Öffentlicher und privater Gebrauch der Vernunft?

3 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Zu dem Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Gebrauch der Vernunft gibt es eine Kernaussage.

Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Berlinische Monatsschrift (1784):  

„Ich verstehe aber unter dem öffentlichen Gebrauche seiner eigenen Vernunft denjenigen, den jemand  a l s  G e l e h r t e r  von ihr vor dem ganzen Publicum der  L e s e r w e l t  macht. Den Privatgebrauch nenne ich denjenigen, den er in einem gewissen ihm anvertrauten  b ü r g e r l i c h e n  P o s t e n , oder Amte, von seiner Vernunft machen darf.“

Der öffentliche Gebrauch der Vernunft richtet sich an die Allgemeinheit/ein allgemeines Publikum (bis hin zu einer Weltbürgergesellschaft), als deren Teil/Mitglied sich ein Mensch versteht, und ist ein freier Beitrag eines vernunftbegabten Lebewesens zur Herausbildung einer öffentlichen Meinung.

Der private Gebrauch der Vernunft richtet sich nicht an die Allgemeinheit/ein allgemeines Publikum, sondern nur an Teile der Gesellschaft im Rahmen gesellschaftlicher Rollen und Funktionen, wird von einem Menschen in einer gesellschaftlicher Rolle und Funktion (z. B. einem Amt oder Posten) ausgeübt und ist an Vorgaben, Vorschriften und Anordnungen gebunden.

Der Bezug des privaten Gebrauchs der Vernunft auf ein Amt ist ein vielleicht überraschender Sprachgebrauch Kants (es könnte eher das Gegenteil erwartet worden sein). Dieser ist aber nachvollziehbar, weil das, was Kant privaten Gebrauch der Vernunft nennt, nicht von einem Menschen mit Bezug auf eine Allgemeinheit und eine öffentliche Meinung ausgeübt wird.

Der private Gebrauch der Vernunft ist eingeschränkter, weil es dabei Vorgaben, Vorschriften und Anordnungen durch Vorgesetzte, Obrigkeiten, Regierungen und Herrscher/Staatsoberhäupter gibt.

Die Erforderlichkeit des Funktionierens (wie als Teil einer Maschine mit bestimmten Mechanismen) engt in solchen gesellschaftlichen Zusammenhängen den freien Spielraum für die einzelnen Menschen ein. Es wird oft Gehorsam und folgsames Ausführen verlangt. Die Forderung, nicht zu vernünfteln („Räsoniert nicht!“) ist zu hören. Es ist nicht völlig freigestelllt, darüber nachzudenken und zu urteilen, was zweckmäßig, nützlich, richtig und gut ist. Offiziere verlangen von Soldaten, ihre Befehle auszuführen, Finanzbeamte vom Steuerzahler, die Steuern zu zahlen, Geistliche von Katechismusschülern und einer Kirchengemeinde, zu glauben. Die Menschen sind Vorgaben der Armee(führung), der Regierung/des Gesetzgebers, der Behörden und der Kirche ausgesetzt. Sie handeln in fremden Auftrag.

Der öffentliche Gebrauch der Vernunft drückt Kant als den an eine Allgemeinheit gerichteten Vernunftgebrauch des Gelehrten aus, der durch Schriften zum eigentlichen Publikum spricht, der Welt.

Für den öffentlichen Gebrauch der Vernunft fordert Kant Freiheit (er müsse jederzeit möglich sein). Nur so sei Aufklärung möglich. Der private Gebrauch der Vernunft darf eingeschränkt sein, ohne damit die Aufklärung besonders zu behindern.


Zyanid 
Beitragsersteller
 08.02.2018, 21:12

Vielen Vielen Dank

1

N´Abend. Interessante Frage - meine Antwort:

Vernunft besteht nicht automatisch in und durch Regeln - gleichgültig ob selbst oder kollektiv gesetzt. Sie ist in erster Linie ein Merkmal rationalen Denkens, welches sich nicht nur als methodisches sondern als generelles Rationalitätsprinzip versteht (Karl Popper / Kritischer Rationalismus). Vernunft ist also eine Form von Rationalität, welche sich methodisch auf sich selber anwendet und damit auch eine Erkenntnismöglichkeit über die eigenen Zugangsgrenzen zu "Wissen" sowie das "Wissen" über seine qualifizierte Anwendung erfassen kann. -

Aus diesem Zusammenhang hat letztlich Kant seinen >Kategorischen Imperativ< als Sachverhalt des Nicht-Wissens bzw. des immer auch begrenzten oder unvollständigen Wissens als Ausgangsbedingung menschlicher Handlungsentscheidungen formuliert und damit letztlich auch die Grundlage für die Erklärung der Menschenrechte als universal weil immer auch individuell gültige Grundlage einer Rechtssystematik, die deshalb auch den Status des Naturrechts beanspruchen kann geschaffen.

Diese logische Grundlage eines ethischen Aussagesystems als orientierende Handlungs- und Entscheidungsgrundlage zielt primär auf die Orientierung individueller Handlungsgrenzen im Kollektiv da dort der Klärungsbedarf am virulentesten ist. Das liegt auf der Hand wenn man den kantischen Ansatz gegen ideologisch-affektive Entfaltungsinteressen einzelner Gruppen oder Individuen mit der Macht zur Regelsetzung stellt.

Im individuellen Bereich ist dieser Ansatz weniger relevant, da das "vernünftige" Verhalten dort nur der Absicherung dieser "sozialen Außengrenze" dient, - Ansonsten ist es beispielsweise im Rahmen dieser "Soziallogik" völlig egal ob du dein Leben durch "ungesunde Lebensgewohnheiten" verkürzt oder mehr Geld ausgibst als du hast etc. - solange dein Verhalten die Logik der Kollektivregeln nicht verletzt und du deine "Unvernunft" nur mit dir selber ausmachen mußt.

Mit "mehr" oder "weniger" Freiheit hat das nichts zu tun, da du die Spielräume für dein Handeln und deine Ziele ohnehin immer in einem Kollektiv klären mußt.

Die Frage ist eben nur: nach welchen Regeln. ;-)

Gruß

Vernunft ist nichts öffentliches sondern etwas persönliches. Sie ist an den Verstand, den Menschen und das Individuum gekoppelt.

Du meinst wahrscheinlich so etwas wie öffentliche Meinungsbildung oder das Kollektiv schlechthin, wenn du von "öffentlicher Vernunft" sprichst. In der klassischen Literatur gibt es den Begriff der "öffentlichen Vernunft" nicht.


Zyanid 
Beitragsersteller
 05.02.2018, 23:08

Sie müssen nicht auf neunmalklug tun, da es den Begriff ,, öffentliche Vernunft" in der klassischen Literatur gibt. Haben Sie schon mal was von Kant gehört?

0
schmidtmechau  06.02.2018, 07:51
@Zyanid

Hallo Zyanid!

Was sind das für unverschämte Töne? Die Antwort von vierfarbeimer ist genau richtig. Bei Kant ist nämlich nicht die Rede von öffentlicher oder privater Vernunft, sondern vom öffentlichen oder privaten Gebrauch der Vernunft! Um das nicht unterscheiden zu können, muss man schon neunmalklug sein.

Gruß Friedemann

0
Zyanid 
Beitragsersteller
 08.02.2018, 21:13
@schmidtmechau

Wer hat jetzt nach deiner Meinung gefragt? Niemand.

0
Zyanid 
Beitragsersteller
 09.02.2018, 13:57
@schmidtmechau

Zudem habe ich bei meiner Fragestellung ,,Öffentlicher und privater Gebrauch der Vernunft" geschrieben und nicht private und öffentliche Vernunft! Wenn man keine Ahnung hat, sollte man nicht alles kommentieren. Und noch ein Tipp: Bevor Sie was schreiben sollten Sie sich die Fragestellung durchlesen.

0