Definition von Identität (Platon)

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Einer Definition am nähesten kommen Aussagen im Zusammenhang einer Erörterung über Verknüpfung/Verflechtung (es gibt Gemeinschaft und sie sind miteinander gemischt) von Ideen (Platon, Sophistes 254 b – 259 d).

Dies wird an den größten der Gattungen (μέγιστα μὴν τῶν γενῶν 254 d), die besprochen worden sind, abgehandelt, also an einigen grundlegenden Ideen/sehr wichtigen Begriffen/allgemeinen Kategorien.

Dies sind zunächst das Seiende (τὸ ὄν), das Stillstehen/die Ruhe (στάσις) und die Bewegung (κίνησις).

Zu diesen drei Begriffen wird festgestellt (254 d):
ο�?κοῦν α�?τῶν ἕκαστον τοῖν μὲν δυοῖν ἕτεϱόν �?στιν, α�?τὸ δ᾽ ἑαυτῷ τα�?τόν.

„Also ist jedes von ihnen anders als die anderen beiden, selbst aber sich selbst dasselbe/selbst aber mit sich selbst identisch.“

Wie bemerkt wird (254 e), sind damit zwei weitere Begriffe verwendet, Andersheit/Verschiedenheit/Differenz (τό θάτεϱον; „das Andere“, „das Verschiedene“) und Selbigkeit/Identität (τό τα�?τὸν; „das Dasselbe“). Platon bildet die Begriffe durch Substantivierung, indem ein Artikel vor ein Adjektivs bzw. Pronomens im Neutrum gesetzt wird.

Identität bedeutet nach dieser Aussage, dasselbe zu sein.

Ideen kann die Teilhabe an einer anderen Idee entweder an sich oder in Bezug auf etwas andres zugesprochen werden. In Bezug auf anderes kann auch Nichtsein zugesprochen werden, mit einer in diesem Bezug vorhandenen Teilhabe an der Idee der Andersheit/Verschiedenheit/Differenz.

Andersheit/Verschiedenheit/Differenz und Selbigkeit/Identität sind Gegenteile. Sie sind ein Begriffspaar und bei der Bestimmung von etwas stehen sie in einem Wechselverhältnis.

Selbigkeit/Identität wird wegen der Teilhabe an der Selbigkeit/Identität bezüglich sich selbst so genannt, wenn aber nicht Selbigkeit/Identität, dann wegen der Gemeinschaft mit der Andersheit/Verschiedenheit/Differenz, durch die von der Selbigkeit/Identität abgetrennt/abgesondert sie nicht jenes wird, sondern ein Anderes/Verschiedenes, so daß sie wiederum richtig nicht dasselbe genannt wird (Platon Sophistes 256β τα�?τόν, διὰ τὴν μέθεξιν τα�?τοῦ πϱὸς ἑαυτὴν οὕτω λέγομεν, ὅταν δὲ μὴ τα�?τόν, διὰ τὴν κοινωνίαν αὖ θατέϱου, δι᾽ ἣν ἀποχωϱιζομένη τα�?τοῦ γέγονεν ο�?κ �?κεῖνο ἀλλ᾽ ἕτεϱον, ὥστε ὀϱθῶς αὖ λέγεται πάλιν ο�? τα�?τόν.).

Ähnlich wie bei Platon, Sophistes sind auch Aussagen bei Platon, Parmenides 139 d – 140 e, wo Überlegungen zu dem Einen (τὸ ἓν) stattfinden, wobei untersucht wird, ob es ähnlich/gleichartig/gleich (ὅμοιον) bzw. gleich (ἴσον) mit etwas anderem oder mit sich selbst ist oder nicht.

Eine ausdrückliche Definition, Identität wäre Gleichheit in jeder Hinsicht, steht dort aber nicht, auch wenn dies als Auffassung naheliegend ist.

Nach der Lehre Platons sind die Ideen wirklich Seiendes, in sich selbst gleiche (mit sich selbst identische) Wesenheiten. Eine Idee verhält sich in Bezug auf dasselbe immer in gleicher Weise.

Die Welt der Ideen ist ein Bereich des Seienden, zeitunabhängig, unkörperlich, unwandelbar. Eine Idee ist nicht nur in einem Augenblick mit sich selbst identisch, sondern gleichbleibend und unveränderlich. Eine Idee kann als innere Form, die spezifische (besondere) Natur (das Wesen) einer Sache verstanden werden.

Für Platon ist die uns erscheinende Welt eine "unreine", von Veränderung und Tod durchsetzt. In ihr kann es keine wirkliche Identität, eine dauerhafte Übereinstimmung mit sich selbst geben. Nicht mal für eine Person. Körperlich verändert sie sich vom Baby bis zum Greis, nimmt erst zu bis zur jugendlichen Blüte und verfällt dann zum Greis und zum Tod. Auch geistig verändert sich unsere Einsicht, nimmt zu an Fülle und versinkt im Alter in Vergesslichkeit. Der erscheinenden Welt der Veränderung setzt Platon eine beständige, eine ursprüngliche Welt der Ideen gegenüber, von der die Welt der Erscheinungen nur ein Abglanz ist. Identität kann es also nur in der dauerhaften Welt der Ideen, der ursprünglichen Wesensbestimmtheiten geben. Wissen in Bezug auf das Wesentliche, die Identität der Dinge, gibt es für Menschen nur in der Rückerinnerung an die Welt der Ideen. Seine eigene Identität suchen, bedeutet für Platon, sich an die Idee seines Selbst zu erinnern. Identität kann man nicht herstellen. Identität ist. Man kann sich ihr nur nähern, sie nur finden als ewig Beständige.