Gab es eine direkte Konfrontation zwischen Sallust und Cicero?

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Eine Auseinandersetzung zwischen Sallust und Cicero hat es 52 v. Chr. gegeben, als Sallust (Gaius Sallustius Crispus) Volkstribun (tribunus plebi) war und Marcus Tullius Cicero wegen dessen Eintreten für Titus Annius Milo, der Publius Clodius Pulcher hatte ermorden lassen, politisch angriff.

Sallust, De coniuratione Catilinae hat Werke Ciceros (vor allem seine Reden) als Quellen benutzt.

Es gibt eine Invektive (Schmährede) gegen Cicero (Invectiva in Ciceronem) und eine Invektive gegen Sallust (Invectiva in Sallustium), die als Senatsrede Sallusts (in einer Antwort auf Angriffe Ciceros) und Entgegnung Ciceros zu einem Zeitpunkt zwischen August und Dezember 54 v. Chr. aufttreten (kurz nach Verteidigung des Politikers Publius Vatinius durch Cicero gegen eine Anklage in einem Prozeß). Quintilian, Institutio oratoria 4, 1, 68 und 9, 3, 89 zitiert aus der Invektive gegen Cicero, als sei Sallust ihr Autor. Die Invektive gegen Sallust richtet sich auch gegen sein späteres Leben und ist damit offensichtlich anachronistisch. Diomedes 1, 387, 6 Keil gibt als tatsächlichen Autor einen gewissen Didius an. Bei einer Echtheit der Autorschaft Sallust an der Invektive gegen Cicero wäre diese eine direkte Konfrontation mit Cicero. Doch gibt es Gründe für Zweifel daran. So ist ein derartiger Angriff eines Mannes, der höchstens gerade als Quaestor Senator geworden sein kann, auf einen gewesenen Konsul im Senat schwer vorstellbar. Und es wird eine Götterversammlung mit Jupiterrede aus einer eigenen Dichtung Ciceros als allgemein bekannt vorausgesetzt. Diese Stelle aus De temporibus suis war aber damals noch nicht veröffentlicht (vgl. Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad familiares 1, 9, 23). Es ist wohl irrtümlich bei einem Zitat die damals schon im Umlauf befindliche eigene Dichtung Ciceros De consulato suo als Herkunft angenommen worden. Die Invektive gegen Cicero ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein rhetorisches Übungsstück aus früher Prinzipatszeit (die überwiegende Mehrheit der Forschung hält die Invektive für unecht).

Marcus Tullius Cicero hat 52 v. Chr. Titus Annius Milo unterstützt und in einem Pozeß wegen der Ermordung seines Gegners Clodius verteidigt. Cicero, Pro Milone wird Sallust nicht direkt erwähnt. Bei Hinweisen auf politische Angriffe auf Milo und Cicero, die Volkstribune in Volksversammlungen (contiones) unternahmen, ist aber Sallust einer der gemeinten Volkstribune. Dies zeigt die Kommentierung der Rede durch Quintus Asconius Pedianus.

Cicero, Pro Milone nennt allgemein Volksversammlungen (contiones) mit politischen Angriffen. Asconius, Argumentum in Ciceronis oratio Pro Milone (37 Clark) nennt Quintus Pompeius (Rufus), Gaius Sallustius (Crispus) und Titus Munatius Plancus als Volkstribunen, die sehr feindselige Volksversammlungen über Milo abhielten und auch sehr gehässige über Cicero, weil er mit so großem Eifer Milo verteidige (Inter primos et Q. Pompeius et C. Sallustius et T.Munatius Plancus tribuni plebis inimicissimas contiones de Milone habebant, invidiosas etiam de Cicerone, quod Milonem tanto studio defenderet.). Quintus Pompeius Rufus und Gaius Sallustius Crispus seien später in Verdacht geraten, sich mit Milo und Cicero ausgesöhnt zu haben.

Asconius, Enarratio in Ciceronis oratio Pro Milone § 45 berichtet zu einem bestimmten Tag, Quintus Pompeius Rufus und Gaius Sallustius Crispus hätten Volksversammlungen abgehalten.

Cicero, Pro Milone 47 erwähnt Aussagen, Cicero habe Milo zur Ermordung geraten, und bezeichnet diese Gegner als verworfene und verdorbene Menschen (abiecti homines ac perditi; Scitis, iudices, fuisse qui in hac rogatione suadenda diceret Milonis manu caedem esse factam, consilio vero maioris alicuius. Me videlicet latronem et sicarium abiecti homines ac perditi describebant.).

Asconius, Enarratio in Ciceronis oratio Pro Milone § 47 gibt die Volkstribunen Quintus Pompeius Rufus und Gaius Sallustius Crispus als gemeint an (Q. Pompeius Rufus et C. Sallustius tribuni fuerunt quos significat.).

Asconius, Enarratio in Ciceronis oratio Pro Milone § 67 erwähnt tägliche Volksversammlungen schon vor der Wahl des Pompeius zum Konsul, mit denen Quintus Pompeius Rufus, Gaius Sallustius Crispus und Titus Munatius Plancus große Anfeindung gegen Milo wegen der Ermordung des Clodius erregten und bei denen sie Pompeius vor das Volk führten und fragten, ob auch ihm eine Anzeige gebracht worden sei, Milo plane einen Anschlag auf sein Leben aus dem Hinterhalt.

Literatur:

Matthias Gelzer, Cicero : ein biographischer Versuch. 2., erweiterte Auflage. Mit einer forschungsgeschichtlichen Einleitung und einer Ergänzungsbibliographie von Werner Riess. Stuttgart : Steiner, 2014 (Alte Geschichte), S. 207 - 208

Jürgen Malitz, Ambitio mala, Studien zur politischen Biographie des Sallust. Bonn : Habelt, 1975 (Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde ; Band 14), S. 32 – 49

Francisco Pina Polo, Contra arma verbis : der Redner vor dem Volk in der späten römischen Republik. Aus dem Spanischen von Edda Liess. Stuttgart : Steiner, 1996 (Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien ; Band 22), S. 111 – 113

Stephan Schmal, Sallust. 2. unveränderte Auflage. Hildesheim ; Zürich ; New York : Olms, 2009 (Studienbücher Antike ; Band 8), S. 12 - 14

Vielleicht erbarmt sich ja noch ein wirklicher Fachmann deiner Frage.

Für mich gibt es höchstens eine mittelbare Verbindung in Gestalt des Appius Claudius Pulcher, der Sallust aus dem Senat werfen ließ und u.a. von Cicero verteidigt wurde, als er seinerseits der Bestechung angeklagt war.

https://de.wikipedia.org/wiki/Appius_Claudius_Pulcher_(Konsul_54_v._Chr.)

Und diese Leseprobe empfehle ich dir noch:

https://books.google.de/books?id=zgctBAAAQBAJ&pg=PT9&lpg=PT9&dq=cicero+und+sallust&source=bl&ots=0YQ-sBZJtb&sig=KShOCGtoMvcmzKRICDvYeEb40tQ&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjOlu_x-OLLAhULuxQKHS71Dzo4ChDoAQhcMAk#v=onepage&q=cicero%20und%20sallust&f=false