Pferdheit bei Platon und Antisthenes/ Diogenes?

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Mit Pferdheit ist die Idee des Pferdes gemeint.

Gedanken einer Theorie, die als Ideenlehre bezeichnet wird, stehen in einer Vielzahl von Platons Werken.

Platon versteht Ideen als grundlegend für die Wirklichkeit. Eine Idee (von Platon ἰδέα [idea] oder εἶδος [eidos] genannt, aber auch mit anderen Ausdrücken wiedergegeben) ist etwas Bestimmtes allgemeiner Art. Ideen sind dem Sein/der Existenz und dem Erkennnen nach vorausgehend, übergeordnet und vorrangig.

Nach Platons Auffassung sind die Ideen wirklich/wahrhaft Seiendes, etwas in sich selbst Gleiches und Gleichbleibendes. Eine Idee ist etwas Bestimmtes und nur dieses selbst, das Wesen einer Sache und nichts anderes. Eine platonische Idee kann als innere Form einer Sache verstanden werden.

Die Einzeldinge haben zu den Ideen eine Verbindung, die in bildlich-übertragener Ausdrucksweise ein Urbild-Abbild-Verhältnis genannt werden kann (ein Muster/Vorbild und ein Abbild). Platon schreibt von einer Teilhabe der Einzeldinge an den Ideen. Im Einzelding gibt es eine Anwesenheit/Gegenwärtigkeit der Idee. Zwischen Idee und ihr zugehörigem Einzelding gibt es eine Gemeinschaft.

Einzeldinge sind teils Idee, teils Nicht-Idee (etwas, das nicht dem Wesen nach notwendig zu dem bestimmten Etwas, welches die Idee ist, gehört).

Nach Platons Darstellung gibt es von fast allen Dingen Ideen. Ausnahmen sind:

a) individuelle konkrete einzigartige Dinge (Singularia), diese gibt es nur einmal und es kann sie auch nicht mehrfach geben (daher gibt es z. B. keine Idee des Individuums Sokrates)

b) Undefinierbares (zu etwas, das kein abgrenzbares Etwas ist, nur ein Das-da, gibt es keine Idee)

Platon nimmt beispielsweise die Existenz der Idee des Tisches (Platon, Politeia 596 a – b) und der Idee des Menschen (Platon, Parmenides 130 b – c) an.

Eine Pferdheit/Idee des Pferdes wird in Platons Werken nicht ausdrücklich beschrieben. Platon, Kratylos 385 a – b werden die Mensch und Pferd als Beispiele dafür, Dinge Namen zu geben, gewählt, Platon, Theaitetos 195 d als Beispiele dafür, in Bezug auf die Sache das eine, auch wenn sie im Augenblick nicht wahrgenommen, sondern nur gedacht wird, nicht für das anere zu halten.

Die in Gegensatz zur Ideenlehre stehenden Äußerungen von Antisthenes und Diogenes kommen nicht in Dialogen Platons vor, sondern bei Diogenes Laertios, dem Verfasser einer anekdotenreichen Darstellung des Lebens und der Gedanken antiker Philosophen, in Kommentaren spätantiker Autoren (Simplikios, Ammonios, Elias, David) zu Werken des Platon-Schülers Aristoteles und des neuplatonischen Philosophen Porphyrios und beim byzantinischen Gelehrten Johannes Tzetzes.

Darin werden in diesem Zusammenhang eine Pferdheit (ἱππότης [hippotes]), eine Menschheit (ἀνθρωπότης [anthropotes]), eine Tischheit (τραπεζότης [trapezotes]) und eine Becherheit (κυαθότης [kyathotes) genannt.

Aristoteles, der Vorbehalte bzw. Einwände gegen eine Ideenlehre hatte, nennt in Erörterungen über das Verhältnis von Einzelding und Allgemeinen unter anderem Mensch und Pferd (z. B. Aristoteles, Kategorien 5, 2 a und Aristoteles, Metaphysik 7, 13, 1038 b – 1039 a).

Antisthenes

Simplicii in Aristotelis categorias commentarium. Edidit Carolus Kalbfleisch [ = Karl Kalbfleisch]. Berlin : Reimer, 1907 (Commentaria in Aristotelem Graeca : Volumen 8), p. 208, 28-32 (zu Aristoteles, Kategorien 66 b 45):

τῶν δὲ παλαιῶν οἱ μὲν ἀνῄρουν τὰς ποιότητας τελέως, τὸ ποιὸν συγχωροῦντες εἶναι, ὥσπερ Ἀντισθένης, ὅς ποτε Πλάτωνι διαμφισβητῶν "ὦ Πλάτων, ἔφη, ἵππον μὲν ὁρῶ, ἱππότητα δὲ οὐχ ὁρῶ"˙ καὶ ὃς εἶπεν˙ "ὅτι ἔχεις μὲν ᾧ ἵππος ὁρᾶται τόδε τὸ ὄμμα, ᾧ δὲ ἱππότης θεωρεῖται, οὐδέπω κέκτησαι."

„Von den Älteren beseitigten die einen die Beschaffenheiten/Qualitäten vollständig, wobei sie zugestanden, daß das Beschaffene ist/existiert, wie Antisthenes, der einmal, als er mit Platon stritt, sagte: »Oh Platon, das Pferd sehe ich zwar, aber die Pferdheit sehe ich nicht«. Und dieser [Platon] sagte: »Weil du zwar dieses Auge hier hast, mit dem ein Pferd gesehen wird, aber noch nicht/durchaus nicht besitzt, womit die Pferdheit geschaut wird.«“

Auf die Aussage von Antisthenes wird ähnlich auch p. 211, 18-21 hingewiesen.

γνωριμώτερον δὲ καὶ προσεχέτερον ἡμῖν τῆς ποιότητος τὸ ποιόν, εἴπερ τὴν μὲν ποιότητα καὶ ἀναιρουσὶ τινες ὡς μηδὲ ὑφεστῶσαν ὅλως, τὸ δὲ ποιὸν οὐδεὶς ἀναιρεῖ, καὶ τὸν μὲν ἵππον ὁρᾶν ὁμολογεῖ ὁ Ἀντισθένης, τὴν δὲ ἰππότητα μὴ ὀρᾶν καὶ τὸ μὲν ἐν ὀφθαλμοῖς ὁρᾶται, ἡ δὲ λογισμῷ καταλαμβάνεται, καὶ τὸ μὲν ἐν αἰτίου τάξει προηγεῖται, τὸ δὲ ὡς ἀποτέλεσμα ἕπεταί, καὶ τὸ μέν ἐστι σῶμα καὶ σύνθετον, τὸ δὲ ἁπλοῦν καὶ ἀσώμαον.

„Uns bekannter und näher stehend als die Beschaffenheit/Qualität ist das Beschaffene, wenn denn einige die Beschaffenheit/Qualität ganz beseitigen als nicht einmal vorhanden, das Beschaffene aber keiner beseitigt, und Antisthenes zugesteht, das Pferd zu sehen, die Pferdheit aber nicht zu sehen, und das eine mit den Augen gesehen wird, das andere aber mit Überlegung/Nachdenken/Vernunft begriffen/erfaßt wird, und das eine in der Ordnung der Ursache vorangeht, das andere aber als sErgebnis/Wirkung/Vollendung folgt, und das eine Körper und zusammengesetzt ist, das andere aber einfach und unkörperlich ist.“

Ammonius, In Porphyrii Isagogen sive V voces. Edidit Adolfus Busse [ = Adolf Busse]. Berlin : Reimer, 1891 (Commentaria in Aristotelem Graeca : Volumen 4, 3), p. 40,6-10 (zu Porphyrios, Isagoge 22, b):

ὁ τοίνυν Ἀντισθένης ἔλεγε τὰ γένη καὶ τὰ εἴδη ἐν ψιλαῖς ἐπινοίαις εἶναι λέγων ὅτι "ἵππον μὲν ὁρῶ, ἱππότητα δὲ οὐχ ὁρῶ" καὶ πάλιν "ἄνθρωπον μὲν ὁρῶ, ἀνθρωπότητα δὲ οὐχ ὁρῶ." ταῦτα ἐκεῖνος ἔλεγε τῇ αἰσθήσει μόνῃ ζῶν καὶ μὴ δυνάμενος τῷ λόγῳ εἰς μείζονα εὕρεσιν ἑαυτὸν ἀνενεγκεῖν.

„Antisthenes nun sagte, die Gattungen und die Ideen seien/existierten in nackten/leeren/bloßen Gedanken, wobei er sagte: »Ein Pferd sehe ich zwar, aber die Pferdheit sehe ich nicht.» Und wiederum: »Einen Menschen sehe ich zwar, aber die Menschheit sehe ich nicht.» Dieses sagte jener, weil er allein für die Sinneswahrnehmung lebte und sich sich nicht durch die Vernunft/den Geist zu einem größeren Auffinden erheben konnte.“


Albrecht  26.05.2019, 08:41

Eliae in Porphyrii Isagogen et Aristotelis Categorias commentari. Edidit Adolfus Busse [ = Adolf Busse]. Berlin : Reimer, 1900 (Commentaria in Aristotelem Graeca : Volumen 18, 1), p. 220, 27-29:

πέμπτη αἰτία, ὅτι ἔδει καὶ περὶ τῆς ποιότητος συντόμως διαλαβεῖν δι’ Ἀντισθένην καὶ τοὺς περὶ αὐτὸν λέγοντας ῾ἄνθρωπον ὁρῶ, ἀνθρωπότητα δὲ οὐχ ὁρῶ᾿, ὡς ἀναιροῦντας τὴν ἀπλῶς ποιότητα.

„Die fünfte Ursache ist, daß es nötig ist, auch über die Beschaffenheit/Qualität auseinanderzusetzen, was Antisthenes und die Leute um ihn sagen: »Einen Menschen sehe ich, die Menschheit aber sehe ich nicht«, als wenn sie beseitigen, was Beschaffenheit/Qualität schlechthin/schlichtweg ist.“

Davidis Prolegomena et in Porphyrii Isagogen Commentarium Edidit Adolfus Busse [ = Adolf Busse]. Berlin : Reimer, 1904 (Commentaria in Aristotelem Graeca : Volumen 18, 2), p. 109, 12-16:

καί φαμεν ὅτι καὶ ἀμφεβάλλετο παρὰ τοῖς παλαιοῖς, εἰ ἔστι γένος καὶ εἶδος· ἔλεγε γὰρ ὁ Ἀντισθένης μὴ εἶναι γένος μήτε εἶδος· φησὶ γὰρ ῾ἄνθρωπον ὁρῶ, ἀνθρωπότητα δὲ οὐχ ὁρῶ, ἵππον ὁρῶ, ἱππότητα δὲ οὐχ ὁρῶ’, ὥστε οὖν οὐκ ἔστι τὸ καθόλου. ληρῶδες δὲ τὸ τοιοῦτον· οὔτε γὰρ πάντα τὰ ὄντα ὑποπίπτει ταῖς αἰσθήσεσιν. τούτῳ δὲ τῷ λόγῳ τὰ πολλὰ τῶν ὄντων οὐκ ἔστι· τὰ γὰρ θεῖα αἰσθήσει οὐχ ὑποπίπτει, καὶ ὅμως ἔστιν· ἀλλὰ μὴν οὔτε λογικὴ οὔτε ἄλογος ψυχὴ οὔτε φυσικὴ ἔστι, καθὸ αἰσθήσει οὐχ ὑποπίπτει. ἄλλως τε δὲ αἰσθήσεσιν οὐ δεῖ καταπιστεύειν· γὰρ ὁ ἥλιος ποδιαῖος ἡμῖν φαίνεται τῶν πραγμάτων δεικνύντων αὐτὸν ἑκατονταεβδομηκονταπλασίονα τῆς γῆς ὑπάρχειν. καὶ τῶν πραγμάτων δεικνύντων ἡμῖν τὴν ἐν ὕδασι κώπην μὴ κεκλάσθαι, ἡ ὅρασις λέγει αὐτὴν ·μὴ εἶναι ὑγιῆ πάλιν ἐν νηὶ καθημένων ἡμῶν καὶ τῶν παρ’ αἰγιαλὸν δοκούντων ἡμῖν κινεῖσθαι, τὰ πράγματα ψεῦδος εἶναι τὸ τοιοῦτον ἐπαγγέλλονται. δείξαντες οὖν ἀδίκως τὸν Ἀντισθένην τῶν καθόλου ἀναίρεσιν ποιησάμενον φέρε κατασκευάσωμεν πῶς ἔστι πρῶτον δι’ ὁρισμοῦ αὐτὰ παραδόντες.

„Und wir sagen, daß auch bei den Alten diskutiert worden ist, ob es Gattung und Idee gibt. Denn Antisthenes behauptete, es gebe weder Gattung noch Idee. Denn er sagt: »Einen Menschen sehe ich, die Menschheit aber sehe ich nicht, ein Pferd sehe ich, die Pferdheit aber sehe ich nicht«, so daß es demnach das Allgemeine nicht gibt. Aber so etwas ist unsinniges Geschwätz. Denn nicht alles Seiende fällt unter die Sinneswahrnehmungen. Nach dieser Aussage gibt es aber die meisten der seienden Dinge nicht. Denn das Göttliche fällt auch nicht unter die Sinneswahrnehmung, und dennoch existiert es. Aber gleichwohl existiert weder die vernünftige noch die unvernünftige noch die körperliche Seele, insoweit, als sie nicht unter die Sinneswahrnehmung fällt. Ohnehin ist es nicht richtig, den Sinneswahrnehmungen durch und durch zu vertrauen. Denn siehe doch die Sonne erscheint uns einen Fuß breit, während sie, wie sich die Sachen zeigen, 7000mal der Erde zugrundeliegt. Und wie sich die Sachen zeigen, bricht der Stiel nicht im Wasser, das Sehen aber meint, er tue es. Es ist wiederum nicht verständig, wenn wir in einem Schiff sitzen, daß das entlang der Küste sich für uns zu bewegen scheint, die Wirklichkeit zeigt, daß so etwas Täuschung ist. Nachdem wir also gezeigt haben, daß Antisthenes zu Unrecht eine Beseitigung der allgemeinen Dinge durchführte, wohlan, laßt uns ersinnen, wie sie [die allgemeinen Dinge] sind, indem wir sie zuerst durch Defintion zugeben.“ Johannes Tzetzes, Chiliades 7, 605 - 609: τῶν ἰδεῶν δὲ λέγουσι τρεῖς δόξας πεφυκέναι. ψιλὰς ἐννοίας γὰρ φησι ταύτας ὁ Ἀντισθένης λέγων. βλέπω μὲν ἄνθρωπον καὶ ἵππον δὲ ὁμοίως, ἱππότητα οὐ βλέπω δ', οὐδ' ἀνθρωπότητά γε. „Über die Ideen, sagen sie, seien drei Meinungen entstanden. Denn Antisthenes nennt diese nackte/leere/bloße Gedanken, indem er sagte. »Ich sehe zwar einen Menschen und auf gleiche Weise ein Pferd. Die Pferdheit aber sehe ich nicht und auch gar nicht die Menschheit.«“

Diogenes aus Sinope Diogenes Laertios 6, 53: Πλάτωνος περὶ ἰδεῶν διαλεγομένου καὶ ὀνομάζοντος τραπεζότητα καὶ κυαθότητα, "ἐγώ," εἶπεν, "ὦ Πλάτων, τράπεζαν μὲν καὶ κύαθον ὁρῶ· τραπεζότητα δὲ καὶ κυαθότητα οὐδαμῶς·" καὶ ὅς, "κατὰ λόγον," ἔφη· "οἷς μὲν γὰρ κύαθος καὶ τράπεζα θεωρεῖται ὀφθαλμοὺς ἔχεις· ᾧ δὲ τραπεζότης καὶ κυαθότης βλέπεται νοῦν οὐκ ἔχεις."

Diogenes Laertios, Leben und Lehre der Philosophen. Aus dem Griechischen übersetzt und herausgegeben von Fritz Jürß. 2., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage. Stuttgart : Reclam, 2010 (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 9669), S. 273:

„Als Platon die Ideen entdeckte und von Tischheit und Becherheit sprach, meinte Diogenes: »Tisch und Becher, Platon, sehe ich, Tischheit und Becherheit aber ganz und gar nicht«; darauf Platon: »Das ist klar, denn Augen, um Tisch und Becher zu sehen, hast du, Verstand, um Tischheit und Becherheit zu schauen, aber nicht.«“

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Christian2019 
Beitragsersteller
 28.05.2019, 14:15
@Albrecht

Sehr herzlichen Dank das hat mir prima weiter geholfen.-Christian2019 prima.

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Christian2019 
Beitragsersteller
 28.05.2019, 17:03
@Christian2019

Quält mich noch ein Gedanke, bitte.

Es geht um eine Frage zur Kategorienlehre der oben genannten <Pferdheit und Pferd>, in der Folge auch um die Ideen Mensch und Menschheit, Freiheit und frei sein, Weisheit und weise sein und viele andere "-heit" Kompositionen, auch in Anlehnung an das Sein.

Das Pferd, als Beispiel, ist ein Lebewesen innerhalb der Gattungen, bezeichnet aber keine Art, denn es fehlen die entsprechenden Akzidenzien und es ist somit keine Artbestimmung möglich. Wäre die korrektere Form, das Pferd als einen Vielfüßler zu bezeichnen? Ich meine nein, den dann wäre der Begriff oder die Idee Pferd und analog die Pferdheit falsch da das Seepferdchen kein Vielfüßler ist. Somit ist mit dem Begriff Pferd kein Artbestimmung möglich ebenso mit der Idee Pferdheit auch nicht. Offensichtlich lehnen dies Wörter sich nur an etwas an, ohne etwas zu bestimmen oder nach einem Sein zu fragen. Folglich frage ich mich: Wie verhält es sich dann mit der Freiheit (frei sein) der Weisheit ( weise sein), dem Mensch und der Menschheit hier auch im Sinne von `Humanitas´ der Menschhaftigkeit und vielen anderen Beispielen? Ich bin gespannt, viele Grüße und besten Dank im voraus. -Christian 2019-

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Albrecht  15.09.2019, 04:19
@Christian2019

Gute Definitionen und Wesensbestimmungen erfordern Sorgfalt.

Vielleicht ist bei dem Kommentar an eine Definitionsregel über genus proximum et differentia specifica (Angabe der nächsthöheren Gattung und der spezischen Differenz) gedacht und dies als übergeordnete Gattung und artbildender Unterschied gedeutet.

Zum Pferd (Equs) hin könnte von irgendwo her angesetzt werden, z. B. Lebewesen, Säugetier, Unpaarhufer oder Ähnliches und dann wäre das eigentümliche Merkmal herauszufinden. Vielfüßler wäre kein genaues Merkmal. Das Seepferdchen ist dabei nicht ausschlaggebend, da es zoologisch kein Pferd ist und nur sprachlich im Deutschen wegen der Ähnlichkeit des Kopfes seine Bezeichnung hat.

In Dialogen Platons kommt ein klassifikatorisches Verfahren zur Begriffseinteilung vor, die Dihairesis (διαίρεσις). Die Anwendung bedarf sorgfältiger Überlegung.

Diogenes Laertios 6, 40 enhält eine Anekdote über Diogenes aus Sinope, der eine Definition bzw. Begriffsbestimmung Platons spöttisch angriff – Bezugspunkte der Anekdote könnten Platon, Politikos 226 d und [Platon], Horoi ( Ὅροι; Definitionen; lateinischer Ttel: Definitiones) 415 a 11 (Platon ist nicht der echte Verfasser) sein.

Diogenes Laertius, Leben und Meinungen berühmter Philosophen. In der Übersetzung von Otto Apelt. Unter Mitarbeit von Hans Günter Zekl neu herausgegeben sowie mit Vorwort, Einleitung und Anmerkungen versehen von Klaus Reich. Hamburg : Meiner, 2015 (Philosophische Bibliothek ; Band 674), S. 298:

„Als Platon die Definition aufstellte, der Mensch ist ein federloses zweifüßiges Tier, und damit Beifall fand, rupfte er einem Hahn die Federn aus und brachte ihn in dessen Schule mit den Worten: „Das ist Platons Mensch;“ infolgedessen ward der Zusatz gemacht „mit platten Nägeln“.“

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Albrecht  26.05.2019, 08:35

Eliae in Porphyrii Isagogen et Aristotelis Categorias commentari. Edidit Adolfus Busse [ = Adolf Busse]. Berlin : Reimer, 1900 (Commentaria in Aristotelem Graeca : Volumen 18, 1), p. 47, 12-19:

οἱ μὲν γὰρ ἔλεγον ὑφεστάναι τὰ γένη καὶ τὰ εἴδη, ὡς Πλατῶν καὶ Ἀριστοτέλης καὶ οἱ τοιοῦτοι, Ἀντισθένης δὲ ὁ Κυνικὸς ὁ τοῦ Διογενοῦς διδάσκαλος ἔλεγεν μὴ εἶναι τὰ καθόλου οὕτως ἐπιχειρῶν· ‘ἂνθρωπον ὁρῶ, ἀνθωπόητα δὲ οὐχ ὁρῶ, καὶ ἵππον ὁρῶ, ἱππότητα δὲ οὐχ ὁρῶ’. ‘ἀλλ’, ὧ Ἀντίσθενες’, φησὶ πρὸς αὐτὸν ὁ Πλατῶν, οῖς μὲν ὁρᾶται ἵππος καὶ ἂνθρωπος τὰ κατὰ μέρος ἔχεις, τοῦτ’ ἔστιν ὀφθαλμούς, οἷς δὲ ὁρᾶται ἀνθρωπότης καὶ ἱππότης τὰ καθόλου οὐκ ἔχεις· νοῦν γὰρ οὐκ ἒχεις’. ὅτι γάρ εἰσι τὰ καθόλου καὶ οὐκ ἐν ψιλαῖς ἐπινοίαις μόνον καθέστηκεν, δηλοῖ κατὰ τὴν ὁμοιοπάθειαν· πόθεν γὰρ ὁρῶντες χασμωμένους τινὰς ἢ ἀποροῦντας παραχρῆμα ἀνάγκῃ τινὶ κινούμεθα πρὸς τὸ ὁμοιοπαθὲς ἐνεργεῖν, εἰ μὴ κοινόν τι καθόλου ὑπῆρχε πρὸς ἀλλήλους;

„Denn die einen sagten, die Gattungen und die Ideen seien vorhanden, wie Platon und Aristoteles und solche Philosophen, Antisthenes der Kyniker aber, der Lehrer des Diogenes, sagte, das Allgemeine existiere nicht, wobei er auf solche Weise einen Angriff unternahm: »Einen Menschen sehe ich, die Menschheit aber sehe ich nicht, und ein Pferd sehe ich, die Pferdheit aber sehe ich nicht.« »Aber, oh Antisthenes«, sagte Platon zu ihm, »du hast zwar, womit Pferd und Mensch als Besonderes gesehen wird, das heißt die Augen, womit aber die Menschheit und die Pferdheit als Allgemeines gesehen wird, hast du nicht; denn du hast keine Vernunft/keinen Geist.« Denn daß das Allgemeine exstiert und nicht nur in nackten/leeren/bloßen Gedanken auftritt/besteht, zeigt er [Platon] in Bezug auf die Gleichgeartetheit. Denn warum werden wir, wenn wir irgendwelche Leute gähnen oder in Ratslosigkeit/Verlegenheit/Mittellosigkeit befindlich sehen, sofort durch irgendeine Notwendigkeit dazu bewegt, zu dem Gleichgearteten hin tätig zu sein, wenn nicht etwas gemeinsames Allgemeines gegenseitig vorhanden ist?“

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Ich denke nicht, dass das bei Platon steht. Das Wort Pferdheit gibt es in Deutschen nicht, und m.W. gibt es auch kein derartiges griechisches Wort. Es dürfte wohl um die "Idee" des Pferdes gehen. Allerdings schreibt Platon i.A. auch das nicht, sondern er hätte wohl geschrieben "ho hippos to ti einai", sinnvoll übersetzt mit "das Pferd seinem Wesen nach", wörtlicher "das Pferd in Bezug auf sein was-Sein".

Ich denke, Diogenes macht sich hier über Platons Ideenlehre lustig, in der er behauptet, alles Materielle sei nur der Abglanz einer dahinter stehenden Idee. Die googlest Du am besten mal.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Albrecht  26.05.2019, 08:42

Es gibt ein griechisches Wort, das Pferdheit bedeutet (siehe meine Antwort), und in der deutschen Sprache wird „Pferdheit“ bei Beziehung auf solche antike philosophische Gedanken verwendet. Es ist analog zu „Menschheit“ gebildet.

τὸ τί ἦν εἶναι (to ti en einai) ist ein Sprachgebrauch bei Aristoteles, nicht bei Platon.

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Ottavio  26.05.2019, 15:32
@Albrecht

Den Begriff 'to ti einai' (das 'en', 'nämlich' ist nur ein Einschub) kenne ich noch aus meiner Schülerzeit, lange her. Da haben wir im Original Platon gelesen, nicht Aristoteles, meiner Erinnerung nach den Phaidon. Genaueres weiß ich nicht mehr.

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