile zu fällen.

Wir leben gegenwärtig in einer Demokratie. In der Eurokrise hat Merkel demokratische Einflüsse zugunsten rascher Handlungsmöglichkeiten abgebaut. Je nach dem, wie man sich den Lösungsweg zur Eurokrise vorstellt, wird man Cäsar anders beurteilen.

Ich kenne nicht den weltweiten Forschungsstand zu Cäsar.

Aber ich habe meine Vorstellungen darüber, dass in den USA, Indien und China unterschiedliche Wertvorstellungen bestehen. Bleibt noch die Frage: Wo arbeiten die meisten Cäsarspezialisten?


CrazyD800 
Beitragsersteller
 21.06.2014, 16:28

Eine dreiseitige Zusammenfassung geschichtlicher Tatsachen beantwortet wohl kaum meine Frage nach den heutigen Bewertungsansichten!

0
WDHWDH  21.06.2014, 18:48
@CrazyD800

Wenn du was vom Unterricht mitbekommen hast, kannst du dir die Frage selbst beantworten. Wenn nicht hilft wie du richtig zeist auch nichts weiter. Prof WDH.

0
Oberfrosch  21.06.2014, 23:47
@WDHWDH

Es heißt natürlich zeihst, evt. zeihest, da es von zeihen kommt. Nach Adorno hat es zwar keiner mehr verwendet, aber das kann sich ändern.

0
Koschutnig  22.06.2014, 10:45
@Oberfrosch

Außerdem bedeutet zeihen "beschuldigen" schon seit dem althochdeutschen. zîhan (bezîhan wird über das Nomen beziht zu bezichtigen) und wird mit dem Genitiv verwendet: jem. einer Lüge / des Verrats zeihen

0